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Das Kapital ist ein scheues Reh

28. Februar 2012

Der chinesische Premierminister Wen Jiabao hatte kürzlich finanzielle Hilfe für den Europäischen Rettungsschirm in Aussicht gestellt. Die Europäer müssten verstärkte Anstrengungen unternehmen und nötige Reformen ihrer Haushalts- und Finanzpolitik einleiten, machte der Politiker der Kommunistischen Partei Chinas deutlich. Wie vehement Wen Jiabao hinter verschlossenen Türen Angela Merkel angemahnt hat die Menschenrechte in Griechenland einzuhalten ist schwer abschätzbar. Nicht nur das Betteln bei den Chinesen zeigt deutlich in welch existenzieller Krise sich der Kapitalismus befindet. So gut wie alle großen Wirtschaftsnationen sind hoffnungslos verschuldet. Nach Argentinien konnten auch Irland, Portugal und nun Griechenland nicht mehr ihre Schulden bedienen. Spätestens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verhält sich der Kapitalismus geradezu vulgärmarxistisch, weshalb weltweit die Betroffenen gegen die negativen Auswirkungen der  „Freien Marktwirtschaft“ protestieren.  Eine emanzipatorische Kapitalismuskritik sollte sich freilich mit dem kapitalistischen Produktionsprozess, den Zwangsgesetzen der Konkurrenz, der Zirkulation des Kapitals, den Krisenzyklen, dem Verhältnis von Arbeit, Wert und Geld beschäftigen und die Folgen des Marktes erkennen. Fortschrittliche Kapitalismuskritik muss sich gegen staats- und nationalstaatsfixiertes  Denken erwehren und sie muss die regressive Pseudo-Kapitalismuskritik selbst zum Gegenstand ihrer Kritik machen.

Auf der Basis von Ware, Wert, Arbeit und Markt hat sich im Laufe der Geschichte die heute weltweit dominierende Produktions- und Lebensweise herausgebildet. Der fortwährende Zwang zur Kapitalverwertung, zum unendlichem Wirtschaftswachstum , mit mörderischer Konkurrenz, dem Profitstreben und dem Zwang für die meisten Menschen nur durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft überleben zu können, haben zur Folge, dass „nur die Stärksten überleben”. Einerseits produziert das kapitalistische Wirtschaftssystem mit den Gesetzen des Marktes faszinierende Smartphones, hochtechnisierte Autos, Wohlstand und Reichtum,  jedoch andererseits Massenvernichtungswaffen, Hunger, Elend, Krieg und Schuldenkrisen. Während in der kapitalistisch organisierten  Welt eine Milliarde Menschen hungern, können es sich Durchschnittseuropäer leisten mehrmals im Jahr Fernreisen zu unternehmen.  Während ein Zimmermädchen in einem Hamburger Hotel 2,46 Euro brutto in der Stunde verdient, kassiert dasselbe Hotel für eine Suite 349 Euro pro Nacht. Während die Zerstörung der Umwelt voranschreitet, bestimmte Gebiete für Jahrhunderte radioaktiv verstrahlt sind werden nach wie vor Atomkraftwerke betrieben und gebaut. Während weltweit täglich 25.000 Kinder verhungern landen in Deutschland jährlich 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll und werden in den Industrieländern Mais und Raps zu Biodiesel verarbeitet. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander, zwischen den Industrienationen und den Ländern der 3. Welt, zwischen dem Harz-4 Empfänger und der „BMW-Familie“ Quandt. Einerseits gab es in Deutschland durch Mikroelektronik, Rationalisierung und Automation einen kaum vorstellbaren Produktivitätsschub, andererseits hat sich die Lebensarbeitszeit deshalb nicht verkürzt sondern im Gegenteil verlängert. Bei einer immer höheren realen Arbeitslosenquote muss heute ein Dreißigjähriger damit rechnen erst mit siebzig Jahren in Rente gehen zu können. Die systemimmanenten „Konstruktionsfehler“ des Kapitalismus sind die Ursache für die großen und kleinen Krisen im Kapitalismus, in dessen kurzen Aufschwüngen sich Wenige große Profite aneignen und in den längeren Abschwüngen die Verluste vergesellschaftet werden.

Die kapitalistischen Krisen sind von zyklischer Natur, sie gehören quasi zur „Normalität“ kapitalistischer Entwicklung. Marx hat den tendenziellen Fall der Durchschnittsprofitrate systematisch im Kontext des Gesamtreproduktionsprozesses des Kapitals untersucht und auf diese Weise die zyklisch wiederkehrenden Krisen als Ausdruck der Akkumulationsdynamik einer kapitalistischen Gesellschaft, als Folge der Überakkumulation des Kapitals und der fallenden Profitrate erklären können. Bei einer  Steigerung der Arbeitsproduktivität durch Automatisierung, Rationalisierung, Arbeitszeiterhöhungen, unbezahlten Überstunden, Billiglohnkräften benötigt die Produktion immer weniger Arbeitskräfte, wodurch die Arbeitslosigkeit steigt und gleichzeitig die Kaufkraft sinkt, worauf  die Hersteller im gesättigten Markt immer weniger Produkte verkaufen können. In der Überproduktionskrise produzieren also immer weniger Arbeitskräfte immer mehr Waren die sich immer weniger leisten können. Für das Kapital bleibt nur der Export in andere Länder, weshalb immer neue Märkte, notfalls mit Gewalt, erschlossen werden müssen. Eine gewisse Zeit können sich diese Länder diese Produkte leisten, über kurz oder lang müssen sie sich verschulden. Die Überproduktionskrise ist eine periodisch wiederkehrende Wirtschaftskrise im Kapitalismus, mit Milchseen, Butterbergen, Autohalden und Abwrackprämien als sichtbare Indikatoren. Seit mehr als 30 Jahren, also nach dem Zusammenbruch von Bretton-Woods ist der Neoliberalismus auf dem Vormarsch. Mitte der 1970er Jahre neigte sich der  fordistische Nachkriegsboom seinem Ende zu. Durch Automation  und Mikroelektronik steigerte sich die Produktivität massiv, die Menge der Waren explodierte, die der benötigten Arbeit implodierte. Alle Konjunkturprogramme, alle Staatsinterventionen und jede keynesianistische Regulation konnte den realökonomischen Widerspruch nicht aus der Welt schaffen. „Erst die zunehmende Liberalisierung der Finanzmärkte und die monetaristische Politik der Neoliberalen boten einen Ausweg. Das Kapital, das in der Realwirtschaft keine rentable Anlagemöglichkeit mehr fand, konnte in die Sphäre des fiktiven Kapitals ausweichen. Die Krise wurde aufgeschoben, und der Neoliberalismus wurde zum weltweit hegemonialen Programm. Die Implosion des sogenannten Realsozialismus bescherte ihm einen zusätzlichen Legitimierungsschub und beflügelte die Akteure des Sozialabbaus. Doch der Übergang zum »Shareholderkapitalismus« der neunziger Jahre war nur die Eskalationsstufe eines Prozesses, der bereits in den Siebzigern begonnen hatte: Das fiktive Kapital wurde zur »Basisindustrie« des Verwertungsprozesses. Und im Platzen der Finanzblase wird nichts anderes sichtbar als das verdrängte und kumulierte Krisenpotential von drei Jahrzehnten“, schreibt Lothar Galow-Bergemann in Konkret 12/2008. Kapitalismus ohne Streben nach Maximalprofit und ohne fiktives Kapital war und ist undenkbar. Die so genannte Realwirtschaft und Finanzsphäre können nur zusammen gedacht, kritisiert und überwunden werden. Die aktuelle Schulden- und Eurokrise, die Bankenkrisen haben ihre Ursache in den grundlegenden „Konstruktionsfehlern“ des Kapitalismus. Der Neoliberalismus  war also die Reaktion auf die Schwächung kapitalistischer Herrschaftsansprüche während des Fordismus. Arbeitnehmerinteressen wurden zurückgedrängt, staatliche Unternehmen privatisiert sowie eine Umverteilung von unten nach oben intensiviert.

