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Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn

15. Oktober 2012

Kapitalismuskritik von rechts: Der Fall Silvio Gesell

Endlich ist sie da, die kritische Gesamtdarstellung der Gesellianer, der Freiwirtschaftsbewegung, ihrer Theorie und Entwicklung, ihrer Vorläufer und ihres aktuellen Einflusses in Deutschland. Dieses Buch kommt im richtigen Moment, denn auch unter Linken, Globalisierungskritikern und Kapitalismusgegnern machen sich seit Jahren, in letzter Zeit verstärkt durch die irritierenden Umstände der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, die falschen Vorstellungen des Freiwirtschaftstheoretikers Silvio Gesell (1862–1930) wieder breit.

Silvio Gesells über weite Strecken rassistische Lehre, seine um die Produktionssphäre verkürzte Kapitalismuskritik, seine Visionen von einem neuen Manchesterkapitalismus, sein Sozialdarwinismus und seine Frauenfeindlichkeit bietet noch heute vielen Verschwörungstheoretikern, rechten und antisemitischen Gegnern eines anonymen »Finanzkapitalismus«, aber eben auch wohlmeinenden und naiven Kritikern von »Geld und Zins« eine ideologische Heimstatt. Freiwirte sind bei Grünen und Attac präsent. Über Gesells Lehren wurde 2004 und 2008 in der NPD-Zeitung »Deutsche Stimme« debattiert. Der Schlagersänger Christian Anders ist ein Anhänger Gesells, der völkische Ex-Linke Jürgen Elsässer schwärmt von Regionalgeld. Die faschistische Deutsche Volksunion beantragte im brandenburgischen Landtag 2007, die Regionalgeld-Gruppen im Land zu unterstützen. Die ehemalige Bundesgeschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, findet Experimente mit Regionalgeld wichtig, der Landesverband Sachsen-Anhalt der Piraten hat in einem Positionspapier freiwirtschaftliche Forderungen nach Komplementärwährungen übernommen. In Jakob Augsteins „Freitag“ wurden die sozialdarwinistischen Theorien von Silvio Gesell verbreitet, beworben und gegen Widerspruch von der Online-Moderation geschützt. Peter Bierl gelang mit diesem Buch ein wissenschaftlich fundiertes Werk das seinesgleichen sucht, ein Buch das oben genannten Personen und Gruppierungen sehr zu empfehlen wäre und auszugsweise hier vorgestellt wird:

Nicht nur die CDU-Kanzlerin Angela Merkel schimpft auf Spekulanten, während ihre Regierung einschlägige Unternehmen mit dreistelligen Milliardenbeträgen stützt, „Geld regiert die Welt, aber eine andere Welt ist möglich, ohne Banken und Börsen, Zocker und Raffzähne“, meinen auch viele Globalisierungskritiker. Der Mainstream der Globalisierungskritik trennt, was nicht zu trennen ist: Staat und Kapital, Finanzkapital und Industriekapital, Wirtschaft und Gesellschaft. Es gibt keine »Marktwirtschaft« ohne Kapitalismus, ohne Banken und Börsen. Jeder Unternehmer spekuliert auf Gewinn, bevor er investiert. Geld und Devisen sind nicht erst im Zeitalter der New Economy eine Ware geworden, mit der gehandelt wird, sondern waren dies schon zu Zeiten des Eisenbahn-Booms im 19. Jahrhundert.

Oskar Lafontaine  entdeckte 2006 Schnittmengen mit dem Islam wegen dessen Zinsverbot und der Gesellianer und Volkswirtschaftsprofessor Bernd Senf debattierte 2002 im Rahmen der Berliner Islamwoche als Vertreter von Attac Deutschland über die kritische Haltung zum Zins in Christentum und Islam sowie bei Silvio Gesell.

Gesells aus dem Blickwinkel eines Kaufmanns irrige Annahme, Geld sei wertbeständig, es roste und verfaule nicht wie alle anderen Waren ist die Grundlage seiner Freigeldtheorie. Zweites Element in Silvio Gesells Theorie ist eine Bodenreform; mit ihr wollte Gesell das private Eigentum an Grund und Boden abschaffen und diese als Freiland an die Meistbietenden verpachten. Die Grundrente sollte als Pacht an Mütter verteilt werden, gestaffelt nach der Zahl der Kinder. Der Begriff »Freiland« stammt von Theodor Hertzka (1845-1924). Gesell verband die Bodenreform mit rassenhygienischen Vorstellungen, die zusammen mit der Frage des Antisemitismus im vierten Kapitel des Buches behandelt werden. Wie Proudhon lehnte Gesell Frauenemanzipation ab und behauptete, die natürliche Berufung einer Frau sei die Mutterschaft. Seine Mutterrente sollte Frauen sowohl von der Erwerbsarbeit als auch von der Versorgungsehe befreien. Sie sollten sich voll und ganz auf eine »Hochzucht« der Menschheit konzentrieren und nur erbbiologisch wertvolle Männer als Partner akzeptieren. In seinem utopischen Roman (1927) beschrieb Gesell eine Gesellschaft, in der Frauen nur bis zur Empfängnis mit einem Mann zusammenleben, sich dann in eine Frauenkommune zurückziehen, um das Kind zu gebären und zu betreuen, bevor sie sich auf die Suche nach dem nächsten Erzeuger machen. Gesell reduzierte Frauen auf den Status von Gebärmaschinen und wirtschaftlich erfolgreiche Männer auf den von Samenspendern. Mit seiner Attacke auf die Monogamie zählte er im Kaiserreich und der Weimarer Republik zu den radikalsten Rassenhygienikern.

Die rassenhygienischen Vorstellungen Gesells werden derzeit nur von wenigen offensiv vertreten (Einige dieser Ausnahmen sind in Jakob Augsteins Freitagscommunity zu bewundern). Ebenso deutlich werden in Gesells Schriften rassistische Vorurteile gegenüber Sinti und Roma, Schwarzen oder amerikanischen Ureinwohnern, trotz der gelegentlichen pathetischen Erklärung, Freiland solle allen Menschen zugänglich sein. Wie Proudhons Lehre nahm der Ansatz Gesells die nationalsozialistische Vorstellung vom »schaffenden« und »raffenden« Kapital vorweg und bereitete ihr den Boden.

Im Schlußkapitel geht es um die aktuelle Bedeutung dieser Lehre und ihre Einflußnahme auf soziale Bewegungen. Die Komplementärwährungen, die Kennedy und der belgische Finanzexperte Bernard Lietaer propagieren, sind für autoritäres Krisenmanagement und Elendsselbstverwaltung geeignet. Die Einnahmen aus manchen dieser Komplementärwährungen könnten nur für bestimmte Zwecke ausgegeben werden, die Empfänger unterliegen damit einem ähnlichen Regime wie Asylbewerber, die befristete Lebensmittelgutscheine bekommen. Diese Fortentwicklung der Freiwirtschaft in Verbindung mit unaufgearbeiteten faschistoiden Elementen macht die Gefährlichkeit dieser Strömung bis heute aus. Desweiteren werden die Tauschringe, das Regionalgeld, die Geschichte der verkürzten Kapitalismuskritik und die Geschichte der Freiwirtschaft skizziert. An dieser Stelle soll das Kapitel „Der Teufel soll die Kranken holen – Sozialdarwinismus, die Eugenik und die Frauenfeindlichkeit in Silvio Gesells Lehre“  behandelt  werden:

„Mit Freigeld, Freihandel und Freiland wollte Gesell den uneingeschränkten ökonomischen »Kampf ums Dasein« gewährleisten, den Zins und Bodenrente verfälschten, weil sie »Geldbesitzern« und Grundeigentümern leistungslose Einkommen verschafften. Dank Schwundgeld und Freiland hätten alle Männer gleiche Startchancen. Nur Arbeit bringe Reichtum und Erfolg, die damit sichtbarer Ausweis höherwertiger Erbanlagen seien. (..)

Gesell definierte seine »natürliche Wirtschaftsordnung« als Manchesterkapitalismus ohne Vorrechte und soziale Absicherung, in dem ökonomisch erfolgreiche Männer als Samenspender und Frauen als Gebärmaschinen fungieren. »Minderwertige«, deren schlechtere Erbmasse sich im ökonomischen Scheitern zeige, würden von Frauen verschmäht und ihre Zahl in den kommenden Generationen abnehmen. Die Degeneration wäre gestoppt und in eine »Hochzucht der Menschheit« umgekehrt. Die Vorstellung, Armut sei Resultat und Ausdruck biologischer und rassischer Minderwertigkeit, ist bis heute verbreitet. Thilo Sarrazin recycelt Kernthesen der Rassenhygiene, wenn er behauptet, eine »unterdurchschnittliche Fruchtbarkeit der intelligentesten Frauen« in Deutschland führe zu einem »Absinken der durchschnittlichen Intelligenz«, weil er Intelligenz für eine Sache der Gene hält. Angehörige der Unterschicht sowie türkische und arabische Migranten hält er für im Durchschnitt weniger intelligent, sie würden aber mit einer höheren Geburtenrate das kulturelle Niveau senken.  Er bezieht sich dabei auf Klassiker der Eugenik wie Francis Galton und Julian Huxley sowie Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Hans Eysenck, Richard Herrnstein, Charles Murray und Professor Richard Lynn, der behauptete, die Helligkeit der Hautfarbe von Afroamerikanern korreliere positiv mit ihrem Intelligenzquotienten wegen eines höheren Anteils von »kaukasischem Erbmaterial«. Im Interview sagte der SPD-Politiker Sarrazin: »Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung.« Solche Lehren entspringen Ängsten und Stereotypen und bieten ihren Anhängern zwei Vorzüge: Materiell lassen sich mit ihnen Sozialabbau und eine Abwehr sozialstaatlicher Verbesserungen rechtfertigen. Psychologisch erlaubt dieses antihumane Denken, sich abzugrenzen, eigene Ängste vor dem sozialen Abstieg oder einem gesellschaftlichen Scheitern zu kompensieren und Aggressionen bis hin zu Vernichtungsphantasien mindestens in Wort und Schrift auszuleben. Für Adorno waren solche sozialpsychologischen Mechanismen ein Charakteristikum kapitalistischer Gesellschaften und damit eine objektive Grundlage faschistischer Tendenzen. (…)

