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Volksnachrichten aus dem „Hinterland des Feindes“

21. März 2011

Am 11. März 2011 riefen wieder einmal Deutsche dazu auf, nicht bei Juden einzukaufen. Plakate mit Aufschriften wie: „Boykottiert Israels Früchte“ und „Rettet das palästinensische Volk“ ersetzten die Plakate von 1935. Mit ihrem Antisemitismus versuchten die von der Linkspartei Bremen unterstützten „Friedens-Aktivisten“, im Verbund mit dem Weltkirchenrat Genf, das „palästinensische Volk zu retten“. Von Boykottaktionen gegen die palästinensische Hamas, nach Selbstmordattentaten und tausendfachem Raketenabschuss oder gegen den islamfaschistischen iranischen Präsidenten Ahmadinejad, ist komischerweise von diesen „Friedenskämpfern“ nie etwas zu hören.

Die nach eigener Auffassung aufgeklärten „Linken“ der „Freitagscommunity“ begrüßten den Aufruf „nicht beim Juden zu kaufen“ und kritisierten den Blogger „Mandelbrot“ vehement, der sich in seinem Blog über die Boykottaktion aufregte, mit folgenden Worten (Auszug):

„Israel mit Juden gleichzusetzen, ist auch eine Form des Rassismus.“ (Titta) –  „Ich glaub da gehts um Obst und nicht um Antisemitismus…“ (Kurt C. Hose) –„ Nachfolgend Zitate aus der von Mandelbrot verlinkten Mitteilung der Linken. Ich frage mich, was daran antisemitisch sein soll.“ ( weinsztein) – „Der Boykott richtet sich gegen Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Wem möchten Sie weismachen,  israelische Siedler seien ‚einfache Bauern‘?“ (dame.von.welt) – „Klar, die Antisemitismuskeule. Wundert mich wenig. Wer sich über die Kampagne: Boycott, Disvestment and Sanctions ernsthaft informieren will, sollte deren Website besuchen oder über Wikipedia weitere links ansteuern“ (Alien59)- „ und wenn orangen aus israel boykottiert werden, dann ist das antisemitisch, weil die orangen jüdisch sind?“ ( Rahab) – „und sag mir, wieso dürfen staaten einen auch wirtschaftsboykott gegen andere staaten verhängen, ohne dass dir das rassistisch vorkommt – aber wenn einzelne darauf aufmerksam machen, dass der kauf bestimmter waren aus einer bestimmten gegend dazu beiträgt, in derselben gegend eine andere wirtschaftsform zu zerstören und dadurch eine bestimmte gruppe von menschen ihrer existenzgrundlage zu berauben, dann nennst du das schäbig und rassistisch?“( Rahab)- „Es kann nicht sein, dass Juden zu einer ewig priveligierten Opfergruppe stilisiert werden und daher Israel einen ewigen Sonderfall im Weltgeschehen darstellt! Ich bin sicher, dass das auch viele Juden wie auch Israelis nicht wollen“( miauxx) –  „ Wie viele Kriege sind in den vergangenen 60 Jahren vom Iran ausgegangen und wie viele von Israel?“( Uwe-Jürgen Ness ) -„ Übrigens: Die ersten und einzigen beiden Atombomben wurden auch von einem „demokratischen Rechtsstaat“ geworfen, an den sich just Israel so gerne anlehnt.“(Uwe-Jürgen Ness) – „ Oooch und die paar Kriegchen, die Israel verbrochen hat, waren selbstredend alle gleichsam Notwehr. Schon klar.“( Uwe-Jürgen Ness) – „Boykottaufrufe, damals gegen Apartheid und zionistische Politik, gab es auch früher schon.  Damals hätte sich niemand getraut, solche Aufrufe als „nationalsozialistisch“ zu bezeichnen, denn es wären noch Menschen da, die das Nazenregime persönlich erlebt hatten.“ ( Claudia) –„Ich habe an dieser Stelle Zuckermann und andere gegen die inquisitorischen Methoden von Konkret verteidigt. Der permanente Antisemitismusvorwurf gegen linke Israelkritiker ist falsch und durch Bagatellisierung sogar gefährlich. Und so kommt es auch hier wieder, wie es kommen musste: gerade wollte ich mandelbrot und donnerstag mit ihrer Kritik ausnahmsweise einmal recht geben, da muss ich feststellen, dass auch ihre Kritik nur eine instrumentelle ist: Der Antisemitismusvorwurf dient dazu, das Verbot der Linken zu fordern.“(wwalkie) –  „Der ausschließlich fast nur noch pathologisch anmutende und hysterische Anti-Antisemitismuswahn einiger exlinker Neocons und ihrer altrechten Anhängerschaft, schlägt mittlerweile so abstruse und bizarre Kapriolen – die neben Fassungslosigkeit und resignierten Abwinken – bei vielen leider immer noch als Provokationsschiene zu funktionieren scheint. Cui bono?“( Phineas Freek)