Herbert Marcuse schrieb in „Der eindimensionale Mensch“: “Auf der gegenwärtigen Stufe des fortgeschrittenen Kapitalismus widersetzt sich die organisierte Arbeiterschaft mit Recht der Automation ohne Ausgleichsbeschäftigung. Sie besteht auf der extensiven Nutzung menschlicher Arbeitskraft in der materiellen Produktion und widersetzt sich so dem technischen Fortschritt. Indem sie dies tut, widersetzt sie sich jedoch auch der ergiebigeren Nutzung des Kapitals. Mit anderen Worten, ein weiterer Aufschub der Automation kann die nationale und internationale Konkurrenzfähigkeit des Kapitals schwächen, eine langfristige Depression verursachen und folglich den Konflikt der Klasseninteressen wiederaufleben lassen.“

Nach dem Vorbild des Ökonomen John Maynard Keynes versuchten und versuchen Regierungen unterschiedlichster Couleur mit gepumptem Geld die Abschwünge zu bremsen in der irrigen Hoffnung  im Aufschwung das Geld wieder zurückzubekommen. Die aktuellen weltweiten Schuldenkrisen sind ein Resultat dieser Politik. Während immer mehr erfolglose Unternehmer vom Staat Geld haben wollen explodieren die Staatsschulden. Weil Staaten nichts produzieren, haben sie kein Kapital, sie können kein Kapital schaffen, sondern lediglich das vorhandene umverteilen. Natürlich muss irgendjemand all diese unsinnigen Staatsausgaben bezahlen. Bis dahin leiht sich der Staat das Geld an den Kapitalmärkten. Laut Keynes steigt die Wirtschaftsleistung um deutlich mehr als einen Euro, für jeden Euro, den der Staat ausgibt, was niemals bewiesen werden konnte. Die Theorien von Keynes, die diversen Politikern, Ökonomen und Journalisten als Heilsbringung dienen, beruhen auf dem Irrglauben an Zauberei. Keynes war im Übrigen der  Ansicht, dass Kriege, Erdbeben und der Bau von Pyramiden den Wohlstand eines Landes steigern könnten.

Im Gegensatz zu Keynes waren die nationalsozialistischen und die heutigen rechtsextremen  Kapitalismuskritiker davon überzeugt, dass mit der Brechung der Zinsknechtschaft, der Verstaatlichung der Banken und der Abschaffung des Zinses alle „Probleme“ des Kapitalismus beseitigt wären. Als  Hitler 1940 auf dem Höhepunkt seiner  Macht, die Zustimmung der Deutschen zu Hitlers Politik so groß wie nie zuvor war, kam der Propagandafilm Jud Süß in die deutschen Kinos. Die 19 Millionen Besucher von „Jud Süß“ wurden nicht gezwungen diesen Film anzusehen, sie wollten den Film sehen weil sie entsprechend fühlten und dachten. Der antisemitische  Propagandafilm spielt am Hofe des Königs von Württemberg. Dieser König kam in zunehmende Finanzschwierigkeiten und stellt sich den jüdischen Finanzberater Joseph Süß ein. Der geldgierige Joseph Süß, in dem Veit Harlan-Film, ein verschlagener hochraffinierter Jude der alle Finanztricks beherrscht, rettet den König in dem er mit seinen Tricks die Bevölkerung ausbeutet und dadurch immer mächtiger und einflussreicher wird. Das Geld wird der Masse der ehrlich arbeitenden Bevölkerung genommen. Es kommt dadurch zu sozialer Verelendung und zu Massendemonstrationen. Das Gegenbild zu der jüdischen Raffgier ist in dem Film die ehrliche deutsche Arbeit, die durch den Schmied mit seiner züchtigen Hausfrau symbolisiert und dessen Haus durch die  Finanzpolitik von Jud Süß zerstört wird. Der Widerstand der Bevölkerung wächst. Der gute ehrlich arbeitende Held mobilisiert die Massen und bringt die Wende. In der Schlüsselszene des Films ruft er den Massen zu: “Wie die Heuschrecken fallen sie über uns her“.  Nachdem der Jude gehängt wird, entspannt sich die Lage und die Menschen haben wieder eine glückliche Zukunft vor sich. Die Heuschreckenmetapher verwandte Alfred Rosenberg im „Völkischer Beobachter“ bereits am 29. Mai 1921: „Aber schon sehr bald zeigte es sich, dass alle Anlockungen durch Vorzugsrechte nicht recht anschlugen, dass der größte Schwarm der jüdischen Heuschrecken nach Amerika zog, der andere, nach Palästina abgefahrene Teil aber nicht recht arbeiten wollte, sondern von den Millionen zu zehren vorzog, die jüdische Milliardäre zur Organisation Palästinas ausgeworfen hatten“. Einige Jahrzehnte später bemühte Franz Müntefering, nachdem die Rot-Grüne Regierung die Deregulierung der Kapitalmärkte massiv fortgesetzt hat, die Heuschrecken-Metapher um gegen Hedgefonds und das Finanzkapital zu agitieren. Ver.di nahm ebenfalls das Bild der Heuschrecke auf und gab ein entsprechendes Flugblatt heraus, das allerdings nach großen Protesten innerhalb der Gewerkschaft zurückgezogen wurde. Ein Prozent der Menschheit ist für die Occupy-Bewegung  an der Krise schuld, ein Prozent bereichert sich auf geheimnisvolle Weise an der Arbeit aller anderen, ein Prozent kontrolliert Regierungen und sorgt für böse Kredite, Zinsen  und Schulden. Die Nazis sprachen von “Zinsknechtschaft” und Jürgen Elsässer  spricht heute bei Occupy-Veranstaltungen von “Schuldknechtschaft”. Müntefering, die IG Metall und der überwiegende Teil der Occupy-Bewegung sind keine Nazis, aber ihre verkürzte, personalisierte Kritik am Kapitalismus ist gefährlich, denn wenn vermeintlich einige Wenige das Elend der Vielen verursachten, dann ist es bis zum Schritt der Eliminierung der „Bösen“ nicht mehr weit.

Max Horkheimer kritisierte die „Bürgerliche Gesellschaft“ mit ihren ökonomischen Gegensätzen, ideologischen Widersprüchen und sozialen Ungerechtigkeiten. Für Horkheimer war der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und der Entstehung des Faschismus offensichtlich: Als eine Reaktion auf die Krise des Kapitalismus versuche der Faschismus, den Kapitalismus mit despotischen Mitteln aufrechtzuerhalten. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs formulierte Horkheimer:„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“

Eine wichtige Ursache für die heutige Krise ist aus meiner Sicht das Auslaufen des Nachkriegsbooms vor über 30 Jahren. Durch die Gesetze des Marktes, also dem Verwertungsdruck kam es zur Flucht ins fiktive Kapital und durch die Überproduktionskrisen in diesen Jahren und den „notwendigen“ keynsianistischen Programmen kam es zur Verschuldung der diversen Staaten. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Schuldenkrise Griechenlands und dem Umstand dass Deutschland Exportweltmeister ist, ein Zusammenhang der mit kommunizierenden Röhren vergleichbar ist. Die Frage nach den  Alternativen zum Kapitalismus ist seriös kaum zu beantworten. Freilich den Selbstzerstörungskräften der freien Marktwirtschaft ungebremst ihren Lauf zu lassen, dürfte genauso der falsche Lösungsansatz sein, wie wenigen „Sündenböcken“ die Schuld für die Krisen in die Schuhe zu schieben. Wohin verkürzte Kapitalismuskritik führen kann, welche  Andockmöglichkeiten von rechts sie birgt, liegt auf der Hand. Verbesserte Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Unternehmen, ein bedeutend höherer Spitzensteuersatz, höhere Löhne, ein Mindestlohn und eine signifikante Arbeitszeitverkürzung, würden zwar den Wirtschaftsstandort Deutschland, seinen Status des Exportweltmeisters minimal gefährden, wären aus meiner Sicht jedoch Schritte in eine richtige Richtung. Meine Prognose für die Zukunft ist wenig optimistisch: Das kapitalistische System ist zweifellos in seiner größten Krisen, die Zustände in Griechenland geben einen ersten Eindruck wie es in Europa weitergehen dürfte. Weil keynesianistische Politik noch nie funktioniert hat, wird Kapital vernichtet werden müssen. Die Herrschenden werden vermutlich versuchen einen großen Krieg  zu verhindern, es bleibt also nur die große Euro-Währungsreform, bei der allerdings die Schwächsten noch schwächer werden dürften.  Recht zu haben, nützt freilich dem wirtschaftlich privilegierten Kritiker des Kapitalismus nicht wirklich, denn auch er ist, wie die Adepten der freien Marktwirtschaft, von den Auswirkungen einer möglichen Euro-Währungsreform betroffen, denn wer privilegiert ist, hat auch etwas zu verlieren und das ist das Dilemma.