Zur »Frauenfrage« schrieb Gesell, die Frauen bräuchten weder ein Wahlrecht noch einen »besonderen« Beruf außer ihrem »natürlichen Beruf«, der Mutterschaft.‘ Dank Schwundgeld wären Frauen nicht mehr gezwungen, des Geldes wegen zu heiraten, sondern nur noch aus Neigung, mit positiven Folgen für den Nachwuchs. »Dadurch veredelt die Münzreform auch die Rasse, indem sie die Mißgeburten des Geistes und des Körpers an der Fortpflanzung hindert. Die Münzreform läßt jeder Frau freien, selbständigen Willen bei der Wahl ihres Lebensgefährten.« 1903 skizzierte Gesell die Idee einer Grundrente, die an Mütter ausgezahlt werden sollte, gestaffelt nach der Anzahl ihrer Kinder, wobei er ehelichen und unehelichen Nachwuchs gleichstellen wollte. Die natürliche Berufung der Frau sah Gesell in Mutterschaft und Hausarbeit, allenfalls noch in der Landwirtschaft. »Jede normal gebaute Frau« müsse »imstande sein, ihr Brot und das ihrer Kinder in der Landwirtschaft zu verdienen«, schrieb er 1906 und fragte rhetorisch, »ob die Rückkehr der Frau zur Landwirtschaft nicht der „Frauenfrage“ die glücklichste Lösung geben würde?« Richtige Frauen wollten eigentlich nichts anders, als sich von Siegertypen schwängern zu lassen, unterstellte er. Wie andere auch prognostizierte Gesell einen Verfall des Abendlands. Er machte unter den Zeitgenossen »Entartungserscheinungen« aus, »überall auf Schritt und Tritt«, die ihn erschreckten. Denn ginge es so weiter, bliebe »vom stolzen Menschengeschlecht nach weiteren drei oder vier Generationen« nicht mehr übrig als »ein Häufchen Unglück«. Schuld seien die moderne Zivilisation, insbesondere die Großstadt, dazu Alkohol und Nikotin sowie die Fortschritte der Medizin. Die Ärzte würden der Natur ins Handwerk pfuschen. Herrschten dagegen »freie Liebe« und »freie Zuchtwahl«, könnten die Mediziner »den ekelhaften Ärzteberuf an den Nagel hängen«, denn »wie es bei den Tieren des Waldes keine Kranken gibt, so auch dann nicht unter den Menschen«. Auch damit bewegte Gesell sich im Dunstkreis der Rassenhygiene. Die Fortschritte der Medizin, die Technik des Impfens etwa gegen Tuberkulose, lehnten Sozialdarwinisten und Eugeniker ab, weil dadurch die Ausmerze der Minderwertigen beschränkt würde. (..)

Im »Hammer«, der Zeitschrift des wüsten Antisemiten Fritsch, schrieb Gesell, »im Wettkampf mit unseren Feinden (ist) vollständig entwaffnet«, wer religiöse Lehren ernstnehme. »Gottvater hat seinen Geschöpfen Waffen gegeben, damit sie sich verteidigen und wehren können«, etwa dem Wolf seine reißenden Zähne. »Der Vater will in strenger Auslese nur das Gesunde und Starke erhalten sehen, der Sohn aber schützt das Morsche, Kranke, Schwache. Was Wunder, wenn die Herde des Sohnes gegen die unerbittlichen Mächte der Naturkraft unterliegt! Der Vater will Kampf und Auslese und Zuchtwahl, und der Sohn weiß von alledem nichts.« Darum müsse man die Lehre des Sohnes gründlich prüfen, »um den Lebensgesetzen des Vaters wieder näher zu kommen«. (..)

Die Zinswirtschaft bewirkt laut Gesell eine unnatürliche Auslese, führt zu Unzucht, Sodomie, Verbrechen und Krieg, zu einer »Umkehrung der Auslesegesetze«. Dagegen würde in seinem Manchesterkapitalismus ohne Zins und Bodenrente »ein natürlicher, rein persönlicher« Kampf ums Dasein geführt, so daß »die Brut der Tüchtigeren bessere von ihren Eltern vorbereitete Lebensverhältnisse vorfinden (sic!) als die Brut der Dummen, Faulen, Lasterhaften oder Schwachen und Kranken«. Vom Staat forderte Gesell »die unbedingte Anerkennung der Notwendigkeit einer unablässigen scharfen Auslese von allem Minderwertigen unter den Menschen«. Denn das sei das »oberste biologische Gesetz«. Natürliche Auslese dürfe nicht durch Gesetze oder Sitten beeinträchtigt werden, sie müsse für die Menschen »heiliggesprochen« werden. Denn »das Unpassende, Fehlerhafte muß aus der Gesellschaft entfernt, von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden. Beugen wir uns vor diesem brutalen Gesetz.« (..)

In dem erwähnten Roman Der abgebaute Staat beschrieb Gesell die akratische Idealgesellschaft: Ausgangspunkt seiner Utopie ist eine fiktive Sitzung des Reichstags, in der ein Abgeordneter »Mißehen«, »Rassenverfall« und »Degenerationserscheinungen« beklagt. Die Politiker sind so schwer beeindruckt, daß sie Gesells Freiland einführen. Das Parlament beschließt einstimmig, das private Grundeigentum abzuschaffen, und verfügt, die Grundrente als Mutterrente zu verteilen. Selbst Kommunisten und Anarchisten sind dermaßen gerührt, daß sie das Deutschlandlied anstimmen. Im zweiten Teil des Romans läßt Gesell zwei Reisende aus dem »Land der Physiokraten« berichten, wo es keinen Betriebsrat, keine Gewerkschaft und keinen Streik mehr gibt, weil die Arbeiter »vollen Lohn« erhalten. Fürsorge oder Arbeitslosenunterstützung sind abgeschafft, weil Not in diesem System »immer nur Selbstverschuldung« sei. Anstelle von Staat und Recht herrschen Selbst- und Lynchjustiz. Frauen leben mit ihren Kindern in »Wochenendkolonien«, so genannt, weil Männer bloß am Wochenende zu Besuch kommen. Eine Frau Berta erzählt, daß sie immer nur so lange mit einem Mann zusammen sei, bis dieser sie geschwängert habe. Auf diese Weise habe sie sieben Kinder mit sieben Männern gezeugt und durch ihre hohen Ansprüche an die Samenspender »bereits einen großen Fortschritt in der Aufartung meiner Nachkommenschaft erzielt«  (..) Die Szene debattierte heftig und jahrelang, die um ihre Reputation bedachte Mehrheit der Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene lehnte solche Ideen ab. Führende Nationalsozialisten diskutierten während des Zweiten Weltkriegs eine Aufhebung der Monogamie, um die Kriegsverluste auszugleichen, aber selbst der »Lebensborn« Heinrich Himmlers blieb eine Einrichtung, die zwar unverheiratete, schwangere Frauen aufnahm und ab 1941 sogenannte rassisch wertvolle Kinder aus besetzten Gebieten zwangsweise »eindeutschen« sollte, war aber keine Zuchtanstalt. Im Unterschied zu Hentschel und Ehrenfels ging die Initiative in Gesells Utopie von rassenhygienisch fanatisierten Frauen aus, was einige seiner Epigonen später veranlassen sollte, ihn als Anarchofeministen zu verklären. Ausführlich widmete sich Gesell der Frage, ob diese Menschenzucht nicht zu einer Überbevölkerung führen könnte, und skizzierte zwei gegenläufige Tendenzen: Frauen würden immer wählerischer, so daß sich die Zahl der Schwangerschaften verringere. Außerdem reiche der Mutterlohn nicht an den Arbeitsertrag der Männer heran, darum würden »alle diese rechnenden und spekulierenden Frauen« verhüten oder abtreiben, um Zeit für die Erwerbsarbeit zu haben. Richtige Frauen wären das in den Augen Gesells aber nicht, weshalb er sie abwertend als »diese Elemente« bezeichnete, die unfruchtbar bleiben würden. Damit verwickelte sich Gesell in Ungereimtheiten, denn zunächst hatte er ja Verhütung abgelehnt, außerdem würde – verbleibt man in der Vorstellungswelt der Rassenhygiene – das Erbmaterial solcher Frauen, die sich dem Mutterdasein entziehen, in kurzer Zeit verschwinden; dann blieben nur noch Gebärmaschinen übrig.