Wegen der Verbrechen, die Deutschland an den Juden und an der Menschheit beging, haben sich die deutschen „Friedenskämpfer“ das  Vorrecht herausgenommen fortan besondere Verantwortung zu tragen. „Der Massenmord an den Juden verpflichtete, so meint man, Deutschland dazu, Israel mit Lob und Tadel moralisch beizustehen, damit das Opfer nicht rückfällig werde.“ Mit ihrer unfassbaren Geschichtslosigkeit, sei es die der Zeit des Nationalsozialismus oder die der  Entstehung des Staates Israel mit seinen nachfolgenden Verteidigungskriegen, belegen diese linken „Schuldabwehr-Antisemiten“ ihren Antisemitismus. Die deutsche „Palästina-Solidarität“ ist bestimmt durch das Bedürfnis die „Verbrechen“ der israelischen Regierung für die Annullierung der historischen deutschen Schuld  zu missbrauchen, was in das zentrale deutsche Problem führt, nach Auschwitz. Hätte es die Juden nicht gegeben, „wären die Deutschen nicht gezwungen gewesen, die Judenfrage zu lösen“, so tickt teilweise auch der linke deutsche Antisemit. Detlev Clausen schrieb dazu: Die Feder sträubt sich, wenn von Normalität zwischen Deutschen und Juden die Rede ist, denn die deutsche Normalität gegenüber den Juden ist antisemitisch. Die Deutschen, auch die „linken“, werden den Juden Auschwitz nie verzeihen. Solange es noch Juden gibt werden sie an die deutschen Verbrechen erinnert und das ist ihnen unerträglich.Wer die offensichtliche Parallele eines Boykottaufrufes  gegen israelische Waren und dem NS-Slogan, „Deutsche wehrt euch kauft nicht bei Juden“ nicht erkennt, kann seinen Israelhass nicht mehr leugnen. Israel, der Jude unter den Staaten ist diesen Leuten die vorrangige Hassprojektion. Eike Geisel meinte einst in dem Zusammenhang: „Im Namen des Friedens gegen Israel zu sein, ist etwas Neues. Denn dieses Ressentiment hat alle praktischen und politischen Beweggründe abgestreift. Dieser neue Antisemitismus erwächst weder aus niedrigen Instinkten noch ist er Ausfluss ehrbarer politischer Absichten. Er ist die Moralität von Debilen. Das antijüdische Ressentiment entspringt den reinsten menschlichen Bedürfnissen, es kommt aus der Friedenssehnsucht. Es ist daher absolut unschuldig, es ist so universell wie moralisch. Dieser moralische Antisemitismus beschließt die deutsche Wiedergutwerdung insofern, als sich durch ihn die Vollendung der Inhumanität ankündigt: die Banalität des Guten.“

Mit diesem beschriebenen kruden linken Antisemitismus diskreditiert sich die Linke in peinlichster Weise und beraubt sich so jeglicher glaubhaften, moralischen Argumentation in anderen Politikfeldern.

17 Kommentare leave one →
  1. 21. März 2011 19:04

    Ächtet den Freitag! Er hat’s verdient!

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  2. 21. März 2011 19:21

    „Mandelbrot“ hat sich wohl selbst als „Kommunistenjäger“ bezeichnet. Mit ihrem Antizionismus / Antisemitismus berauben sich diese „Linken“ jeder moralischen Argumentation. Da haben es „Kommunistenjäger“ aller Art sehr leicht diese „schwachbirnigen“ Linken zu demaskieren. Dies dürfte Uwe Theel und Co. bis heute nicht begriffen haben.