Quellen: Stefan Frank – Die Weltvernichtungsmaschine, Michael Heinrich – Kritik der politischen Ökonomie, Elmar Altvater – Das Ende des Kapitalismus, Georg Fülbert – G Strich, Robert Kurz- Schwarzbuch Kapitalismus, Lothar Galow-Bergemann –  Konkret 2007/12 & 2008/12, Herbert Marcuse – Der eindimensionale Mensch

48 Kommentare leave one →
  1. Der Bassist permalink
    28. Februar 2012 22:40

    Dieser Satz ist im „Kapitalismus Forever“ (Wolfgang Pohrt) ein wichtiger Satz: „Wie vehement Wen Jiabao hinter verschlossenen Türen Angela Merkel angemahnt hat die Menschenrechte in Griechenland einzuhalten ist schwer abschätzbar.“ – Ich liebe die Ironie nicht der Geschichte, sondern der verewigten Geschichte …

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  2. netzberg permalink
    28. Februar 2012 22:54

    Endlich mal wieder was anderes als die aus Funk, Fernsehen und Bahnhofskiosk-Print bekannte „Pseudo-Kapitalismuskritik“, daß die Bio-Gurke zu teuer ist oder Legehennen vom Verfassungsschutz überwacht werden ohne Erfolg. Nein: Das System wirkt tödlich fort, es sind nicht einzelne böse Ausnahmen.

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  3. 28. Februar 2012 23:36

    Der Prognose, also dem weiteren Öffnen der Schere zwischen Null & Nichtig, Groß & Gold, stimme ich zu. – Aber welcher Mensch, der Mensch ist, möchte schon gerne recht behalten …

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  4. 29. Februar 2012 08:43

    „..dürfte genauso der falsche Lösungsansatz sein, wie wenigen „Sündenböcken“ die Schuld für die Krisen in die Schuhe zu schieben.“

    Hier kann man natürlich „vollste Zustimmung“ schreiben, doch so einfach ist es nicht. „Falsch“ ist der Lösungsansatz, weil er vom eigentlichen Problem – wie beschrieben – wegrückt, „richtig“ ist er, weil er das System „personalisiert“, also ihm den Vorteil der Anonymität nimmt und es greifbar macht. Zudem sollte man – trotz der Gefahr der Andockmöglichkeiten, die ohnehin immer gegeben sind – bedenken, dass ein Wandel im demokratischen Sinne Mehrheiten braucht. Natürlich kann man fein abgestimmte Systemkritik üben – sie wird aber nichts verändern, weil sie Theorie bleibt und letztlich sind es eben doch – auf allen Seiten – Menschen, die handeln. Es ergibt keinen Sinn, zwar das System zu kritisieren, aber Institutionen oder Menschen nicht zu benennen, aus Angst, jemand „Unpässliches“ könnte sich an die Kritik hängen. Es gibt andere Möglichkeiten, diese Geister „abzuhängen“, als sich selbst zu beschneiden. Und – es existieren „Parallelwelten“, die für sich, nicht aber für das Gesamte, agieren.

    Zudem – jedwede Forderung ist Kritik. Wenn ich Mindestlohn und genossenschaftliche Banken/Unternehmen fordere, kritisiere ich damit den aktuellen Zustand ebenfalls auf verkürzte Weise und biete „Andockmöglichkeiten“. Auch hier könnte man sagen, dass der Begriff „Genossenschaft“ iSv. Volks-/Gemeinschafts-Vermögen durchaus eine gewisse Attraktivität für Rechte hätte. Also ist ein anderer Umgang mit ihnen gefragt, um sich Themen nicht nehmen lassen zu müssen.

    Ich glaube übrigens nicht, dass Mindestlöhne und Arbeitszeitverkürzungen etc. zu einer Gefahr für den Standort Deutschland werden könnten. Eher das Gegenteil dürfte mittelfristig der Fall sein. Die Gewinnmaximierung, die derzeit noch zugunsten einer stetig schrumpfenden Minderheit funktioniert, würde dann allerdings aufgelöst, die Erträge könnten nicht mehr einfach konzentriert werden. Genau das aber wäre für ein Land wie Deutschland letztlich von Vorteil, da auf der anderen Seite so positiver auf den demografischen Wandel reagiert werden könnte, dem wir nun einmal ausgesetzt sind. Derzeit funktiniert unsere Volkswirtschaft wie ein übermotorisierter Sportwagen, den sich ein infantiler Vater gekauft hat, ohne zu bedenken, dass er auch für seine Kinder Sitzplätze braucht und ein Kofferraum zum Einkaufen eigentlich vernünftiger wäre. Wir verhalten uns so ähnlich. Zugunsten des momentanen Nutzens lassen wir Menschen viel für wenig arbeiten und die Übriggebliebenen liegen, wobei wir die so entstehenden Kosten auch noch auffangen müssen – sozialisiert natürlich, um die Gewinnseite zu sichern. Wir verzichten auch auf die brachliegenden Ressourcen, in die wir vorher (Schulbildung, Ausbildung etc.) investiert haben. Das ist auch die Folge davon, dass Deutschland über viele Jahre (angefangen beim „Kanzler der Bosse“) betriebs- und nicht volkswirtschaftlich betrachtet haben. Ein Land als Gemeinwesen ist aber kein Unternehmen und ein Sportwagen, bei allem damit verbundenen Spaß, keine Familienkutsche – die aber gebraucht würde. Und so agieren wir alle locker flockig am Bedarf vorbei. Sicher ist die Kritik am „Individualgewinn“ erst einmal verkürzt. Wenn man aber nicht den Mut besitzt, sie zu formulieren, kann man keine Alternativen aufzeigen, denn diese implizieren genau diese Kritik, denn die o.g. Forderungen, denen ich zustimme, sind nichts weiter als ein Angriff auf die Interessen derer, die gerade „verkürzt“ kritisiert werden.

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    • 29. Februar 2012 13:06

      „Derzeit funktioniert unsere Volkswirtschaft wie ein übermotorisierter Sportwagen, den sich ein infantiler Vater gekauft hat, ohne zu bedenken, dass er auch für seine Kinder Sitzplätze braucht und ein Kofferraum zum Einkaufen eigentlich vernünftiger wäre.“ Ein schönes Sprachbild für eine irrationale Ökonomie. – F. Wolf hat es unten mit der Abwrackprämie ja auch plausibel konkretisiert.

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    • 29. Februar 2012 17:48

      Man kann Menschen schon kritisieren wenn sie an etwas Schuld sind. Die Bankmanager sind aber nicht an der Krise schuld, sie sind aktuell die Sündenböcke für die Krise. Was wäre wenn ein Bankmanager nicht versuchen würde größtmöglichen Profit mit dem eingesetzten Geld zu generieren? Über kurz oder lang wäre er seinen Job los. Natürlich profitiert er vom bestehenden System, mehr aber nicht. Jeder Kapitalist, egal ob Kleinunternehmer, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, von EON oder von Siemens steht unter dem Verwertungsdruck des Systems. Aus der Ware muss möglichst viel Geld erwirtschaftet werden. Geld ist die höchste Form der Ware. Natürlich muss in der Bank aus Geld noch mehr Geld gemacht werden, ansonsten scheitert die Bank. Geld ist das „Schmiermittel“ im Kapitalismus, ohne Kredite, ohne fiktives Kapital geht gar nichts.

      Durch die Umsetzung meiner Forderungen am Schluss des Textes wird der Kapitalismus natürlich nicht überwunden, ich schrieb es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Ich weiß nicht was es bei der Forderung nach Genossenschaften für rechte Andockmöglichkeiten es geben sollte. Wenn die Beschäftigten eines Unternehmens selbst über Investitionen oder Löhne entscheiden können halte ich dies für eine positive, demokratische Sache. Natürlich sind Genossenschaften auch der Konkurrenz des Marktes ausgesetzt. Das ehemalige Jugoslawische System ging in diese Richtung, selbstverwaltete Betriebe, das hat lange Zeit gut funktioniert. Ich meine in bestimmen Branchen könnte es einige Vorteile bringen.

      Bei den Mindestlöhnen und der Arbeitszeitverkürzung sind wir uns ziemlich einig. Die niedrigen Löhne in Deutschland sind ein Grund für den Exportüberschuss. Die Frage ist also wie die Arbeitszeitverkürzung finanziert wird und wie es mit dem politischen Willen aussieht.

      Deinen Vergleich der Volkswirtschaft mit einem übermotorisierter Sportwagen, mit Schulbildung, Ausbildung usw. kann ich sehr gut nachvollziehen. Eine gerechtere steuerliche Belastung wäre hierbei ein Lösungsansatz. Es müssen ja nicht unbedingt 75 Prozent (ab einer Million Jahreseinkommen) sein, 65 Prozent würden für den Anfang schon reichen. Für eine derartige Steuerreform eine gerechtere Steuerbelastung steht aktuell leider nur die Linkspartei zur Verfügung, es ist also politisch nicht durchsetzbar. Der politische Wille fehlt in Deutschland, in einem politischen System in dem die Parteien ohnehin nur sehr wenig Handlungsspielraum haben.