Frauenfeindlich sind auch diverse Aussagen Gesells über die Höhe der Mutterrente einerseits und seine Diffamierung berufstätiger Frauen andererseits. Indem die Grundrente an Mütter ausgezahlt wird, soll die Frau unabhängig vom Mann und diesem gleichgestellt werden, erklärte Gesell. Das würde die Sitten verfeinern und »eine allgemeine Veredelung des Volkes, der Rasse, herbeiführen«. Es sollte auch keine »Versorgungsehen« mehr geben, was eine ökonomische Unabhängigkeit der Frau suggeriert. Allerdings betonte Gesell, die Mutterrente dürfe nicht an den »vollen Arbeitsertrag« der männlichen Lohnarbeiter heranreichen, von den Einkünften von Unternehmern ganz zu schweigen. Der Mutterlohn müsse unter dem Einkommen der Männer liegen, damit sich Frauen nicht aus »niedrigen Beweggründen« von »irgendeinem Manne schwängern lassen und Minderwertiges gebären«. Die Mutterrente wäre so knapp bemessen, daß Frauen dem Kampf ums Dasein nicht völlig entzogen wären. Andererseits wertete Gesell berufstätige Frauen als minderwertige Elemente ab und verlangte, daß sich »richtige« Frauen mit der »Brutpflege« begnügten, so daß die Mütter allenfalls Bäuerinnen und Sammlerinnen sein könnten, was mit seinem Spruch von der Rückkehr zur Landwirtschaft als glücklichster Lösung der Frauenfrage harmonierte. Gelegentlich fabulierte Gesell über einen imaginären, prähistorischen Naturzustand: »Je mehr Kinder, umso besser ist der Tisch des Naturweibes gedeckt.« Eine Frau mit sieben Kindern würde mehr Beeren, Vogeleier und Fische nach Hause bringen als eine Frau mit drei Kindern, und dieser »Naturzustand« werde in der Physiokratie wiederhergestellt, in Form der Grundrente. Als Alternative bliebe dann doch wieder die zuvor geschmähte Versorgungsehe. So schrieb Gesell im gleichen Text von 1913, die Grundrente werde ausreichen, so daß die Frau keiner gewerblichen Arbeit nachgehen müsse. Geld für »Luxus« müsse sie aber selbst verdienen oder der Mann dafür aufkommen. Darum würden Männer, die besser verdienten, von manchen Frauen vorgezogen, und »ein Weib, das unter solchen Verhältnissen (gemeint ist die Freiwirtschaft, P. B.) einen wohlhabenden Mann heiratet, ist sicher, einen tüchtigen Mann zu heiraten«. In seinem Roman propagierte Gesell die Auflösung der Ehe zugunsten von befristeten Beziehungen, die enden sollten, sobald die Frau schwanger ist. Obendrein sollen die Mütter ihre Kinder selbst unterrichten oder zusammen die Kosten für eine Schule komplett aus eigener Tasche bezahlen. Man fragt sich, wie die Musterfrau Berta all das stemmen sollte. 1928 billigte Gesell jeder Frau für jedes Kind pro Jahr 1000 Reichsmark zu, was in heutiger Kaufkraft etwa 3.000 Euro entspräche. Frau Berta hätte demnach für sich und sieben Kinder etwa 1.825 Euro im Monat zur Verfügung. Das wären einige hundert Euro weniger, als eine alleinerziehende Frau mit sieben Kindern im Jahr 2010 nach den Sätzen von Hartz IV bekommen würde, ohne daß sie davon noch die Schulausbildung selbst bezahlen müßte, inklusive Bau und Unterhalt von Schulgebäuden sowie Gehalt der Lehrer. Die Vorstellungen dieses Radikal-Liberalen dürften damit zu den frauenfeindlichsten und reaktionärsten Utopien des 20. Jahrhunderts zählen.“

1904 propagierte Silvio Gesell, der Mensch – gemeint ist allerdings bloß der Mann – brauche »zur Blutauffrischung schwarze, weiße, rote und gelbe Weiber«. Zwei Jahre später betonte er, aufgrund seines Freiland-Konzepts würde »jedes Kind (…) als Grundbesitzer zur Welt kommen, mit der Erdkugel in der Hand: Die schwarzen Hottentottenkinder, die rötlichen Indianer, die goldenen Japaner, die rosigen Europäer, allen ohne Ausnahme gehört die Erde ungeteilt.« 1924 erklärte Gesell, die Grundrente sollte »allen Müttern ohne Ansehen der Rasse ausgezahlt werden, gleichmäßig für schwarze, für rote, gelbe und weiße Kinder«. Er sprach vom »Recht aller Menschen, restlos aller Menschen, auf die von der Natur gebotenen Schätze«, wobei dieser Anspruch dazu dienen soll, »daß jeder ohne Unterschied der Rasse, der Staatsangehörigkeit und Kultur den allgemeinen Konkurrenzkampf zwar nach seiner Weise, mit den von seinen Eltern geerbten physischen und geistigen Eigenschaften, aber doch mit deren gleicher Unterstützung durch die Natur führen muß (..)

Gesells Antiziganismus basierte auf dem Stereotyp vom faulen Zigeuner. Freiland werde sich dank seiner ökonomischen Vorzüge weltweit ausbreiten. Staaten, die sich verweigern und weiter Monopolgewinne ermöglichen, würden, so schrieb er, »die Arbeitsscheuen der ganzen Welt ins Land ziehen (…) Alle Bummler, Sonnenbrüder und Zigeuner würden dorthin ziehen, wo man die Bodenschätze an das Ausland mit Renten belastet abgibt.« In dem Roman Der abgebaute Staat heißt es über Menschen, die in das neue Freiland einwandern wollten: »Zuerst waren es die Zigeunerweiber, die mit ihren zahlreichen Kindern auf die Mutterrente spekulierten. Niemand wehrte den Eintritt. Sie machten sich aber als Bärentreiber und Kesserflicker gegenseitig zu starke Konkurrenz und so sind sie wieder fortgezogen.«  Gesell charakterisierte diese Frauen aufgrund ihrer ethnischen Zuordnung als Schmarotzer. Daß ausgerechnet diese »Zigeunerweiber« keine Mutterrente bekommen sollten, steht im Widerspruch zu den eingangs zitierten hehren Aussagen, wonach diese Zahlung allen Frauen mit Kindern ohne Ansehen der Herkunft zukommen sollte.“

Die Gesellianer sind Krisengewinnler. Es ist zu erwarten, daß die aktuelle Krise ihnen ebenso wie die Depression der 1930er Jahre größeren Anhang verschafft. Sie verstärken falsche Vorstellungen über Geld und Kapitalismus und behindern damit aufklärerische und emanzipatorische Prozesse. Im schlimmsten Fall befördern sie antisemitische Vorurteile, verbreiten sozialdarwinistische und rassenhygienische Lehren, die, wie der Erfolg Thilo Sarrazins zeigt, auf große Resonanz stoßen, und bereiten damit wie im Kaiserreich und in der Weimarer Republik faschistischen Tendenzen den Boden. Mit Humanismus, Emanzipation, einem schonenderen Umgang mit der Natur haben Silvio Gesells Lehren nichts zu tun. Rechte Kapitalismuskritik, Sozialdarwinismus, Eugenik und Antisemitismus sind reaktionär und nicht emanzipatorisch!

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Peter Bierl – Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn – 252 Seiten

Kapitalismuskritik von rechts: Der Fall Silvio Gesell

Herausgegeben von Friedrich Burschel  – Konkret Verlag – Texte 57 – Hamburg 2012

43 Kommentare leave one →
  1. 15. Oktober 2012 22:59

    Christian Anders (Es fährt ein Zug nach Nirgendwo) hat Gerhard Schröder einen Brief geschrieben:

    „Lieber Herr Schröder, Ihr ehemaliger Finanzminister Oskar Lafontaine wusste SOFORT, wovon ich sprach, als ich ihn in einer Podiumsdiskussion auf das von mir vorgeschlagene Zinsfreie Umlaufgesicherte Währungssystem ansprach. Er sagt: „Ja, das hat der Silvio Gesell vorgeschlagen. Hortung soll durch Geldentwertung bestraft werden.“ Da war ich ganz erstaunt, dass unsere Politiker bereits von der Lösung des Problems wissen, sich aber offensichtlich nicht trauen, es anzuwenden, denn als ich ihn fragte, warum wir denn heute das Zinsfreie Umlaufgesicherte Währungssystem nicht einführen könnten, da meinte Herr Lafontaine: „Auf die Schnelle ist das nicht machbar!“

    So einfach wären die Lösungen, aber auf die Schnelle geht das nicht. Verdammt, wo bleiben denn Uwe Theel und sein Thinktank? Hahaha

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  2. 16. Oktober 2012 08:58

    Die Esoterik ist leider auf dem Vormarsch. Fressen und gefressen werden ist keine wünschenswerte Utopie. Die Vorstellungen Silvio Gesells dürften tatsächlich zu den frauenfeindlichsten und reaktionärsten Utopien des 20. Jahrhunderts zählen.

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  3. 16. Oktober 2012 18:05

    Die rassenhygienischen Vorstellungen Gesells werden derzeit nur von wenigen offensiv vertreten, dafür vor zwei Jahren in Augsteins „Freitag“ umso heftiger. So schrieb beispielsweise die Freitagsbloggerin „thinktankgirl“ bezüglich der rassenhygienischen Vorstellungen Gesells, dass diese unbedingt als emanzipatorisch anzusehen sind, sie sprach vom „Naturweib, das wie eine Königin über die Natur ringsum verfügt“ und unterstellte Gesells Menschenzucht „mutterrechtlichen Strömungen, die auf Bachofen zurückführen wären“. Bezüglich der rassenhygienischen Vorstellungen Gesells meinte die Freitagsbloggerin zudem, „ohne Versorgungsprostiution mit Männern, die sexy sind, Kinder machen zu können, denn so thinktankgirl, „Frauen wird ja heute immer wieder vorgeworfen, daß sie zwar mit den interessanten wilden Kerlen gerne rummachen, aber sich dann in die Versorgungsehe flüchten, um das Kuckuckskind aufzuziehen.“

    Mit ihren Ansichten war „thinktankgirl“ in Augsteins Community nicht alleine. Sie hatte vor zwei Jahren sogar die komplette Redaktion des Freitags im Rücken, denn wegen meines Satzes: „Wer Begrifflichkeiten wie, „Hochzucht des Menschengeschlechts“, „Zuchtwahlrecht der Frauen“ oder „Erlösung von all dem Minderwertigen, mit dem die seit Jahrtausenden von Geld und Vorrecht geleitete Fehlzucht die Menschheit belastet hat“ um nur einige zu aufzuzählen, emanzipatorisch nennt, disqualifiziert sich um es mal vorsichtig auszudrücken“ schloss mich die Redaktion, laut Jan Jasper Kosok (Chef der Onlineredaktion des Freitags) nach einstimmigen Beschluss der Freitagsredaktion, aus ihrer Gemeinschaft. Insoweit hat Henryk Broder den „Freitag“ verkürzt kritisiert. Augsteins „Freitag“ ist nicht nur ein „antisemitisches Drecksblatt“, er ist zumindest wegen dieser Affäre eine sozialdarwinistische Postille, gegen die Thilo Sarrazin ein harmloser Komiker ist.

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    • 17. Oktober 2012 11:59

      Es ist eine Sache wenn sich jemand im Jahre 2010 zig-fach so vehement für die rassenhygienischen Vorstellungen Gesells ausspricht. Wenn sich aber eine komplette Redaktion einer sich als „linksliberal“ verstehenden Zeitung bedingungslos hinter diese rassenhygienischen Vorstellungen dieser Freitagsbloggerin „thinktankgirl“ stellt, dann ist das bemerkenswert und erschreckend zugleich.