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    • reflexione galore permalink
      21. März 2011 21:02

      Ja, aber ich finde dennoch, „aller Art Kommunisten“ könnte man aufdröseln. Mandelbrots „Argumentation“ mit den Schneeschippen und seine Art der „Sparsamkeit“, mit der er aufgewachsen ist (das er auf heutige Armut übertrug), fand ich nicht sehr differenziert. Immerhin hat er im Strang mit den Schneeschaufeln eingesehen, dass er wohl etwas krass reagiert hat. Klar, man kann mutmaßen, dass er vielleicht aus einer anderen Generation stammt, aber „ein Kind seiner Zeit“ ist jeder. Vielleicht hat er auch bereits Durchdachtes auf den Punkt gebracht, ohne wochenlang drumherum zu schwurbeln. Mit seinem letzten Blog und mit dem PID-Blog habe ich jedenfalls guten Absichten im Diskussionsverlauf erkannt.

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    • 21. März 2011 23:11

      Reflexione,
      ich habe von „Mandelbrot“ kaum etwas gelesen. Seinen „PID-Blog“ habe ich überflogen, meiner Meinung etwas zu undifferenziert, bei diesem schwierigen Thema, aber im Vergleich zu den anderen „Freitag-Blogs“ nicht so schlecht. Mit seinen „Folter-Kommentaren“ liegt Mandelbrot allerdings klar neben der Spur. Jedenfalls hat „Mandelbrot“ mit seinem „Israel-Boykott-Blog“ wieder einmal klar den Antisemitismus im „Hinterland des Feindes“ aufgezeigt und das ist sein Verdienst, egal ob er nun dem „Seeheimer Kreis“ anhängt oder nicht.

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  3. 22. März 2011 22:05

    Dieser Freitagsblog als „Diskussion“ ist ein Fortwesen der Katastrophe. Kommentare wie von Titta, also blank dumme, sind gleich mit solchen wie von Rahab oder Phineas Freek, die ihrem Antisemitismus eine ‚Kenntnisschaft‘ vorantragen wollen und z.T. auch können.
    Ich habe das Blog von Mandelbrot regelmäßig verfolgt, auf dem Bild, wo vier Boykottierende mit bluttränenden Orangen zu sehen sind, trägt die junge Frau rechts im Bild das Palästinensertuch als religiöses. „Das palästinensische Volk“ – als wenn nicht aus diesem Sprachbild alles zu lernen wäre, alles Gegebene abzulehnen wäre!
    Die FreitagsCommunity scheint mehrheitlich antisemitisch. Und meint sich doch politisch links! Mehr Verblendung im Fortwesen des Nazismus hat nur Theodor W. Adorno fürs Nachkriegsdeutschland beschrieben. Und er würde heute mannigfach dazutun. Weils so offensichtlich ist.
    Nur irgendwie linken Zeitungen nicht …

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  4. 23. März 2011 22:04

    Lob der Konkret

    Im „Freitag“ schreibt ein wwalkie, dass er oder sie Konkretleser/in ist, aber die Zuckermann-Kritik nicht erträgt. Offensichtlich hat wwalkie noch nicht viele Artikel über Israel gelesen und weiß nicht was linker Antisemitismus ist. Natürlich stimmen die „Freitag-Hamasversteher“ um Rahab, goedzak und Co. sofort zu. Dass diese „Freitags-Avandtgardisten“ mit Zuckermanns Satz – was heute in Israel geschehe, stehe “ich sage das in vollster Verantwortung – in nichts nach, was in Deutschland 1933 gang und gäbe gewesen ist“ – keine Probleme haben ist mir klar.

    Auf jeden Fall wieder ein „gefällt mir“ für Konkret 4/2011- meine Empfehlung:
    – HLG – Suicide A-Bombers
    – Stefan Frank – Grüner Star (Für die europäische Politik bot die libysche Diktatur viele Vorteile. Wie aber funktionierte Gaddafis Herrschaftssystem?)
    – Alex Feuerherdt – Reif für die Insel (Der in Katar ansässige Fernsehsender Al-Dschasira, der die Proteste in Tunesien und Ägypten maßgeblich beeinflusst hat, ist zum Machtfaktor im Nahen Osten geworden. Dass er unabhängig und der Freiheit verpflichtet sei, wie man im Westen glaubt ist allerdings ein Mythos)
    – Interview mit Yaakov Katz –Alles kann passieren – (Wie verändern die Aufstände Israels strategische Lage?)
    – Detlev zum Winkel – 25 Jahre Tschernobyl – ein Gruß aus Fukushima