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      • 29. Februar 2012 18:03

        Ok – auch hier könnte man dir beipflichten: „Die Bankmanager sind aber nicht an der Krise schuld, sie sind aktuell die Sündenböcke für die Krise. Was wäre wenn ein Bankmanager nicht versuchen würde größtmöglichen Profit mit dem eingesetzten Geld zu generieren?“

        Dieser Logik nach müsste man aber post mortem auch jedes Mitglied der Waffen-SS von der Verantwortung freisprechen, sie also als Sündenböcke bezeichnen, was das Dritte Reich betrifft. Warum hätten sie nicht versucht sein sollen, möglichst effektiv ihrem Job nachzugehen.

        PS: Ich weiß, dass die beiden Vorgänge inhaltlich nicht vergleichbar sind und will damit auch keine Gruppe verharmlosen oder dramatisieren. Es geht mir rein um die Systematik der Argumentation. Wir haben in Deutschland die freie Berufswahl und auch im Bankenwesen gibt es Menschen, die als Dienstleister einen guten Job machen und die man nicht vorschnell verurteilen sollte. Dennoch findet in diesem Bereich – systembedingt – viel Negatives statt und das MUSS auch benannt werden dürfen, auch an Menschen gekoppelt, denn mit ihnen funktioniert das System erst, nicht ohne sie.

        Was den politischen Willen betrifft, sind wir einer Meinung – leider sehe ich das auch so.

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        • 29. Februar 2012 22:33

          OT: Für den Komplex Waffen-Dings und alltäglicher Obersalzberg erkläre ich hiermit für immer und ewig und ausschließlich den schriftstellernden Sozi und Bundeskreuzträger Günter Grass für zuständig, nicht auf Papier, aber mit seiner Trommel aus Blech.

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      • 1. März 2012 11:36

        Michael, ich versuche es noch einmal zu verdeutlichen:

        Wenn der Schuster keine „guten und/oder preiswerten“ Schuhe macht und sie nicht verkaufen kann, dann wird er im Markt scheitern und seinen Laden schließen müssen. Wenn die Handys von Siemens nicht verkauft werden können, oder die Handys von Nokia zu teuer sind und deshalb auch nicht verkauft werden können wird die Sparte entweder geschlossen, mit den entsprechenden Entlassungen der Belegschaft oder die Produktion wird in Billiglohnländer ausgelagert. Wenn die Bank aus Geld, auch durch Spekulation, nicht mehr Geld macht, dann wird zuerst der Angestellte entlassen oder die Bank wird von einer größeren Bank geschluckt. Das sind die Gesetze des Marktes, dem alle Akteure unterworfen sind.

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        • 6. März 2012 09:07

          Aha – du sagst also, dass der Markt jegliches Handeln rechtfertigt und die Akteure deswegen von der Kritik grundsätzlich ausgeschlossen sind.

          Es gilt also ein Alternativ-Verbot.

          Wie lautet noch einmal Deine unverkürzte Kapitalismuskritik?

          Das Märkte aus Menschen bestehen (Zitat Magazin Brandeins) ist aber doch schon bis zu dir vorgedrungen, oder?

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        • 6. März 2012 11:25

          Ich rechtfertige überhaupt nichts. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass es das Ziel der sich im kapitalistischen Markt befindlichen Konkurrenten ist, möglichst viel Profit zu machen, der Schuster genauso wie die Bank, EON genauso wie Siemens. Unternehmen welche die Gesetze des Marktes missachten werden im Markt wegen der Konkurrenz scheitern, Konkurs anmelden und Leute entlassen.

          Das Geschäft des Schusters versucht wie die Deutsche Bank mit dem eingesetzten Kapital mehr Kapital zu machen. Am Markt setzten sich nur die „Starken“ durch. Durch die Gesetze des Marktes verschwinden die kleinen Unternehmen, vielfach überleben nur die großen, siehe Unternehmenskonzentration, Monopole, Oligopole.

          Meine „unverkürzte Kapitalismuskritik“ lautet: Verbesserte Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Unternehmen, ein bedeutend höherer Spitzensteuersatz, höhere Löhne, ein Mindestlohn und eine signifikante Arbeitszeitverkürzung, Verstaatlichung bestimmter Schlüsselindustrien (Z. B. Energiekonzerne, Dezentrale Energieversorgung), usw, usw.

          Stimmt Märkte bestehen aus Menschen. Viele dieser Menschen leiden unter dem kapitalistischen System. Für die unter dem Kapitalismus leidenden Menschen würde sich nichts verbessern wenn der Zins abgeschafft oder Hedgefonds verboten werden würden, im Gegenteil. Sich Sündenböcke auszusuchen ist keine Lösung, im Gegenteil. Dieses Ablenkungsmanöver ist gefährlich, da es sich gegen Menschen wendet, die vermutlich nicht schlechter oder besser sind als der Rest. Das „Lustige“ dabei ist, dass dies alles schon mal dagewesen ist. Bei Proudhon, bei Gesell, bei Feder und zuvor in den „heiligen Schriften“ des Koran und der Bibel, mit verheerenden Folgen.

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        • 6. März 2012 11:48

          Deinen Lösungsvorschlägen möchte ich garnicht widersprechen – ich sehe das ähnlich, da gibt es keine Differenzen zwischen uns. Auch darin, dass alle Menschen in den Markt eingebunden sind und er die Regeln diktiert, stimme ich Dir durchaus zu. Mir geht es aber nicht um Sündenböcke. Man kann Kritik an einem System nur am Menschen und seinen Mustern festmachen, da ein System wie dieses nicht einfach so entsteht. Es ist das Ergebnis einer „Abmachung“ zwischen Menschen und entspricht demnach auch einem Menschenbild. An dieser Stelle der Erkenntnis bin ich aber gezwungen, Handeln zu kritisieren und die Handelnden sind nun einmal Menschen. Es kommt natürlich darauf an, WIE es geschieht. „Esoterische Scheiße“ kann hier natürlich nicht Argument sein, aber sehr wohl die Kritik an Handlung und Handelnden mit dem Ziel, einen Wertewandel zu ermöglichen, ohne den es nun einmal nicht geht. Natürlich ergibt eine Zinsabschaffung keinen Sinn, allerdings sehr wohl eine Beschränkung der Möglichkeiten, um Extreme zu vermeiden, die NUR der Gewinnmaximierung dienen. Du kannst nicht auf der einen Seite die niedrigen Löhne, zu niedrige Steuern etc. kritisieren, die eine Gewinnmaximierung ja erst ermöglichen, auf der anderen Seite aber argumentieren, dass es nichts brächte, das abzuschaffen oder zu „smoothen“, was genau diese Zustände zum Überleben benötigt. Das passt so einfach noch nicht zusammen. Um sich dem Thema aber wirklich nähern zu können, wäre ohnein eine Abstraktionsebene notwendig, da die Lösung in der Systematik liegt und nicht im Einzelindividuum. Doch wie herum ich Deine Argument auch drehe – es läuft derzeit eben immer wieder darauf hinaus, dass ihnen ein gewisses Maß an Schlüssigkeit fehlt, da sich die einzelnen Punkte ein Stück weit widersprechen.

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        • 6. März 2012 14:21

          Natürlich darf auch ein einzelner Mensch (Politiker, Aufsichtsratsvorsitzender, Bankmanager) kritisiert werden, dann aber an einem konkreten Beispiel. Ich halte das Stammtischgefasel und die Verschwörungstheorien, die auch von Kabarettisten wie Schramm in die Fernsehzimmer und Massenveranstaltungen transportiert werden, für gefährlich und schlicht weg falsch.

          Ich kritisiere die Gewinnmaximierung des ganzen Systems, also aller Beteiligten. Occupy beispielsweise kritisiert vor allem die Gewinnmaximierung der Banken und das halte ich für problematisch. Mein „Lösungsvorschlag“ (Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Erhöhung der Löhne, Arbeitszeitverkürzung) betrifft alle Beteiligten (positiv wie negativ) des Systems.

          Ich finde, dass ich damit schlüssiger argumentiere als beispielsweise die Occupy-Bewegung. Das eine Prozent ist nicht schuld am Leid der 99 Prozent. Der Kapitalismus funktioniert wesentlich komplizierter.