      Der Bezug der sächsischen Piraten, der NPD-Zeitung »Deutsche Stimme«, des völkische Ex-Linken Jürgen Elsässer, des Schlagersängers Christian Anders auf Silvio Gesell ist selbstverständlich zu kritisieren , aber die Regionalgeldgeschichte hat doch eine bedeutend kleinere reaktionäre Dimension als die rassenhygienischen Vorstellungen von Silvio Gesell und des „Freitags“ von Jakob Augstein

      Darauf einen Dujardin.

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    • 18. Oktober 2012 17:33

      Mir geht dat in den Kopf nicht rein, warum diese Leute von dem Jakob Augstein so offen den Sozialdarwinismus und den Rassismus von dem Silvio Gesell propagieren tun.

      „Zuchtwahlrecht der Frauen“, „Erlösung von all dem Minderwertigen“, „Hochzucht des Menschengeschlechts“, „wer noch etwas rassisches, völkisches Empfinden verspürt“, wenn ich dat schon höre. Die sind doch alle übriggeblieben aus einer längst vergangen gelaubten Zeit. Ach hör mich doch auf mit dem Gesindel.

      Gruß aus Wanne
      Euer Erwin.

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  4. 16. Oktober 2012 18:24

    Lesen macht Gedanken im Kopf. – Vorsicht: Denken kann zu Erkenntnissen führen! Die Bundesministerien warnen vor diesen:
    „Der Mainstream der Globalisierungskritik trennt, was nicht zu trennen ist: Staat und Kapital, Finanzkapital und Industriekapital, Wirtschaft und Gesellschaft.“
    „Thilo Sarrazin recycelt Kernthesen der Rassenhygiene, wenn er behauptet, eine »unterdurchschnittliche Fruchtbarkeit der intelligentesten Frauen« in Deutschland führe zu einem »Absinken der durchschnittlichen Intelligenz«, weil er Intelligenz für eine Sache der Gene hält. Angehörige der Unterschicht sowie türkische und arabische Migranten hält er für im Durchschnitt weniger intelligent, sie würden aber mit einer höheren Geburtenrate das kulturelle Niveau senken.“
    „Die Gesellianer sind Krisengewinnler. Es ist zu erwarten, daß die aktuelle Krise ihnen ebenso wie die Depression der 1930er Jahre größeren Anhang verschafft. Sie verstärken falsche Vorstellungen über Geld und Kapitalismus und behindern damit aufklärerische und emanzipatorische Prozesse.“
    „Dieses Buch kommt im richtigen Moment, denn auch unter Linken, Globalisierungskritikern und Kapitalismusgegnern machen sich seit Jahren, in letzter Zeit verstärkt durch die irritierenden Umstände der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, die falschen Vorstellungen des Freiwirtschaftstheoretikers Silvio Gesell (1862–1930) wieder breit.“
    Und der rezensierende Beitrag hier auch! – Es ist schon erschlagend, wie sich eine selbstbehauptete Oppsition so dumm halten kann ob des Reichtums kritischer Schrift. Ich habe das mehrmals bei Occupy in Münster bestätigt bekommen. Erschlagen ging man vom ‚Platz verkürzter Kapitalismuskritik‘ nach Haus; freilich mit dem Radl …“

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  5. 17. Oktober 2012 11:29

    Der sogenannte „Chiemgauer“ ist hierzulande das bekannteste Regionalgeld, bzw. Schwundgeld. Lehrer und Schüler der Walddorfschule in Prien haben den „Chiemgauer“ vor langer Zeit im Chiemgau eingeführt. Die Verantwortlichen des „Chiemgauers“ beziehen sich mit ihrem Schwundgeld ausdrücklich auf Silvio Gesell. Das Hauptziel der Jünger Rudolf Steiners war die Förderung des volksgemeinschaftlichen Zusammenlebens von Unternehmen und Konsumenten sowie die Stärkung der regionalen Strukturen. Ein Initiator des Chiemgauers (Gelleri) verkündet in seinen Veranstaltungen, dass nur Geschäfte vor Ort teilnehmen dürfen, damit das Geld in der Region bleibt, denn die Verbundenheit zur Heimat muss schon vorhanden sein, damit das System funktioniert.
    Der Chiemgau gehört zu den wohlhabendsten Gegenden Europas. Soziale Nöte haben die Benutzer des Chiemgauers kaum. Es ist daher bezeichnend, dass das Schwundgeld im Chiemgau am „besten“ funktioniert:

    An bestimmten Stellen tauscht man 100 Euro gegen 100 „Chiemgauer“. Man bezahlt dann in bestimmten Geschäften mit dem „Chiemgauer“. Am Quartalsende verliert der „Chiemgauer“ 2% seines Wertes. Wer am Quartalsende noch „Chiemgauer“ hat versucht sie loszuwerden oder verliert 2% die er mit Wertmarken ausgleichen muss. Nach einem Jahr muss der „Chiemgauer“ zurückgetauscht werden mit 5% Abzug, die der Herausgeber des „Chiemgauers“ (Leute um die Waldorfschule Prien) kassieren. 3% gehen an gemeinnützige Vereine, meist Waldorfschulen oder andere anthroposophische Einrichtungen, aber auch Sportvereine (Feigenblattfunktion), damit soll Kundenbindung hergestellt werden und das Geld in der Region bleiben. Langfristig soll das Regionalgeld den Euro ablösen. Das Geld soll ausgegeben werden und der „böse Zins“ ist durch den Schwund obsolet. Viele Kaufhäuser oder Gewerbetreibende machen, trotz der vielen Werbekampagnen von REGIOS eG nicht mit, da viele ihre Lieferanten nicht mit „Chiemgauer“ bezahlen können. Klar, ein PC Unternehmen kann sein Windows Betriebssystem von Bill Gates nicht mit dem „Chiemgauer“ bezahlen. Zu einem Teil (max 25 %) werden sogar Mitarbeiter von Bioläden usw. mit dem „Chiemgauer“ bezahlt, angeblich auf „freiwilliger Basis“ der Mitarbeiter.

    Wenn jemand seine Region fördern will kann er dies natürlich genauso gut mit dem Euro tun. Er muss nur auf dem Hof seines Biobauern die Eier mit Euro bezahlen und “er hat sinnvoll“ eingekauft. Auf diese Idee sind die Schwundgeldtheoretiker offenbar noch nicht gekommen und dass Geld, wie der Euro, auch durch Inflation an Wert verliert ist den Jüngern von Silvio Gesell offenbar auch nicht bewusst.

    Wenn später alle in Europa Schwundgeld haben sollten (das ist das Ziel der Oranisatoren), besteht das Problem, dass außerhalb der Region der „Chiemgauer“ nicht angenommen wird. Dafür soll es dann Umtauschstellen geben die das aktuelle Kursverhältnis der dann unzähligen Währungen umrechnet. Ziel ist daher, dass in einer Region so gut wie alles produziert wird. Nehmen wir das Beispiel Fahrrad. Eine Region bräuchte also ein Aluminiumwerk für den Rahmen, ein Kautschukwerk, Kautschukplantagen, Fabriken zum Fertigen und Giesen der Einzelteile usw, usw. Das alles freilich für jedes erdenkliche benötigte Produkt. Quintessenz: Außer den Herausgebern des Schwundgeldes profitiert niemand von dieser Regionalwährung. Und was machen die Waldorfgurus mit den Euros, die sie beim Umtausch entgegennehmen? Die werden nach Angaben der Verantwortlichen auf das Bankkonto bei der anthroposophischen GLS-Bank gehortet, der zentralen Anlaufstelle für wohlhabende Okkultisten. Die GLS-Bank hat übrigens so ziemlich die unverschämtesten Kontoführungsgebühren die ich kenne.

    In einer von den Grünen in der Region organisierten Veranstaltung über den „Chiemgauer“ konfrontierte ich einen der Verantwortlichen mit den rassenhygienischen, sozialdarwinistischen Vorstellungen Silvio Gesells in dessen Freilandlehre. Er sagte, davon distanziere er sich selbstverständlich ausdrücklich.

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    • 17. Oktober 2012 19:01

      Es ist immer wieder toll, wie sich ‚kreative, scheinbar oppositionelle‘ Leute von ‚Details‘ des falschen Ganzen distanzieren, das sie mit ihrer prozentual überragenden nicht-explizit tätigen Zustimmung einfach via Leben befürworten. – Kurz: Alternative ist immer etwas ganz anderes als ein kategorialer Gegensatz.

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    • 6. November 2014 23:20

      Der Chiemgauer ist kein Schwund- oder Freigeld, sondern nur ein verkleideter (regional eingesperrter …) Euro. Bäh!
      lies mal was über das Rheingold nach, da fängt Freigeld an seinen Namen zu verdienen.
      lieben Gruß, Desiree Sophie.

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  6. 17. Oktober 2012 17:24

    Die Utopie Gesells war – so ist in seinem Hauptwerk mit dem Titel „Die natürliche Wirtschaftsordnung“ nachzulesen – ein ungehemmter „Manchesterkapitalismus“, in dem Frauen als Gebärmaschinen und reiche Männer als Samenspender fungieren sollten. Frauen sollten sich in einer Art seriellen Monogamie mit wirtschaftlich erfolgreichen Männern paaren, deren ökonomischen Erfolg er als Ausweis hervorragenden biologischen Erbguts deutete – und mit diesen möglichst viele Kinder zeugen. Die von ihm als minderwertig angesehenen Menschen würden verschmäht, ihr Erbgut im Lauf der Zeit ausgemerzt und dadurch eine „Hochzucht der Menschheit“ erreicht werden. Gesell pflegte also eine rassenhygienische und sozialdarwinistische, frauenfeindliche und antidemokratische Horrorutopie.