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    • 23. März 2011 23:17

      wwalkie, ein freitagsblogger, der immer klug geschrieben und kommentiert hat, explizit mit kritischer theorie und besonders adorno-lektüre im argumentierenden grund, sieht in moshe zuckermann einen kritischen theoretiker. auch nach seinem neuesten buch. das ergibt in der folge einen dissens zur aktuellen konkret, einer ebenfalls langjährigen lektüre des bloggers. (die zeitschrift konkret möchte ich durchaus als kritisch-theoretische publizistik bezeichnen.)
      es gab einmal die geschichte, da ein schüler von horkheimer und adorno zur habilitation nach marburg ausweichen mußte, um aber dann doch die senckenberganlage in frankfurt und den verlag in der lindenstraße als spitzenwissenschaftler der leistungsgesellschaft zu erobern. obwohl das alles unter der marke der kritischen theorie stattfand, war es aber doch herrschaftsfreies unkritisches gefasel, was ein ehemals dialektisch zur sache kommendes institut auf den konsens des gegebenen nageln wollte.
      das eine hat mit der anderen geschichte natürlich gar nichts zu tun.
      die positi(vist)en würden sagen: verschiedene systemebenen. [sic]

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  5. 23. März 2011 22:44

    Die Diskussionen im Freitag belegen mir immer öfter, dass der größte Feind der Menschheit die Menschelei ist. Da schreiben so viele Humanoide vordergründig analytisch und irgendwie links und hofieren doch nur ihre eigenen Ängste, Sehnsüchte und sonstige Befindlichkeiten.

    Ok – wenn ich mich auf die Ebene begebe, kann ich das nachvollziehen, kann mir ein Bild davon machen – aber gut finden kann ich es nicht, denn ich halte es allzu oft für verantwortungslos.

    Um die Ecke denken… es scheint ein Problem zu sein. Schade, schade, schade.

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    • 23. März 2011 23:30

      Ich möchte um eins erweitern: Die eine Fraktion spricht in Rätseln zu den ihr interessanten Blogs und will damit verblüffen – oh, ein interessanter Blogger, vielleicht auch weiblich. | Die andere Fraktion menschelt sofort unverblümt – wegen des gleichen Bedürfnisses: oh, mein Bloggerherzkasper!
      Manchmal wünsche ich mir die klassischen Leserbriefe zurück.

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      • 24. März 2011 10:30

        Gut enttarnt, Rainer. Wobei ich mir in einigen Communitys – also nicht nur im Freitag, aber eben auch dort – die Frage stelle, was sie genau sind; Kontakthof oder Laufhaus?

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        • 24. März 2011 21:00

          Da wäre dann wohl individuell abzutakeln … bei Nominierten wie Unterschätzten Publizisten halte ich aber meine Meinung zurück. H i e r ist schließlich k e i n blankes Meinungsmagazin irgendwie.

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        • 24. März 2011 23:13

          Zu den Nominierten und Unterschätzten kann ich da garnichts sagen. Es war nur so ein Gefühl. Wobei – manchen täte ich es ja wünschen, das brächte zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer in ihren Alltag.

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  6. 9. Juli 2012 20:04

    Ohne eine Programmzeitschrift eingesehen zu haben, behaupte ich, dass heute wieder mal weder die öffentlich-rechtlichen, noch die privaten Sender ihrem Bildungsauftrag gerecht werden und biete deshalb als Alternative ein You-Tube-Video und ein kleiner Haury-Vortrag!

    Schönen Abend

    LL

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    • 9. Juli 2012 21:23

      Sehr interessant und aufschlussreich. Thanx.

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    • 10. Juli 2012 09:56

      Gute Videos Louis! Als ich im antizionistischen „Freitag“ auf linken Antisemitismus aufmerksam machte und dabei Thomas Haury des Öfteren zitierte waren die „Reservisten des Freitags“ meist fassungslos und stumm, beziehungsweise beleidigend und beleidigt. Der Steinzeitmarxist Uwe Theel bestritt unisono linken Antisemitismus und Thomas Haury war ihm gänzlich unbekannt. Kein Wunder, denn Thomas Haury schrieb ein Standardwerk über linken Antisemitismus: „Antisemitismus von links“ (Hamburger Edition 2002) An der 20-jährigen innerlinken Diskussion über linken Antisemitismus hatten die Antizionisten des „Freitags“ bis dato nicht teilgenommen. Unfassbar, aber wahr.