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    • 5. März 2012 20:24

      „Überhaupt kann man den Kapitalismus nur bewundern, je länger man sich mit ihm befaßt.“ – „Das Zeitfenster für die proletarische Revolution hatte sich wieder geschlossen.“ – „Marxologen lesen heute Marx, als handelte es sich um Nostradamus.“ 3 mal Pohrt, Hex Hex, Genossengewächs. – Eine sinnige Lektüre, dieses neueste Buch eines alten kritischen Theoretikers.

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      • mentalpunker permalink
        5. März 2012 21:50

        Ich glaube, der Wolfgang Pohrt hat was von Günter Schramm und Volker Pispers: nämlich echten Koller auf die Verhältnisse, und zwar auf alle!

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  5. 29. Februar 2012 11:04

    Das Zitat von Herbert Marcuse macht die Problematik und die Komplexität in unserem ökonomischen System überdeutlich.

    Keynes ist tatsächlich Blödsinn. Ein anschauliches Beispiel dafür war wirklich diese absonderliche Abwrackprämie. Durch den Kauf eines neuen Autos wurden viele Verbraucher in neue Schulden getrieben und fahrtüchtige Autos wurden verschrottet. So wird Wohlstand vernichtet und nicht geschaffen.

    Durch die Verstaatlichung von verschuldete Banken wird viel Geld für Verpflichtungen ausgegeben, wenn der Staat dagegen die Stromkonzerne wieder verstaatlichen würde, dann hätte der Staat an Macht zurückgewonnen und mit den zukünftige Einnahmen könnte er sinnvoll Politik machen.

    Sehr aufschlussreich fand ich die Inhaltsangabe mit der Schlüsselszene dieses Jud Süß-Filmes und den Zusammenhang mit aktuellen Protestveranstaltungen.

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  6. 29. Februar 2012 15:22

    Die ideologische Verkürzung der Kapitalismuskritik auf dat Finanzkapital hat eine lange Tradition sagt auch der Robert Kurz. Sie reicht von den Utopisten des frühen 19. Jahrhundats üba die Konsavativen, die Rechtsradikalen und leida bis zu den Linken.

    Ich valinke mal auf ein Intaview von Robert Kurz zu dem Thema: Verkürzte Kapitalismuskritik und struktureller Antisemitismus.

    http://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=21&posnr=267&backtext1=text1.php

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    • 29. Februar 2012 17:07

      Sehr schön, Erwin!

      Ursache und Wirkung wird auf den Kopf gestellt. Es wird lustiger weise so getan als ob die Finanzblasen und deren Akteure die Ursache der Krise wären, die Spekulanten würden produktive Investitionen und damit die wunderbaren Arbeitsplätze kaputtmachen, sagt Robert Kurz sehr richtig in dem Interview.

      Ich habe von Hamasverstehern und anderen Komikern gehört, die sich auf Robert Kurz berufen, ihn sogar zitieren offenbar ohne jemals ein Buch von ihm gelesen zu haben. Das ist ungefähr so als wenn der Papst täglich Jean Paul Sartre zitieren würde.

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      • 29. Februar 2012 17:49

        Großes, tschuldigung, kurzes: Mitlachen in Münster!

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      • 1. März 2012 10:56

        Fidelche, ich hab mir das Telefoninterview von Radio F.R.E.E.I mit Robert Kurz angehört. Unglaublich, Robert Kurz sagt dasselbe wie du in diesem Artikel. Er spricht von der Gefährlichkeit der verkürzten Kapitalismuskritik, bringt genau wie du die verkürzte Kapitalismuskritik der Nazis ins Spiel, spricht Münteferings Heuschreckendebatte an, er sagt es ist die Krise der produktiven Kapitals selber, die innere Schranke der realen Verwertung, die diese Finanzblasen erst hervor treibt, er kritisiert den Keynesianismus wie du, er kritisiert die Softvariante des Nationalismus wie du, usw. Man könnte meinen ihr kennt euch.

        Ich werde mir gleich alles nochmal anhören und empfehle das Interview allen Interessierten. Vorsichtshaber noch mal der Link auf die MP3-Datei: http://freie-radios.net/mp3/20060619-diekurzkol-12991.mp3

        PS: Wegen der Hamasversteher die dauernd den Robert Kurz zitieren, hättest du schreiben müssen: Das ist ungefähr so als wenn der Papst täglich Jean Paul Sartre zitieren würde und mit diesen Zitaten die Trinität beweisen wollte.

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      • 1. März 2012 12:10

        Richtig Breiti, Robert Kurz spricht die entscheidenden Dinge an. Nur seiner extremen Wertkritik und vor allem seiner These vom Zusammenbruch des Kapitalismus kann ich nicht unbegrenzt folgen. So schnell wird der Kapitalismus nicht untergehen, er verändert sich, mal schneller und mal weniger schnell. Die aktuelle Form des Kapitalismus ist am untergehen, eine andere wird kommen. Der Neoliberalismus ist gescheitert. Das haben so gut wie alle erkannt, mit Ausnahme der sich hierzulande entmaterialisierenden FDP. Die Wertkritiker haben sich bekanntlich gespalten, auf der einen Seite Robert Kurz mit „Exit“ und auf der anderen Seite Lothar Galow-Bergemann mit „Krisis“.

        Übrigens, besonders gut gefällt mir folgende Aussage von Robert Kurz: „Das ist überhaupt das Geheimnis der neo-etatistischen Wende im Absturz der globalen Ökonomie: Die verelendeten Massen sollen autoritär befriedet werden; und dafür ist jetzt sogar der Islamismus recht, zumal wenn er sich formal demokratisch legitimieren kann. Auch eine Linke, die kein sozialistisches Ziel mehr hat und sich des postmodernen „Verlusts aller Gewissheiten“ brüstet, droht in der autoritären Krisenverwaltung aufzugehen und als ideologische Flankierung den islamistischen Krieg gegen die Juden hinzunehmen. Der Stellvertreter-Konflikt hat eine soziale Dimension auf globaler Ebene erreicht. Gegen den ideologischen Mainstream muss festgestellt werden, dass die Vernichtung von Hamas und Hisbollah eine elementare Bedingung nicht nur für einen prekären kapitalistischen Frieden in Palästina ist, sondern auch für eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse. Wenn die Chancen dafür schlecht stehen, stehen sie gut für den Zerfall der Weltgesellschaft in die Barbarisierung.“

        Was wohl der Papst dazu sagen würde?

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      • 12. März 2012 15:12

        Supa Interview !! Danke, danke!!

        [audio src="http://freie-radios.net/mp3/20060619-diekurzkol-12991.mp3" /]

        Viele Grüße
        Euer Erwin

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  7. 29. Februar 2012 20:14

    Große Übereinstimmung! Nicht jede Kritik am System der kapitalistischen Vergesellschaftung ist fortschrittlich. Es gibt auch regressive Kritik. Lediglich das Wort „Konstruktionsfehler“ finde ich leicht deplaziert, da aus meiner Sicht im Kapitalismus nichts konstruiert, sondern lediglich den „finanziellen Mächten“ freie Bahn gemacht wurde.

    Die Metapher der „kommunizierenden Röhren“ für die Griechenland–Deutschland-Wechselbeziehung hingegen ist sehr gut gewählt. Der Exportweltmeister hat sich durch jahrzehntelange Lohnzurückhaltung relativ „konkurrenzlos“ gemacht und speziell wirtschaftlich schwächere Ländern wie Griechenland dadurch an die Wand gedrückt. Ohne Importländer wie Griechenland gäbe es keine Exportweltmeister! Die beste Griechenlandhilfe wäre es derzeit diese Lohnzurückhaltung aufzugeben und dadurch einen Strukturwechsel hin zu mehr Binnenkonjunktur und weniger Exportabhängigkeit in Deutschland zu bewirken. Das Griechenland der sinkenden Löhne würde dadurch relativ zu Deutschland konkurrenzfähiger im Außenhandel, denke ich. Ob der Euro damit noch zu retten ist, weiß ich nicht, zumindest meine ich, es wäre die richtige Tendenz.

    Das zyklische Bewegungsgesetz des Kapitalismus, wie Marx es analysierte, hat eine intrinsische Logik, bei der die Kapitaleigner gezwungen sind, einen möglichst großen Profit auf steigender Stufenleiter zu machen, um vor ihren Konkurrenten bestehen zu können.

    Das Personalisieren von Schuld in einem System, das zum Überleben genau das „schuldige Verhalten“ er- und einfordert, ist falsch. Die Benennung von Sündenböcken z.B. in Form von Ungeziefer hat, zu Ende gedacht, immer die Vernichtung und Eliminierung des sich völlig systemkonform verhaltenden, vermeintlichen Ungeziefers zur Konsequenz. Darin besteht eine große Gefahr, die wir mit etwas geschichtlicher Erfahrung zu sehen in der Lage sein sollten.

    lg LL

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    • 1. März 2012 11:41

      Louis, das Wort „Konstruktionsfehler“ habe ich nun in Anführungszeichen gesetzt. Danke für den Hinweis.