    Vielen Dank für den Beitrag. Folgender Link entält einen Mitschnitt des Vortrages über die Freiwirtschaftslehre des Silvio Gesell von Peter Bierl

    http://www.rosalux.de/event/19167/regionalgeld-tauschringe-schwundgeld.html

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    • 18. Oktober 2012 11:36

      Wie wahr, inmitten wirtschaftlicher Krisen lechzen die Menschen nach einfachen Erklärungen und rettenden Auswegen. Dabei geraten sie häufig in die Fänge obskurer Heilslehren, spiritueller Spinner und antisemitischer Verschwörungstheorien. Silvio Gesell war auch ein Produkt der sogenannten esoterischen Lebensreformbewegung. Kritik an Industrialisierung, Materialismus und Urbanisierung waren die Kennzeichen dieser Spinner. Die völkisch-nationale FKK-Bewegung um Heinrich Pudor, Homöopathie, die völkische, antisemitische und lebensreformerische Siedlung Eden, die heutigen Masernparties, usw. sind aus dieser anti-modernen und reaktionären Bewegung hervorgegangen. Peter Bierl schreibt im Kapitel Schwundgeld und Zinswirtschaft:

      „In Reaktion auf Industrialisierung und Urbanisierung entstand in Deutschland, den USA und England die Lebensreformbewegung, die mit einem Esoterikboom sowie völkischen, antisemitischen und eugenischen Bewegungen verbunden war. Der Gründerkrach lieferte Antisemiten neue Vorwände. Sie mischten Motive des christlichen mit einem modernen biologistisch begründeten Judenhaß und formierten sich zu Massenbewegungen.
      Der Erste Weltkrieg beendete die verklärte Belle Epoque. Allein die Millionenarmeen und millionenfachen Opfer markierten den Unterschied dieses »Großen Krieges« zu früheren militärischen Konflikten. Die Kriegführung erforderte staatliches Eingreifen und eine Lenkung der Wirtschaft in bis dahin unbekanntem Ausmaß. Um Kanonenfutter und Material zu sichern, war ein Burgfrieden zwischen Kapital und Arbeit geboten. In fast allen europäischen Ländern mit Ausnahme Italiens erkauften sich sozialistische Parteien und Gewerkschaften ihre Anerkennung durch den Staat, indem sie den Krieg unterstützten. Der Weltkrieg führte zum Zusammenbruch des zaristischen Rußland sowie der österreichischen Monarchie. In Asien etablierte sich Japan als Großmacht. Als der Friedensvertrag von Versailles 1919 geschlossen wurde, waren die USA der größte Gläubiger Großbritanniens geworden, sie werden das britische Empire im Zweiten Weltkrieg als Weltmacht ablösen. Die gewaltigen Kriegsausgaben zwangen die beteiligten Staaten, den Goldstandard aufzugeben, das System der stabilen, festen Wechselkurse, das den Welthandel erleichtert hatte, war am Ende. Fast alle kriegführenden Mächte erlebten wirtschaftliche Krisen, mit Ausnahme der USA und Japans sowie der britischen Dominions Kanada und Australien, die von der europäischen Nachfrage profitierten. (..)

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    • 19. Oktober 2012 16:11

      Jubiläum. Gratulation von der Redaktion zum zwanzigtausendsten Kommentar:

      Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn

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  7. 17. Oktober 2012 20:24

    „Wie bei allen Lebewesen, so hängt auch das Gedeihen des Menschen in erster Linie davon ab, dass die Auslese nach den Naturgesetzen sich vollzieht. Diese Gesetze aber wollen den Wettstreit. Nur auf dem Wege des Wettbewerbs, der sich überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiete abspielt, kann es zur förderlichen Entwicklung, zur Hochzucht kommen. Wer darum die Zuchtgesetze der Natur in ihrer vollen, wundertätigen Wirksamkeit erhalten will, muss die Wirtschaftsordnung darauf anlegen, dass sich der Wettbewerb auch wirklich so abspielt, wie es die Natur will, d. h. mit der von ihr gelieferten Ausrüstung, unter gänzlicher Ausschaltung von Vorrechten. Der Erfolg des Wettstreites muss ausschließlich von angeborenen Eigenschaften bedingt sein, denn nur so wird die Ursache des Erfolgs auf die Nachkommen vererbt und zur allgemeinen Menscheneigenschaft. Nicht dem Geld, nicht verbrieften Vorrechten, sondern der Tüchtigkeit, der Kraft, der Liebe, der Weisheit der Eltern müssen die Kinder ihre Erfolge verdanken. Dann darf man hoffen, dass mit der Zeit die Menschheit von all dem Minderwertigen erlöst werden wird, mit dem die seit Jahrtausenden vom Geld und Vorrecht geleitete Fehlzucht sie belastet hat, dass die Herrschaft den Händen der Bevorrechteten entrissen und die Menschheit unter der Führung der Edelsten den schon lange unterbrochenen Aufstieg zu göttlichen Zielen wieder aufnehmen wird.“

    Silvio Gesell (Vorwort zur 3. Auflage der NWO, 1918)

    Diese Aussage, auf die sich im Wesentlichen die Polemik der Marxisten bezieht, hat nichts mit „Sozialdarwinismus“ zu tun. Der Sozialdarwinismus ist eine unsinnige Theorie, die besagt, dass die zu beobachtenden Unterschiede zwischen arm und reich auf „minderwertige“ oder „höherwertige“ Gene der Wirtschaftsteilnehmer zurückzuführen seinen. Diesem Unsinn tritt Gesell entschieden entgegen, indem er nachweist, dass die krassen Unterschiede zwischen arm und reich allein auf eine seit jeher fehlerhafte Geld- und Bodenordnung zurückzuführen sind, die es den Besitzenden (Geld- Sachkapital- oder Bodenbesitzer) erlaubt, unverdiente Knappheitsgewinne (Zinsen, Renditen und private Bodenrenten) auf Kosten der Mehrarbeit anderer zu erpressen. In dem obigen Zitat geht es allein darum, dass das „Gedeihen des Menschen“ der Natur bzw. natürlichen, individuellen Fähigkeiten überlassen, und nicht durch irgendein „Politbüro“ in einer kommunistischen Zwangswirtschaft bestimmt werden soll.

    Weil es keine stichhaltigen Sachargumente gegen die Freiwirtschaft und für den Marxismus gibt, bleibt den Marxisten nichts anderes übrig, als sich mit xxxxxxx Polemik „unter der Gürtellinie“ zu verteidigen, um weiterhin ihre Bauernfängerei betreiben zu können. Das ist die einfache Erklärung für xxxxxxxxxx

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/09/von-den-drei-verwandlungen.html

    —————–

    Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette. Außerdem empfehlen wir ihren die obige Buchvorstellung komplett zu lesen. Sie werden dann viele Sachargumente gegen die sozialdarwinistischen Lehren Gesells finden. Diese Sachargumente beziehen sich nicht nur auf ein Vorwort sondern auf das Gesamtwerks Gesells. Empfehlenswert auch die Ausführungen zum Antiziganismus und zum Rassismus in Gesells Lehre. Übrigens finden Sie in Jakob Augsteins „Freitag“ viele Anhänger von Silvio Gesell. Weitere Informationen hier.

    Die MI Redaktion

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    • 18. Oktober 2012 11:46

      „Sie werden dann viele Sachargumente gegen die sozialdarwinistischen Lehren Gesells finden.“

      Es ist richtig, dass es viele Sachargumente gegen den Sozialdarminismus gibt. Weil die Lehren Gesells aber nichts mit Sozialdarwinismus zu tun haben, gibt es dafür keine Sachargumente, sondern es handelt sich schlicht um Polemik „unter der Gürtellinie“.

      Bei den folgenden Feststellungen handelt es sich dagegen um wissenschaftlich überprüfbare Tatsachen:

      Warum ist die Ausbeutungstheorie von Karl Marx ebenfalls als „Zinsentschuldigungstheorie“ zu bezeichnen? Weil Marx den Zins gar nicht verantwortlich macht, sondern mit einem gigantischen Wortschwall, der an Unwissenschaftlichkeit und inneren Widersprüchen kaum zu überbieten ist, versucht, eine Ausbeutung der Arbeiter durch die Unternehmer aus deren Besitz an den Produktionsmitteln (Sachkapitalien) abzuleiten. Damit stellte Marx für alle, die bereit waren, an diesen Unsinn zu glauben, die Realität auf den Kopf. Die aus seinem grundlegenden Denkfehler abgeleitete Konsequenz, dass die Ausbeutung nur durch Verstaatlichung der Produktionsmittel und Planwirtschaft zu überwinden wäre, hat bis heute mehr Schaden angerichtet, als die Verwüstungen des Nationalsozialismus! Dabei ist letzterer ganz offensichtlich menschenverachtend, während viele Naive noch heute glauben, der marxistische Sozialismus sei eine „Alternative zum Kapitalismus“, wobei sie Marktwirtschaft und Privatkapitalismus verwechseln und nicht wissen, warum der „real existierende Sozialismus“ niemals etwas anderes sein kann als Staatskapitalismus, die schlimmste Form der Ausbeutung und das Ende jeder persönlichen Freiheit.

      http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/07/der-zins-mythos-und-wahrheit.html

      Der Markt (marktwirtschaftlicher Wettbewerb) wirkt nie ausbeuterisch, sondern ganz im Gegenteil immer ausgleichend. Ausbeutung entsteht aufgrund der Einschränkung des Wettbewerbs durch dem Privatkapitalismus (Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz, aufgrund einer seit jeher fehlerhaften Geld- und Bodenordnung) und in verstärktem Maß durch die Abschaffung des Wettbewerbs in einer sozialistischen Planwirtschaft (Staatskapitalismus).

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      • 6. November 2014 23:23

        Völlig richtig, Herr Wehmeier! Die Freiwirtschaft wegen manchen zeitgeistbehafteten Aussagen mit dem Bade auszuschütten, ist Unsinn. So kommen wir nie weiter.

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      • 11. November 2014 13:03

        „Die Freiwirtschaft wegen manchen zeitgeistbehafteten Aussagen mit dem Bade auszuschütten, ist Unsinn“

        Mit dieser „Argumentation“ kann man auch Hitlers sozialdarwinistische Rassenpolitik rechtfertigen.