      In seinem Buch „Antisemitismus von links“ schreibt Haury im Kapitel, „Marxistisch-leninistischer Antizionismus als prototypischer Antisemitismus nach Auschwitz“:

      „Die durch die Assimilierung des Antisemitismus an den Marxismus-Leninismus entstandenen Modifikationen machen den spätstalinistischen Antizionismus zu einer prototypischen Form des Antisemitismus nach Auschwitz. Dies zum ersten allein schon deshalb, weil er sich nicht gegen »Judentum« oder »Juden«, sondern gegen »Zionismus« und »Zionisten« zu wenden behauptete und nicht rassisch argumentierte. Diese »Tarnung« als erstes wichtiges Merkmal war insbesondere für den Kommunismus unverzichtbar, da er sich ja als wesenhafter Gegner des Faschismus verstand und auch von daher jede Assoziation zum Antisemitismus vermeiden mußte.

      Was den kommunistischen Antizionismus zum zweiten als prototypischen Antizionismus nach Auschwitz ausweist, ist, daß er die Tatsache der Judenvernichtung nicht nur nicht zu leugnen genötigt war, sondern darüber hinaus .auch auf eine spezifische Art und Weise in seine antizionistische Argumentation mit einbezog. Der Antizionismus brauchte infolge der Unterscheidung zwischen »jüdischen Werktätigen« und »zionistischen Monopolkapitalisten« Auschwitz gerade nicht zu leugnen. So wie die »jüdischen Werktätigen« zur Stützung der antizionistischen Propaganda immer erwähnt werden konnten, so mußten auch »die vom Faschismus ermordeten Juden« keineswegs verschwiegen werden, um Propaganda gegen den »Zionismus« betreiben zu können. Die VVN beispielsweise begründete ihre Ablehnung von Wiedergutmachung und Rückerstattung an die Juden mit ihrer »unversöhnlichen Haltung [..] gegenüber jeglicher Neigung, zionistische Großbesitzer und Agenten mit den jüdischen Opfern des Faschismus gleichzustellen«.

      Gekoppelt an jene Behauptung, der Imperialismus verwende gerade wegen der anti-antisemitischen Grundhaltung des Proletariats bevorzugt jüdische Agenten, benutzte der tschechoslowakische Parteivorsitzende Clemens Gottwald die jüdischen Opfer gar zu der vom Neuen Deutschland gleich zweimal zitierten Anklage: »Die zionistischen Organisationen […] treiben ein schändliches Spiel mit den Leiden, die die Hitler-Faschisten über die Juden gebracht haben. Man kann direkt davon sprechen, daß sie aus der Asche von Auschwitz und Maidanek Kapital schlagen wollen.« Nicht nur wurde die Trennung von »guten« toten Juden und zu verfolgenden Zionisten in ein neuerliches Argument gegen letztere gewandt, sondern in klassisch antisemitischer Manier den Juden-Zionisten unterstellt, aus allem, selbst aus toten Juden, »Kapital zu schlagen«. Dieser »Einbau« der Judenvernichtung in eine neuerliche antisemitische Propaganda ist das zweite wichtige Merkmal, das den Antizionismus als Antisemitismus nach Auschwitz ausweist.

      Doch trotz dieser versuchten Trennung von »guten« toten Juden und zu bekämpfenden »Zionisten« ließ sich der bohrende Verdacht, daß der Antizionismus auf die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung ziele, nicht vermeiden. Aus diesem Grund mußte der Antizionismus drittens versuchen, die Juden von Opfern zu (Mit-)Tätern zu erklären, indem er die »Zionisten« mit dem deutschen Faschismus, Antisemitismus und der Judenvernichtung verknüpfte. So wurden die Angeklagten im Slansky-Prozeß der Kollaboration mit dem Nationalsozialismus bezichtigt: »Sie lieferten Kommunisten, Widerstandskämpfer und Juden der Gestapo ans Messer, was für ihre lumpige Gesinnung besonders kennzeichnend ist, da doch die Nazis geschworene Feinde der Juden waren.« Die Prawda ging in einem — vom Neuen Deutschland nachgedruckten — Artikel noch einen Schritt weiter, indem sie »die jüdische Finanzwelt der USA, die den Zionisten Geld zukommen ließ«, beschuldigte, »gleichzeitig Hitler vor seinem Machtantritt großzügig finanziert« zu haben. Damit waren die Juden in Gestalt der »reichen Juden« und »Zionisten« der Mitschuld und Mittäterschaft am denkbar schlimmsten Verbrechen bezichtigt.