      Griechenland ist das aktuelle Schulbeispiel für die Widersprüche und die Heuchelei im Kapitalismus. Hermanitou hat im „Roten Salon“ auf einige Widersprüche hingewiesen.

      Griechenland: Lug, Trug und das Big Business

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  8. 29. Februar 2012 22:42

    „Einerseits produziert das kapitalistische Wirtschaftssystem mit den Gesetzen des Marktes faszinierende Smartphones, hochtechnisierte Autos, Wohlstand und Reichtum, jedoch andererseits Massenvernichtungswaffen, Hunger, Elend, Krieg und Schuldenkrisen. […] Während weltweit täglich 25.000 Kinder verhungern landen in Deutschland jährlich 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll und werden in den Industrieländern Mais und Raps zu Biodiesel verarbeitet. […] Die systemimmanenten Konstruktionsfehler* des Kapitalismus sind die Ursache.“
    Ob der „Konflikt der Klasseninteressen“ (Herbert Marcuse) aber jemals wieder tätig offenbar wird, daran habe ich meine Zweifel. Denn so geprügelt, wie die Sozialdemokratie das Proletariat zum Nationalen statt Internationalen geprügelt hat, so geprügelt seit hundert Jahren wird es nie mehr ‚aufstehn‘ vom höchsteigen gekauften Sofa. Schon gar nicht für Unterdrückte; unterdrückte Menschen anderswo.
    Das Mehrheitsproletariat Deutschlands entscheidet sich heute für den Fortgang des Untergangs. Wahrlich letztendlich wegen des Systemzwangs und der vollumfänglichen Leistung ‚ehrlicher deutscher Arbeit‘. (Ein Schelm, wer hier eine Assoziation hat.)
    Obwohl das folgende Zitat von Max Horkheimer schon ziemlich alt ist, Geschichte sozusagen, denke ich doch, daß alle Menschlichkeit aktuell und für eine empört zustande zu bringende Zukunft aller Menschen miteinander genau darin liegt: jenseits tatsächlicher gewesenener Menschengeschichte als ihr Auftrag: „Je unmöglicher der Kommunismus ist, desto verzweifelter gilt es für ihn einzutreten.“
    *[Zum Begriff Konstruktionsfehler siehe oben den Kommentar von Louis Levy]

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    • 29. Februar 2012 22:49

      Ceterum censeo, Thinkthankboy, daß ich wieder mit ‚Kühns Lindenblatt‘ ins Blogroll eintreten sollte. Die ‚mission impossible‘ ist ja nicht nur richtig, sondern auch eine Zierde der politischen Bloggerei..

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  9. mentalpunker permalink
    1. März 2012 19:37

    Das scheue Reh sollte mal ordentlich aufgemischt werden!
    Aber die Eltern und Großeltern haben´s vermasselt.
    Wir können nichts mehr tun.
    Leider, aber schade.
    Deshalb: SPD.
    Den geistig Armen
    eine Politkrücke.

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    • mentalpunker permalink
      1. März 2012 19:47

      Also ich meine damit, daß der nationale Internationalismus uns in den Ruin geführt hat, in den moralischen, in den geistigen; in den ersten Weltkrieg, ein Untergang, in die Vernichtung der Juden, die Katastrophe, in das Weitermachen einer kapital funktionierenden Bundesrepublik, die bis heute ein Folgestaat der Konsensdiktatur des NS ist. Gerade die Gutbürger zeugen mir dafür. –
      Mag komisch klingen, aber gegen windeldumme Demokaten schätze ich Leute, die wirklich kämpfen wollen. Schätze also die andere Seite. Mehr als die prinzipiell eigene.

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    • 2. März 2012 10:35

      Margaret Thatcher hat während ihrer Umverteilung von Unten nach Oben die britischen Gewerkschaften zerschlagen, das Gesundheitssystem und die Wasserversorgung privatisiert und damit den Zwängen des Marktes ausgesetzt. Thatcher war mit Reagan die Pionierin des Neoliberalismus. Großbritanniens wirtschaftlicher Niedergang wurde zwar gestoppt, jedoch mit ungeheuren sozialen Verwerfungen „erkauft“. Die Selbstregulierung des freien Marktes war die Ideologie dieser Zeit, die von den meisten europäischen Regierungschefs übernommen wurde.

      Die deutsche „Wiedervereinigung“ wollte an „vorderster Front“ die „Eiserne Lady“ verhindern, indem sie die Deutschen darauf aufmerksam machte dass, sie den Krieg verloren haben. Maggie Thatcher bestand im Zwei-plus-Vier-Vertrag darauf, dass Deutschland die Nachkriegsgrenzen anerkennt. Immerhin hat sie also die Oder-Neiße-Grenze durchgesetzt.

      In Konkret war im Juli 1998 unter „Herrschaftszeiten“ zu lesen:

      Revanche
      Daß Margaret Thatcher und François Mitterrand den verdienstvollen Versuch gemacht haben, die Wiedervereinigung zu verhindern, war bekannt. Nun hat Helmut Kohl in kleinem Kreis berichtet, daß auch Hollands christdemokratischer Premier Ruud Lubbers die »2 plus 4«-Verhandlungen abgelehnt und eine internationale Friedenskonferenz gefordert habe, deren Realisierung die Vereinigung auf lange Zeit vertagt hätte. Zur Strafe dafür hat Kohl 1994 die Wahl des Verräters zum Präsidenten der EU-Kommission verhindert, woraufhin Lubbers publik machte, daß Kohl anläßlich der Wiedervereinigung die Oder-Neiße-Grenze »aus innenpolitisehen Gründen« habe revidieren wollen. Lubbers: »Wir müssen den USA auf Knien danken, daß sie das verhindert haben.«

      Die linke Hoffnung damals in Deutschland, Hilfe von Margaret Thatcher zu bekommen, war zwar letztendlich vergebens, die Sehnsucht danach aber nicht falsch.

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      • 2. März 2012 18:12

        Nota bene, Breitenberger! –
        Aber was bitte sind denn heute noch Gewerkschaften? Eine Frage aus meiner vier Generationen zurückreichenden Gewerkfamilie (IG Metall, GEW, ÖTV, ver.di), die ihre Gewerkschaftsgeschichte reflektiert hat … Ich für mich bin seit langem immerhin weiterhin solidarischer Sklave einer ‚Dienstleistungsgewerkschaft‘.
        Dienstleistungsgewerkschaft: smell´s like no spirit ever.

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  10. Christian permalink
    2. März 2012 01:15