        Silvio Gesels Freilandlehre“ ist kompatibel mit NS-Lebensborn und Mutterkreuz und Silvio Gesells absurde Freigeldlehre ist strukturell antisemitisch und läuft auf “Manchester-Kapitalismus” hinaus. Mit seiner antisemitischen Unterscheidung von „gutem schaffenden“ und „bösem raffenden Kapital“ berief er sich auf Proudhon. Mit Einführung eines “Schwundgeldes” wollte Gesell verhindern, dass Geld gehortet und Zins abgeschöpft wird. Diese Zinskritik ist bereits bei Gottfried Feder dem „Wirtschaftsexperten“ der Nazis zu finden.

        An der Freiwirtschaft Silvio Gesells gibt es nichts fortschrittliches!

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    • 18. Oktober 2012 14:23

      Selbstverständlich sind Silvio Gesells Menschenzuchtlehren sozialdarwinistisch. Frauen sind in seiner Lehre wie bei den Nazis, siehe Mutterkreuz, zu Gebärmaschinen degradiert. »Minderwertige«, deren schlechtere Erbmasse sich im ökonomischen Scheitern zeige, würden von Frauen verschmäht und ihre Zahl in den kommenden Generationen abnehmen. Für Gesell käme es zur »Hochzucht der Menschheit«. Die Frauen sollen in einer Frauenkommune (ähnlich wie NS-Lebensborn) ihre Kinder gebären und nach der Geburt neue Samenspender suchen. Mit freier Liebe hat das nichts zu tun. Die Fortschritte der Medizin lehnt der Sozialdarwinist und Eugeniker übrigens ab, weil dadurch die Ausmerze der Minderwertigen beschränkt würde, usw. usw. Am besten das Buch von Peter Bierl nochmal lesen.

      Die Krisen des Kapitalismus haben mit Überproduktion und den Widersprüchen des Systems zu tun. Durch die Konkurrenz im Markt fällt tendenziell die Profitrate der Unternehmer usw. Marx hat den Kapitalismus untersucht, aber keine Patentlösungen an die Hand gegeben. Marx hat keine konkreten Aussagen über die Eigentumsordnung gemacht.

      Und abschließend frage ich mich wie heutige Gesellianer folgende Aussagen Gesells in seiner „Münchener Rede“ rechtfertigen oder erklären:

      „.. Dass diese Räteregierung mich als Finanzmann erwählte, war für mich ein Beweis, dass es sich nicht oder noch nicht um Bolschewismus oder Kommunismus handelte. Denn eine Teilung des Volkes in hohe, mittlere und niedre Schichten bedeutet völkischen Verfall. Völkisches Empfinden duldet keine Zinsknechtung anderer oder gar die Beteiligung daran. Wer noch etwas rassisches, völkisches Empfinden verspürt, der gehe in sich, tue Buße; der gestehe, dass er und seine Ahnen Verrat begingen am eigenen Volk, am eigenen Blut. Der wahrhaft völkisch gesinnte Mensch, der den Klassengeist hasst und ein schönes Volksleben sehen möchte – wie man vielleicht ahnen kann, aber noch nie erlebt hat (…) Sie kannten meine Ziele, die den Kapitalismus, die Zinsknechtschaft bekämpfen, aber eben so sehr den Kommunismus die Gemeinwirtschaft…”

      „Völkisches, rassisches Empfinden“, „völkischer Verfall“, „Verrat am eigenen Blut“ – Läuten da nicht sogar bei Ihnen die Alarmglocken?

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    • 18. Oktober 2012 17:38

      „Völkisches Empfinden duldet keine Zinsknechtung anderer oder gar die Beteiligung daran. Wer noch etwas rassisches, völkisches Empfinden verspürt, der gehe in sich, tue Buße; der gestehe, dass er und seine Ahnen Verrat begingen am eigenen Volk, am eigenen Blut. Der wahrhaft völkisch gesinnte Mensch, der den Klassengeist hasst und ein schönes Volksleben sehen möchte – wie man vielleicht ahnen kann, aber noch nie erlebt hat …“

      Wenn ich sowas lese, dann denk ich sofort an Adolf und seine Henker und ich muss kotzen.Nazis raus kann ich da nur sagen. Dat sowas heute nicht verboten ist, kann ich nicht verstehen.

      Euer Erwin

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      • 18. Oktober 2012 19:22

        „Wenn ich sowas lese,…“

        Sie lassen sich rein emotional von im Nachhinein pervertierten Begrifflichkeiten täuschen, ohne sie in den historischen Zusammenhang zu stellen. Das Zitat von Gesell stammt aus dem Jahr 1919, bevor der Nationalsozialismus vieles an der deutschen Sprache pervertierte, die danach durch die Entnazifizierung erneut verändert wurde.

        Ersetzen Sie beispielsweise „völkisches Empfinden“ durch den heute gebräuchlichen Ausdruck „gesundes Volksempfinden“, stimmen die Emotionen wieder, wobei in beiden Fällen das gleiche gemeint ist.

        Und genau das meine ich mit Polemik „unter der Gürtellinie“: Das Buch von P. Bierl ist nicht wissenschaftlich, sondern konstruiert ganz bewusst falsche Assoziationsketten, um beim unkritischen Leser eine emotionale Abwehrhaltung gegenüber dem Begründer der Freiwirtschaftslehre zu erzeugen, weil sich die Marxisten mit Sachargumenten nicht gegen die Freiwirtschaft wehren können.

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      • 18. Oktober 2012 22:23

        „Rassisches, völkisches Empfinden“ oder “gesundes Volksempfinden“. Dat ist alles ekelig brauner Dreck. Braunen Dreck gab es 1919, 1933 und auch 2012. Die Nazis haben das braune Gedankengut nicht erfunden, die haben es nur von Silvio Gesell übernommen.

        http://de.wikipedia.org/wiki/Gesundes_Volksempfinden

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      • 18. Oktober 2012 22:49

        Ich finde die Kommentare von Herrn Wehmeier sind sehr entlarvend und ein weiteres Indiz für die Richtigkeit und Wichtigkeit des Buches von Peter Bierl. Die Verteidigung der Terminologie „rassisches, völkisches Empfinden“ oder “gesundes Volksempfinden“ ist unzweideutig. In Jakob Augsteins „Freitag“ übernahmen vor allem diese unrühmlichen Rollen die Bloggerin thinktankgirl und der Publizist Christoph Leusch, geschützt von Jan Jasper Kosok und der gesamten Redaktion des Freitags.

        Übrigens, die bekannteste Nach-NS-Partei, die ideologisch ausdrücklich auf Gesells Ideologie beruht, wurde die Freisoziale Union (FSU), eine rechtsextreme Partei.

        Wenn die NPD heutzutage dieses rechte, sozialdarwinistische Gedankengut vom „rassischen, völkischen Empfinden“ oder vom “gesundes Volksempfinden“ hochhält, dann kann ich das noch einigermaßen verstehen. Wenn dieses Gedankengut aber in einer sich linksliberal verstehenden Zeitung, wie es der Freitag zu sein vorgibt, verbreitet wird, dann herrscht Alarmstufe rot.

        Herrn Wehmeier empfehle ich sich mit den Gesellianern im „Freitag“ in Verbindung zu setzen. Jan Jasper Kosok, der Online-Chef der Moderation kann sicher die Kontakte vermitteln.

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      • 19. Oktober 2012 20:05

        Welche „Ent-nazifizierung“ meinen Sie, Herr Wehmeier? War es nicht eher eine „Um-nazifizierung“ in Deutschland, als viele ehemalige Nationalsozialisten hohe und höchste Ämter bezogen? Hans Globke, Kurt-Georg Kiesinger, Hans Filbinger, Carl Haedenkamp, Reinhard Gehlen und viele andere mehr z.B. als Chef des Bundeskanzleramts, Bundeskanzler, Ministerpräsident Baden Württembergs, etc. pp., oder der Skandal, wie NS-Richter ungeschoren davon kamen. Zitat aus Wikipedia: „Viele der tief in die NS-Vergangenheit verstrickten „Mitläufer“ konnten unbehelligt nach 1949 Karriere machen. Mit Persilscheinen, die ihnen von (mutmaßlichen) Opfern für die beurteilenden Kommissionen und Spruchkammern ausgestellt wurden, gingen sie in die Politik, Verwaltung, Polizei und an die Universitäten zurück. Oft auch unter falschem Namen und häufig unter Mithilfe der Netzwerke (Rattenlinien) alter Kameraden. So waren zeitweise in den fünfziger Jahren mehr als zwei Drittel der leitenden Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes ehemalige Mitglieder der SS.„
        Beispiel Günther Quandt: Der deutsche Konzernchef konnte in Nürnberg nicht angeklagt werden, weil an die ermittelnden amerikanischen Behörden keine diesbezüglichen Unterlagen weitergeleitet wurden. Obwohl Quandt nachweislich in seinen Rüstungswerken (Afa, heute VARTA in Hannover; sowie zwei weiteren Firmen in Berlin und Wien) KZ-Häftlinge ausbeutete, wurde er als „entlastet“ eingestuft. Bereits im Jahre 1946 bekam er wieder lukrative Aufträge.