      Eine Entlastung Deutschlands von der Vernichtung der Juden war sicher nicht das Ziel solcher Argumentationen aus der Tschechoslowakei oder der UdSSR. Vielmehr ging es um die Entlastung des Antizionismus vom Vorwurf des Antisemitismus, indem die »Zionisten«, und damit Juden, zu Mitschuldigen an Nationalsozialismus und Judenvernichtung erklärt wurden. Dies ist das dritte wichtige Merkmal des Antizionismus, daß er Auschwitz nicht nur nicht zu leugnen braucht, sondern es perfider weise gar vermag, die Verfolgung von Juden zu legitimieren, indem er diese, jetzt als »Zionisten« bezeichnet, zu Mittätern an Auschwitz erklärt. Durch diese Verkehrung der Opfer zu Mittätern stellte man sich insbesondere als Kommunist eine zusätzliche Berechtigung aus, im Namen des Antifaschismus und Anti-Antisemitismus gegen die »Zionisten« vorzugehen, waren sie doch gestern Kollaborateure des Nationalsozialismus gewesen und heute unscheidbar verquickt mit dem »Erben Hitlers«, dem US-Imperialismus.

      Seine »Tarnsprache« und seine nichtrassistische Begründung, die Anerkennung der Tatsache der nationalsozialistischen Judenvernichtung und die Verkehrung der Opfer zu Mittätern weisen den spätstalinistischen Antizionismus als eine prototypische Form des Antisemitismus nach 1945 aus.“

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    • 10. Juli 2012 18:46

      Stimmt, Thomas Haury gehört zu den Guten. Im Nachwort von Léon Poliakovs, „Vom Antizionismus zum Antisemitismus“ schreibt Haury:

      „Das paradoxe und perverse Novum des Antisemitismus nach 1945 besteht, gerade in Deutschland, darin, daß Auschwitz zur neuen Quelle eines sekundären Antisemitismus werden konnte. Die vielfältigen Versuche der Verleugnung, Entschuldigung und Relativierung des Nationalsozialismus zeugen samt und sonders von der Schranke, die die »deutsche Tat« Auschwitz dem Bedürfnis nach »deutscher Identität« setzt. Das provoziert den »Antisemitismus wegen Auschwitz« (Diner 1986, 125).

      Die antisemitischen Emotionen, die sich aus scheinbar heiterem Himmel an Ereignissen wie der Rückgabe jüdischer Vermögen anfangs der 50er Jahre, an der Fassbinder-Kontroverse, an Bitburg und der Waldheim-Affäre exemplarisch entluden, bezeugen das immense Verlangen der überwiegenden Mehrheit der Deutschen danach, »endlich einen Schlußstrich unter die Vergangenheit« zu ziehen und Israel als einen »Staat wie jeden anderen« zu behandeln. Die nationalistischen Tendenzen weiter Teile der Friedensbewegung der 80er Jahre und während des Golfkrieges, die neue Konjunktur des christlichen Antijudaismus und seines Sterotyps vom unversöhnlichen alttestamentarischen Rachegott sind Symptome dieser aus unbewußten kollektiven Schuldgefühlen und aggressiven Entlastungswünschen sich speisenden »bedrohlichen Präsenz der Juden im kollektiven Bewußtsein in Deutschland nach Auschwitz«. Treitschkes Schlachtruf »Die Juden sind unser Unglück« gewann durch Auschwitz tatsächlich den Inhalt, daß jeder Jude der »deutschen Identität« im Wege steht, weil er an die deutsche Untat erinnert. »Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen« (Broder 1986, 125).“
      ——-
      Sorry für die Wiederholung. Ich weiß fidelche hat die Schuldabwehr, die Entlastungsabwehr, die Relativierungen der deutschen Friedenskämpfer schon hundertmal hier angesprochen, aber eventuell haben es immer noch nicht alle verstanden und wenn Thomas Haury es sagt …

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