    Wenn die Haifische Menschen wären

    „Wenn die Haifische Menschen wären“, fragte Herrn K. die kleine Tochter seiner Wirtin, „wären sie dann netter zu den kleinen Fischen?“ „Sicher“, sagte er. „Wenn die Haifische Menschen wären, würden sie im Meer für die kleinen Fische gewaltige Kästen bauen lassen, mit allerhand Nahrung drin, sowohl Pflanzen als auch Tierzeug. Sie würden sorgen, daß die Kästen immer frisches Wasser hätten, und sie würden überhaupt allerhand sanitäre Maßnahmen treffen. Wenn zum Beispiel ein Fischlein sich die Flosse verletzen würde, dann würde ihm sogleich ein Verband gemacht, damit es den Haifischen nicht wegstürbe vor der Zeit. Damit die Fischlein nicht trübsinnig würden, gäbe es ab und zu große Wasserfeste; denn lustige Fischlein schmecken besser als trübsinnige. Es gäbe natürlich auch Schulen in den großen Kästen. In diesen Schulen würden die Fischlein lernen, wie man in den Rachen der Haifische schwimmt. Sie würden zum Beispiel Geographie brauchen, damit sie die großen Haifische, die faul irgendwo liegen, finden könnten. Die Hauptsache wäre natürlich die moralische Ausbildung der Fischlein. Sie würden unterrichtet werden, daß es das Größte und Schönste sei, wenn ein Fischlein sich freudig aufopfert, und daß sie alle an die Haifische glauben müßten, vor allem, wenn sie sagten, sie würden für eine schöne Zukunft sorgen. Man würde den Fischlein beibringen, daß diese Zukunft nur gesichert sei, wenn sie Gehorsam lernten. Vor allen niedrigen, materialistischen, egoistischen und marxistischen Neigungen müßten sich die Fischlein hüten und es sofort den Haifischen melden, wenn eines von ihnen solche Neigungen verriete. Wenn die Haifische Menschen wären, würden sie natürlich auch untereinander Kriege führen, um fremde Fischkästen und fremde Fischlein zu erobern. Die Kriege würden sie von ihren eigenen Fischlein führen lassen. Sie würden die Fischlein lehren, daß zwischen ihnen und den Fischlein der anderen Haifische ein riesiger Unterschied bestehe. Die Fischlein, würden sie verkünden, sind bekanntlich stumm, aber sie schweigen in ganz verschiedenen Sprachen und können einander daher unmöglich verstehen. Jedem Fischlein, das im Krieg ein paar andere Fischlein, feindliche, in einer anderen Sprache schweigende Fischlein, tötete, würden sie einen kleinen Orden aus Seetang anheften und den Titel Held verleihen. Wenn die Haifische Menschen wären, gäbe es bei ihnen natürlich auch eine Kunst. Es gäbe schöne Bilder, auf denen die Zähne der Haifische in prächtigen Farben, ihre Rachen als reine Lustgärten, in denen es sich prächtig tummeln läßt, dargestellt wären. Die Theater auf dem Meeresgrund würden zeigen, wie heldenmütige Fischlein begeistert in die Haifischrachen schwimmen, und die Musik wäre so schön, daß die Fischlein unter ihren Klängen, die Kapelle voran, träumerisch, und in allerangenehmste Gedanken eingelullt, in die Haifischrachen strömten. Auch eine Religion gäbe es da, wenn die Haifische Menschen wären. Sie würde lehren, daß die Fischlein erst im Bauch der Haifische richtig zu leben begännen. Übrigens würde es auch aufhören, wenn die Haifische Menschen wären, daß alle Fischlein, wie es jetzt ist, gleich sind. Einige von ihnen würden Ämter bekommen und über die anderen gesetzt werden. Die ein wenig größeren dürften sogar die kleineren auffressen. Das wäre für die Haifische nur angenehm, da sie dann selber öfter größere Brocken zu fressen bekämen. Und die größeren, Posten habenden Fischlein würden für die Ordnung unter den Fischlein sorgen, Lehrer, Offiziere, Ingenieure im Kastenbau usw. werden. Kurz, es gäbe überhaupt erst eine Kultur im Meer, wenn die Haifische Menschen wären.“

    Bertolt Brecht – Geschichten von Herrn Keuner

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    • 2. März 2012 17:59

      Wunderschönwahr – etwas für den homo sapiens, der was/um sich und Gleiche weiß. Danke sehr, und ich zitiere nochmals aus Lese- und Gedankenlust: „Wenn zum Beispiel ein Fischlein sich die Flosse verletzen würde, dann würde ihm sogleich ein Verband gemacht, damit es den Haifischen nicht wegstürbe vor der Zeit. Damit die Fischlein nicht trübsinnig würden, gäbe es ab und zu große Wasserfeste; denn lustige Fischlein schmecken besser als trübsinnige. Es gäbe natürlich auch Schulen …“

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    • 2. März 2012 20:58

      „Jedem Fischlein, das im Krieg ein paar andere Fischlein, feindliche, in einer anderen Sprache schweigende Fischlein, tötete, würden sie einen kleinen Orden aus Seetang anheften und den Titel Held verleihen. “

      Meinen Lieblingssatz dieser Keunergeschichte würde ich folgendermaßen interpretieren: Der jüdische Kronzeuge Uri Avnery oder der ostdeutsche Antikommunist Joachim Gauck werden beispielsweise mittels solcher „Orden aus Seetang“ in Deutschland in Positionen gebracht, die ihnen eine unüberhörbare Stimme verschaffen, während unbequeme Kritiker totgeschwiegen werden. So funktioniert das Meinungmachersystem. Zur Generierung eines Feindbildes bedarf es noch nicht mal eines Unterschiedes, zum Beispiel eine in einer anderen Sprache schweigende Fischlein.

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      • 2. März 2012 22:11

        Und das nenne ich mit derselben sich so verstehenden kritische Theorie: Die Wendung altbekannter Erkenntnisse ins Jetzt!

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  11. Christian permalink
    2. März 2012 14:48

    Mit dem Lambsdorff-Papier von 1982 kam in Deutschland der Übergang zur sogenannten angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Nach dem Erdölschock Anfang der 70er Jahre und dem Fall der Profitraten kam es zu überflüssigem Kapital und überflüssiger Arbeitskraft. Das überflüssige Kapital flüchtete in den Finanzsektor. Die Staatsausgaben für die Rüstung wurden drastisch erhöht um die Sowjetunion totzurüsten.

    Gerhard Schröder und die rot-grünen Koalition veränderten mit der Agenda 2010, den Hartz 4-Gesetzen, Deregulierungen, Privatisierungen und der Flexibilisierung
    des Arbeitsmarkts die Republik. Im Ergebnis sank der Anteil der Arbeitseinkommen am BIP von über 70 Prozent im Jahre 2000 auf gut 60 Prozent im Jahre 2007 bei sinkenden Reallöhnen.

    Wenn es der Menschheit nicht gelingt eine solidarische Ökonomie mit der Schonung unseres Planeten zu entwickeln, dann hat sie keine Chance zu überleben.

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    • 2. März 2012 22:16

      Innen ist das Reh gar nicht so scheu. Innen sorgt das Staatsreh für den Zwang und für das nur eine Extrem. Agenda Armmachen gegen alle. – Historische und aktuelle Hilfe vor allem durch die Partei SPD.

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    • 4. März 2012 12:42

      Die SPD hatte schon immer irgendwie Orientierungsschwierigkeiten.

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  12. 4. März 2012 12:41

    EON und die anderen Energiekonzerne haben durch ihr Personal Rösler und Röttgen beschließen lassen die Einspeisevergütung von Photovoltaik-Anlagen pro KW auf 19,5 Cent zu kürzen. Wer künftig seinen Photovoltaik-Strom ins Netz einspeist bekommt weniger als er für seinen bezogenen Strom bezahlen muss.

    Eine dezentrale Energieversorgung, mit möglichst vielen Photovoltaik-Anlagen auf privaten Dächern wäre zwar energiepolitisch, umweltpolitisch und volkswirtschaftlich sinnvoll, aber die großen Konzerne verlieren dadurch an Macht und machen weniger Gewinne.
    Im Kapitalismus geht es also nicht um sinnvolle Lösungen sondern vor allem um Profit. Die Energiekonzerne sind ein Beispiel von vielen. Die Autoindustrie mit ihrer Abwrackprämie, die Lebensmittelerzeuger mit ihren Milchseen, und Butterbergen wären weitere Beispiele. Damit der Preis stimmt wird dann eben Mich auf die Felder ausgetragen oder ganze Kaffeernten müssen vernichtet werden.

    Der Stärkere gewinnt, Jeder gegen Jeden, Maximalprofit ist das Ziel, wenn EONs „Personal“ nicht mitziehen würde, dann muss der Konzern Arbeitsplätze abbauen.

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  13. 12. März 2012 17:01

    Der britische Ökonom John Maynard Keynes empfahl damals eine sogenannte Defizitfinanzierung: Der Staat solle sich weiter verschulden und mit öffentlichen Aufträgen die Nachfrage anregen, um der Rezession zu entkommen. Die heutigen Keyne­sianerinnen und Keynesianer stehen allerdings nicht mehr Vertreterinnen und Vertretern einer Deflationspolitik oder Marktradikalen vom Schlage eines Herbert Hoover gegenüber. Vielmehr haben auch öffentliche Konjunkturprogramme, die Verstaatlichung von Banken und die starke Senkung der Leitzinsen die Krise nicht eindämmen können. Zwar sind die Kontraktionen des Welthandels aufgrund dieser Maßnahmen bisher weniger stark als damals – zwischen 1929 und 1932 schrumpfte der Welthandel auf fast ein Drittel seines Volumens vor der Krise, während es zwischen 2008 und 2011 lediglich um elf Prozent zurückging –, doch dafür ist ein Ende der Rezession noch lange nicht in Sicht.