        Lieber Herr Wehmeier, hier von einer Entnazifizierung zu sprechen, könnte schon als kennzeichnend gewertet werden. Mit Ihrem Begriff „gesundes Volksempfinden“, einem in der NS-Zeit verwendeten Begriff, geht es mir keinen Deut besser. Wenn da bei Ihnen die „Emotionen wieder stimmen“, so wäre dies ein weiteres Puzzleteilchen, das in ein unschönes Bild passt. Außerdem spechen Sie von „Sachargumenten“, die Sie dann aber in puncto „Freiwirtschaftslehre“ selbst schuldig bleiben. Gesell in seiner Zeit als emanzipatorisch zu bewerten, ist schon verrückt, aber ein Gesell im Jahr 2012, was soll man dazu sagen? Den Kapitalismus haben Sie m.E. nicht verstanden. Der erfordert nämlich nicht nur Mehrwert von jeder Ware, sondern, der Konkurrenzsituation geschuldet, MAXIMALEN Mehrwert! Warum denn sollte die „Ware aller Waren“, das Geld, nicht diesem kapitalistischen Wertverwertungsgesetz unterliegen? Gerne würde ich mir Ihre Vorstellungen von unverdienten und verdienten Knappheitsgewinnen, insbesondere deren genaue Grenze, wo der eine aufhört und der andere anfängt, erläutern lassen, handelte es sich bei Ihnen nicht um einen verrückten Möchtegern-Freiwirtschaftler, der in der Tat glaubt, diesen Kapitalismus mit Freigeld und Freiland in eine bessere Welt wandeln zu können und dabei nicht merkt, dass er schon zwei Fuß tief im strukturellen Antisemitismus steht und bei NS-Begrifflichkeiten stimmige Emotionen empfindet.

        lg LL

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      • 20. Oktober 2012 00:18

        Stimmt Louis,
        es ist eine Sache wenn Gesell bis 1930 seine reaktionären Theorien verbreitete, wenn aber heutzutage diese Theorien als emazipatorisch bezeichnet werden, wie dies auch bei Jakob Augsteins Avantgardisten der Fall war, dann weiß man was die Uhr geschlagen hat. Beispielsweise verteidigte Augsteins Trüffeljägerin Gesells Mutterkreuzideologie wie folgt:

        „Bei der Gattenwahl würden die geistigen, körperlichen, die vererbungsfähigen Vorzüge statt des Geldsackes den Ausschlag geben. So kämen die Frauen wieder zu ihrem Wahlrecht, und zwar nicht zum wesenlosen politischen Wahlrecht, sondern zum großen Zuchtwahlrecht.Hier geht es nicht um eugenische Ziele, denen sich die Frauen zu unterwerfen haben, sondern darum, ohne Versorgungsprostiution mit Männern, die sexy sind, Kinder zu machen. Frauen wird ja heute immer wieder vorgeworfen, daß sie zwar mit den interessanten wilden Kerlen gerne rummachen, aber sich dann in die Versorgungsehe flüchten, um das Kuckuckskind aufzuziehen.“

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    • 18. Oktober 2012 23:08

      „im Nachhinein pervertierte Begrifflichkeiten“ (Stefan Wehmeier) – darin steckt ein wahrer Kern; und aber auch eine Verleugnung/Verdrängung von Geschichte. Natürlich ist Sprache, deutsche, auf immer beschädigt durch den Nazidreckstaub darauf; nicht und nie wegzuputzen. Und aber das ’nachhinein‘ wie ’nur‘ das Sprachliche macht das real Geschehene nicht weg. Folgefolgen!
      Geschichte ist nicht ein punktuales, abgegrenztes, auch kein zwölfjähriges Ereignis, sondern hat kontinuierlich Vorgeschichte, Nicht-Mehr und Noch-Nicht und Zukunft. Und ist jetzt, jeden Tag neu.
      Und aus Gesell läßt sich nichts Neues bauen, kein Splitter davon.

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  8. 18. Oktober 2012 11:12

    Peter Bierl schreibt in „Zins als Erpressung oder Teil des Profits“

    „Marx zufolge sind die menschliche Arbeitskraft und die Natur die einzigen Quellen gesellschaftlichen Reichtums. Der Mensch vermag mehr Güter herzustellen, als zu seiner physischen Reproduktion notwendig sind. Dieses Mehrprodukt ist die Grundlage jeder gesellschaftlichen Entwicklung, jeder Zivilisation, aber auch der Spaltung der Gesellschaft in Klassen, wobei die herrschende Klasse sich dieses Mehrprodukt (jedenfalls den größten Teil davon) aneignet. Unter kapitalistischen Bedingungen erhalten die Arbeiter einen Lohn, der im Prinzip durch den Wert der Güter und Dienstleistungen bestimmt ist, die notwendig sind, um ihre Arbeitskraft zu erhalten. Im Arbeitsprozeß setzen sie den Produkten jedoch einen Wert zu, der höher ist als der Lohn. Dieser Mehrwert wird vom Kapital akkumuliert. Es ist dieser Vorgang, den Marx als Ausbeutung bezeichnet, und zwar unabhängig davon, ob die Löhne niedrig oder hoch sind.

    Gesell lehnte die Werttheorie ab. Sie sei schon deshalb falsch, weil Marx von allen körperlichen Eigenschaften der Ware abstrahiere; dagegen meinte Gesell: »Ein Kilo Gold ist gleich ein Kilo Wert. Stoffwert = Wertstoff«, das ließe sich mit der Waage feststellen, ansonsten sei der Wert »ein reines Hirngespinst«.“‚ Ausbeutung bedeutete für ihn, daß die »Geldbesitzer« die Besitzer von Waren, Dienstleistungen oder Arbeitskraft erpreßten. Sie bestehe aus Zinsen, die Geldbesitzer, und Grundrenten, die Grundeigentümer verlangten. Er stellte sich in die Tradition von Proudhon, der ebenfalls unterstellt hatte, Krisen und Elend des Kapitalismus entstünden allein in der Zirkulation, knappes Geld lähme Produktion und Austausch. Schuld seien die Geldbesitzer, die dieses Tauschmittel horteten, um Zinsen zu kassieren.

    Als Arbeiter definierte Marx jene Menschen, die über keine Produktionsmittel verfügen und ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um zu leben. Gesell meinte mit diesem Begriff jeden Erwerbstätigen und verwischte damit den Gegensatz von Kapital und Arbeit. Dementsprechend war für Gesell ein Arbeiter »jeder, der vom Ertrag seiner Arbeit lebt, Bauern, Handwerker, Lohnarbeiter, Künstler, Geistliche, Soldaten, Offiziere, Könige sind Arbeiter in unserem Sinne. Einen Gegensatz zu all diesen Arbeitern bilden in unserer Volkswirtschaft einzig und allein die Rentner, denn ihr Einkommen fließt ihnen völlig unabhängig von jeder Arbeit zu.«“ Der Feind dieser »Arbeiter« sei der »Rentner«, auch Rentier genannt – gemeint sind Personen, die von Kapitalzinsen leben. Gesell forderte das Recht aller Arbeiter (also der Kapitalisten wie der Lohnabhängigen) auf den »gemeinsamen vollen Arbeitsertrag«, ohne Abzug von Zinsen und Renten.

    Gesell ging von der Fiktion aus, alle Lohnabhängigen seien kleine Warenproduzenten und Händler, die von gleich zu gleich mit den Unternehmern ihre Erzeugnisse tauschten. Ein Fabrikant würde Proletarier nicht in einem Lohnverhältnis beschäftigen, also nicht ein bestimmtes Quantum Arbeit gegen eine bestimmte Summe Geld tauschen, sondern ihnen seine Fabrik leihen, und sie würden die dort erzeugten Waren an ihn verkaufen. »Lohn, das ist der Preis, den der Käufer (Unternehmer, Kaufmann, Fabrikant) für die ihm vom Erzeuger (Arbei-ter) gelieferten Waren zahlt (…) Waren kaufen heißt aber Waren tauschen; die ganze Volkswirtschaft löst sich so in einzelne Tauschgeschäfte auf, und alle meine Begriffe: Lohn, Wert, Arbeit enthüllen sich als vollkommen zwecklose Umschreibungen der beiden Begriffe Ware und Tausch.« Mit dieser Definition eliminierte Gesell sowohl das Proletariat als auch die Produktionssphäre; er erklärte die einfache Zirkulation von Waren und Geld zum Wesen und Inhalt der Ökonomie.

    Marx hatte den Prozeß der Verwertung und Akkumulation von Kapital mit der Formel beschrieben: G-W(AK, PM)-P-W’G‘. Ein Kapitalist kauft für sein Geld (G) bestimmte Waren (W) ein: die Ware Arbeitskraft (AK) sowie Produktionsmittel (PM) wie Maschinen, Werkzeug, Halbfertigprodukte und Rohstoffe. Die Arbeiter produzieren damit Güter (P), deren Wert (W‘) höher liegt als der der Arbeitskraft, ausgedrückt im Lohn, und der verwendeten Produktionsmittel. Diese Produkte muß der Kapitalist verkaufen, um sein ursprünglich investiertes Geld und den Mehrwert (G‘) zu realisieren. Ausbeutung analysierte Marx damit als völlig moralfreies, strukturelles Ergebnis der Produktionsverhältnisse. „

    ————

    Es ist also nach Marx nicht die private Gewinnsucht das Problem, sondern es sind die Gesetze des Kapitalismus, die für die Krisen dieser Welt verantwortlich sind. Für Gesellianer wäre der Kapitalismus eine prima Sache, gäbe es nur den Zins nicht. Das Zusammenspiel der Kategorien Arbeit, Ware, Wert, Geld, Profit oder Konkurrenz haben Gesellianer von Attac bis hin zu den Piraten bis heute nicht begriffen. Kapitalismus heißt, das Kapital strebt nach Mehrwert, nach Selbstverwertung und Akkumulation; der Mehrwert entsteht in der Produktion und muß auf dem Markt durch den Verkauf der Waren und Dienstleistungen realisiert werden. Für die Entwicklung und die Innovationen des Kapitalismus war die Herausbildung eines umfangreichen Kredit- und Banksystems notwendig, ohne Banken, Kredite, Zinsen und Spekulation wäre die Marktwirtschaft nicht möglich.

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    • 18. Oktober 2012 17:36

      „Kapitalismus heißt, das Kapital strebt nach Mehrwert…“

      Nein. Der Marxist verwechselt nicht nur Marktwirtschaft und Kapitalismus, sondern kann auch nicht zwischen unverdienten und verdienten Knappheitsgewinnen unterscheiden.

      Kapitalismus heißt, dass alle Sachkapitalien (Produktionsmittel) aufgrund der Rentabilitätshürde des Urzinses, der aus der parasitären – der wesentlichen Tauschfunktion widersprechenden – Wertaufbewahrungsfunktion des herkömmlichen Geldes (Zinsgeld) resultiert, strukturell knapp sind und somit stets einen unverdienten Knappheitsgewinn, den Sachkapitalzins, abwerfen.