    Forderungen wie etwa die des Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugman nach neuen Konjunkturprogrammen oder die Flassbecks nach mehr Regulierung und der Verstaatlichung von Finanzinstituten sind nicht nur längst umgesetzt worden, sondern bewirkten die Sozialisierung der Verluste, was von den Ökonomen sicherlich nicht intendiert war. Erfolgversprechender wirkt dagegen Varoufakis’ Vorschlag zur Etablierung eines »globalen Mechanismus zum Überschussrecy­cling«, einer internationalen Steuer für Länder, die Überschüsse erwirtschaften. Die Einnahmen könnten dann als Entwicklungszuschuss an die Defizitländer fließen. Die Idee geht auf Keynes’ Vorschlag der Bildung einer »International Clearing Union« zurück, einer Art globaler Bank. Auf der Konferenz von Bretton Woods 1944 lehnten die USA diesen Vorschlag ab, da sie damals noch Überschüsse erwirtschafteten, zurzeit wäre eine Akzeptanz durch Deutschland und China ebenso unwahrscheinlich.

    http://jungle-world.com/artikel/2012/10/45027.html

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    • 13. März 2012 08:00

      Zum Glück wurde das abgelehnt und wird es hoffentlich auch weiterhin. Eine derartige Umverteilungsbank wäre nämlich wie besetzt und würde wie gesteuert? Auf diese Art und Weise würde man den Subventionsjägern doch geradezu Flügel verleihen. Was für eine naive Idee…

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  14. 23. März 2012 09:26

    Als Ergänzung zur Diskussion empfiehlt sich die Lektüre des folgenden Artikels aus der BONJOUR TRISTESSE:

    Sozialdemokratie & Staatsfetisch

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    • 23. März 2012 23:41

      „Der SPD-Altkanzler Helmut Schmidt, auf den sich auch Hans Püschel gern bezieht, bezeichnete die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik der Jahre 1933 bis 1936 in seinem Buch „Unser Jahrhundert“ als „ökonomisches Kunststück“, das „sonst niemandem in der ganzen Welt gelungen“ sei. Die deutsche Wirtschaftspolitik dieser Zeit sei „der erste Fall von gelungenem Keynesianismus“ gewesen.
      Angesichts solcher Äußerungen, der Heuschreckenmetaphorik Franz Münteferings und der antisemitischen Stechmückenkarikaturen der SPD-nahen IG Metall war der Übertritt Hans Püschels zur NPD zwar einerseits konsequent, andererseits aber auch unnötig: Er hätte mit seinem Weltbild genauso gut bei der SPD bleiben können.“

      Wilfried, da stimme ich zu.

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  15. 8. Mai 2012 11:11

    Paul Mattick jr., der Sohn von Paul Mattick hat ein neues Buch geschrieben: BUSINESS AS USUAL- Krise und Scheitern des Kapitalismus

    Paul Mattick jr. sieht in der aktuellen Krise „nicht bloß das Ergebnis von Gier, unternehmerischer Verantwortungslosigkeit und der Deregulierung der Finanzmärkte“. Laut Mattick ist die jüngste Krise aus den inneren Widersprüchen des Kapitalismus hervorgegangen. Die Flucht des Kapitals aus der Überakkumulation ins fiktive Kapital sei kein neues Phänomen. Wirtschaftspolitik folgt den Anforderungen der Kapitalakkumulation.

    Am Ende seines Buches schreibt Paul Mattick:

    „Im Hinblick auf solche möglichen Entwicklungen hat das Verschwinden der Linken einen positiven Aspekt: In der Vergangenheit waren linke Organisationen, die sich und ihren Einfluss als zentral für den Erfolg jedes revolutionären Kampfes betrachteten, gewöhnlich ein Hindernis, wenn Massen von Menschen in Bewegung geraten waren und neue Ideen und Handlungsmöglichkeiten ausloten wollten. Doch so oder so haben die maßgeblichen Formen organisierter linker Praxis – die Parteien, Gewerkschaften und radikalen Sekten, die in der Entwicklung des modernen Kapitalismus eine mitunter wichtige Rolle gespielt haben – ihre Rolle heute eingebüßt. Wenn Menschen auf den anhaltenden Zusammenbruch des Kapitalismus mit der Gestaltung eines neuen gesellschaftlichen Systems reagieren wollen, werden sie folglich neue Formen organisierter Praxis erfinden müssen. Bezeichnungen aus dem 19. Jahrhundert wie Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus sind mit der nunmehr verblichenen Linken verbunden, deren an regende Perspektiven historisch mit theoretischen Mängeln und monströsen Institutionen einhergingen, und vielleicht nicht mehr sinnvoll als Name für ein solches System – für die von globalisierungskritischen Demonstranten geforderte andere Welt, die für das Wohl der Menschen so nötig wie sie möglich ist. Wie immer man es nennt, es wird damit beginnen müssen, die Trennung zwischen denen, die die Kontrolle über die Produktion ausüben, und denen, die sie durchführen, abzuschaffen und einen sozialen Mechanismus, der auf dem monetären Marktaustausch (auch des Arbeitsvermögens) beruht, durch irgendeine Art von gesellschaftlicher Entscheidungsfindung zu ersetzen, die einer globalen Wirtschaft angemessen ist. Auch wenn die mit dem Kapitalismus zwangsläufig verbundenen ökonomischen Probleme da durch verschwinden würden, blieben die von ihm verursachten Umweltprobleme natürlich bestehen und würden die ungeschmälerte Anwendung jener kreativen Energien erfordern, die eine radikale gesellschaftliche Transformation freisetzen würde. Klar ist allerdings, dass die Voraussetzung für eine erstrebenswerte Zukunft der Menschheit darin besteht, das zunehmend dysfunktionale, dem Zwang des privaten Profitmachens und der Kapitalakkumulation unterworfene System zu überwinden, dessen jüngste Krise wir heute durchleben.“

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  16. 31. August 2012 09:38

    In der neuen Konkret, der Wunschpunsch von Claus Peter Ortlieb:

    ….In Kontrast dazu sei auf die von Robert Kurz bereits 1986 ausformulierte Krisentheorie verwiesen, deren Quintessenz er zuletzt in KONKRET 2/12 dargelegt hat. Wie bereits von Marx festgestellt, ist das Kapital prozessierender Selbstwiderspruch dadurch, daß es einerseits auf der Arbeit als einziger Quelle seines abstrakten Reichtums beruht, andererseits die menschliche Arbeitskraft mit wachsender Produktivität immer mehr aus dem Produktionsprozeß herausnimmt. Marx hielt diesen Widerspruch für geeignet, die »bornierte Grundlage« des Kapitals »in die Luft zu sprengen«. Es gibt einige Indizien dafür, daß der Kapitalismus mit der Anwendung der Mikroelektronik, deren Automatisierungspotentiale ja noch immer nicht ausgeschöpft sind, seit den siebziger Jahren in diese von Marx theoretisch vorweggenommene Endphase eingetreten ist.
    Die Kette von Finanzkrisen der letzten 30 Jahre, die mit dem Crash von 2008 erstmals globale Ausmaße annahm, hatte ihren Ausgangspunkt in der sogenannten »Stagflation« der siebziger Jahre, also dem gleichzeitigen Auftreten einer globalen wirtschaftlichen Stagnation und hohen, teilweise zweistelligen Inflationsraten. Die zu dieser Zeit noch weltweit unstrittige keynesianische Wirtschaftspolitik konnte zwar die Krisenphänomene dämpfen, war aber nicht mehr in der Lage, einen neuen, selbsttragenden Akkumulationsschub zu generieren. Sie war damit in der allgemeinen Wahrnehmung und auch ihren eigenen Ansprüchen nach gescheitert und wurde durch den Neoliberalismus abgelöst.

    Dessen Antwort auf die fehlende Möglichkeit zu ausreichender realer Mehrwertproduktion bestand darin, die Profite auf andere Weise sicherzustellen: Erstens ermöglichte es die ansteigende Arbeitslosigkeit, die Löhne zu drücken; zweitens wurden im Zuge der sogenannten »Angebotsorientierung« die Steuern für Unternehmen und Kapitalerträge gesenkt; und drittens wichen viele Unternehmen mangels realer Investitionsmöglichkeiten ins Kreditsystem aus, beteiligten sich mit ihrem Geldkapital also an der Generierung von Finanzblasen und konnten auf diese Weise ihre Bilanzen schönrechnen. Die Firma Siemens etwa wurde schon in den neunziger Jahren spöttisch als Bank mit angeschlossener Elektroabteilung bezeichnet.
    (…)

    Auch die Forderung, hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverteilung zum »guten Kapitalismus« der siebziger Jahre zurückzukehren, ist irreal. Die neoliberale Revolution war kein bloßer Irrtum, sondern eine innerkapitalistische Antwort auf das Scheitern des Keynesianismus. Die Krise wurde durch sie nicht überwunden, sondern nur aufgeschoben und dabei verschärft. Das ändert aber nichts daran, daß die Rückkehr an den Ausgangspunkt nicht möglich ist, zumal sich die Bedingungen für die reale Mehrwertproduktion durch den seither erreichten Produktivitätszuwachs weiter verschlechtert haben. ……

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