      Wird die Rentabilitätshürde durch eine staatliche Liquiditätsgebühr auf alles Zentralbankgeld (Bargeld plus Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken) kompensiert, werden Geldersparnisse auch ohne Urzins in neue Sachkapitalien – und damit in Arbeitsplätze – investiert, bis sich die Sachkapitalien soweit vermehrt haben, dass alle unverdienten Knappheitsgewinne auf Kosten der Mehrarbeit anderer durch vollkommene marktwirtschaftliche Konkurrenz (monopolfreie Marktwirtschaft) verschwinden. Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag und eine natürliche Vollbeschäftigung sind damit verwirklicht.

      Es gibt keine andere Möglichkeit, den Kapitalzins („Mehrwert“) auf Null zu regeln; schon gar nicht durch eine Verstaatlichung der Produktionsmittel.

      Eine monopolfreie Marktwirtschaft (Freiwirtschaft), in der allein die beiden entscheidenden Monopole (Zins-)Geld und Boden eliminiert sind, bedeutet hingegen nicht, das verdiente Knappheitsgewinne aufgrund eigener, technologischer Innovation ebenfalls verschwinden. Sie bleiben als der eigentliche Antrieb unternehmerischen Handelns erhalten und können nicht länger durch unverdiente Knappheitsgewinne von „großen Investoren“ geschmälert werden, sodass die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft) nicht nur die gerechteste, sondern auch die denkbar innovativste Wirtschaftsform darstellt:

      Klicke, um auf soziale_marktwirtschaft.pdf zuzugreifen

      Warum ist diese einzige Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens bis heute nicht verwirklicht? Fragen Sie die „heilige katholische Kirche“:

      Klicke, um auf himmel_auf_erden.pdf zuzugreifen

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      • 18. Oktober 2012 22:55

        „Der Marxist“ –
        freilich: das ist oft in der Historie auch „der Jude“ & beides noch zusammen, der reale: Marx, Bloch, Freud (?), Adorno (?), Benjamin, Kracauer, Kraus usw. – Und auch der theoretische, der Kritiker der gegebenen Verhältnisse. Wie Fremdworte durchstreifen seine Texte das Gegebene. Fremdworte, die keine Heimat den herrschenden Verhältnissen machen mögen, vice versa. – Das wurde und wird nicht gerne gesehen, diese betonbohrende Kritik (nach Max Weber, dt. Soziologe).
        Was das mit „Knappheitsgewinnen“ zu tun hat und was diese sind, weiß ich allerdings auch nicht und will es auch nicht wirklich erforschen.

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      • 19. Oktober 2012 16:26

        „Die Gesellianer sind Krisengewinnler. Es ist zu erwarten, daß die aktuelle Krise ihnen ebenso wie die Depression der 1930er Jahre größeren Anhang verschafft. Sie verstärken falsche Vorstellungen über Geld und Kapitalismus und behindern damit aufklärerische und emanzipatorische Prozesse. Im schlimmsten Fall befördern sie antisemitische Vorurteile, verbreiten sozialdarwinistische und rassenhygienische Lehren, die, wie der Erfolg Thilo Sarrazins zeigt, auf große Resonanz stoßen, und bereiten damit wie im Kaiserreich und in der Weimarer Republik faschistischen Tendenzen den Boden.“

        Das gefällt mir weil es zutreffend ist. Das argentinische Schwundgeld ist gescheitert und das „Tausendjährige Reich“ längst vorbei. Wann wird die Menschheit je ihre Lehren daraus ziehen.

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  9. 22. Oktober 2012 10:20

    Jutta Ditfurth hat vor langer Zeit das Buch „Entspannt in die Barbarei – Esoterik, (Öko)Faschismus und Biozentrismus“ herausgegeben. Darin beschäftigt sie sich zu großen Teilen mit Silvio Gesell und den Organisationen die sich auf ihn berufen. Vom „Interforum Oranienburg e. V Arbeitskreis Franz Oppenheimer“ in Berlin über den Nationalrevolutionär Günter Bartsch bis zur rechtsradikalen Freisozialen Union (FSU).

    Auszüge daraus sind hier nachzulesen:

    „Silvio Gesell“ ist kompatibel mit NS-Lebensborn und Mutterkreuz

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  10. 27. März 2013 16:16

    Peter Bierl schreibt in der neuen Konkret (4/2013) in „Elendsselbstverwaltung – Linke Marktwirtschaftsreformer und grüne Anarchisten suchen Holzwege aus der Krise“ wieder einmal sehr treffend und informativ:

    In Krisenzeiten haben Heilslehren Konjunktur. Konsens ist momentan die Annahme, Banken und Börsen seien an der Weltwirtschaftskrise der letzten Jahre schuld. Daran knüpfen Vorschläge aus dem linken und grünen Spektrum, die auf eine faire Marktwirtschaft mit Ethikbanken zielen, ebenso an wie die Anhänger des Freiwirtschaftstheoretikers Silvio Gesells. Dabei erinnert die Rede von einer abgehobenen, skrupellos-gierigen Finanzsphäre, die die ehrliche »Realwirtschaft« aussauge, an die NS-Gegenüberstellung von schaffendem und raffendem Kapital. Was da zusammenwächst, zeigen einige Veranstaltungen dieses Frühjahrs. Der Kaufmann Gesell behauptete schon vor über 100 Jahren, Geldbesitzer würden von ehrlichen Arbeitern und Unternehmern Zins erpressen. Elemente seiner Lehre finden sich in der Transition-Town-Bewegung, bei Anhängern des Grundeinkommens, in der Piratenpartei, bei spirituellen Ökofeministinnen, christlichen Gutmenschen und Individualanarchisten. Die Idee von der Zinsknechtschaft ist in Europa Grundlage Hunderter von Tauschringen und Regionalgeldinitiativen.

    Im Januar lud Attac München zur »Winterschule« mit dem Titel »Eine andere Finanzordnung ist möglich« ein. Die Moderation übernahm die Gesellianerin Renate Börger. Referent war Harald Bender, der einen »permanenten Transfer von produktiven zu abschöpfenden Sektoren eines parasitären globalen Finanzsystems« anprangert. Bender gehört zur Leitung der »Akademie Solidarische Ökonomie«, die »zinskritisch« und mit der Gesellianer-Organisation »Christen für gerechte Wirtschaftsordnung« (CGW) verbunden ist, ihrerseits eine Mitgliedsorganisation von Attac. Als Koreferent fungierte Werner Rügemer (früher DKP, heute im wissenschaftlichen Beirat von Attac), der die kurzschlüssige Stamokap-These, nach der ein paar Großkonzerne Staat und Wirtschaft dirigieren, zu einer politischen Dämonologie entwickelt hat, in der Banker und Politiker die großen Schurken geben. (…)

    Ein Autor von »Espero« ist Klaus Schmitt, der Gesells sozialdarwinistische und rassenhygienische Positionen ganz unverblümt vertritt, sich auf den Nazi-Biologen Konrad Lorenz stützt und eine »selbstbestimmte« Eugenik propagiert. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß »durch den Schutzraum der Kultur der Ausleseprozeß ausgeschaltet ist, die weiterwirkenden Mutationen führen jedoch zur überwiegend negativen Veränderung der menschlichen Natur: zu Domestikationserscheinungen«, schreibt Schmitt in dem Buch Silvio Gesell – »Marx« der Anarchisten?, das im Karin-Kramer-Verlag erschienen ist.

    Es ist die alte biologistische These, Marktwirtschaft entspreche der egoistischen Natur des Menschen, die diverse Gruppen vereint. Das erklärt, warum Michael Schmidt-Salomon, Vorstand der vorgeblich religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung, auf dem Kongreß »Macht Geld Sinn« Mitte März in der Hochschule von Köthen in Sachsen-Anhalt neben Anthroposophen auftrat. Als Veranstalter fungierte die Gesellianer-Gruppe Global Change Now (GCN). Dort sprach die alte Garde der Freiwirtschaft, dazu Vertreter diverser Umwelt- und Ethikbanken, Politiker der Grünen wie Antje Volimer, Bärbel Höhn und Sven Giegold, vormals AttacRat, die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin von der SPD, Felix Coeln von der Piratenpartei und der Kölner Initiative Grundeinkommen sowie der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, der einen Manchesterkapitalismus verficht und regelmäßig in der rechten Postille »Eigentümlich frei« schreibt. Mit dabei auch Nico Paech, Volkswirtschaftsprofessor, wissenschaftlicher Beirat von Attac und bekannt durch die Postwachstumsdebatte, der für Subsistenzwirtschaft, Tauschringe und Regionalgeld wirbt und für einen »Abwurf von Wohlstandsballast« plädiert. Die Anthroposophen waren auf dem Kongreß durch die GLS-Bank sowie Thomas Mayer vertreten, Sprecher und Geschäftsführer von Mehr Demokratie e.V., einem Verein, der für Volksentscheide eintritt. Unter dem Titel »Des Volkes Wille« verfaßte Mayer darüber in der rechtsextremen Wochenzeitung »Junge Freiheit« einen Leitartikel. In München initiiertt Mayer mit der konservativen ÖDP und den faschistischen Bund Freier Bürger (BFB) ein Bürgerbegehren, um die Stadt »aus der Schuldenfalle« zu holen. (…)

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  11. jg05 permalink
    12. November 2014 22:03

    „Trotz der heiligen Versprechen der Völker, den Krieg für alle Zeiten zu ächten, trotz der Rufe der Millionen: ‚Nie wieder Krieg‘, entgegen all den Hoffnungen auf eine schönere Zukunft muß ich sagen: Wenn das heutige Geldsystem, die Zinswirtschaft, beibehalten wird, so wage ich es, heute schon zu behaupten, daß es keine 25 Jahre dauern wird, bis wir vor einem neuen, noch furchtbareren Krieg stehen.
    Ich sehe die kommende Entwicklung klar vor mir. Der heutige Stand der Technik läßt die Wirtschaft rasch zu einer Höchstleistung steigern. Die Kapitalbildung wird trotz der großen Kriegsverluste rasch erfolgen und durch Überangebot den Zins drücken. Das Geld wird dann gehamstert werden. Der Wirtschaftsraum wird einschrumpfen, und große Heere von Arbeitslosen werden auf der Straße stehen. An vielen Grenzpfählen wird man dann eine Tafel mit der Aufschrift finden können: ‚Arbeitssuchende haben keinen Zutritt ins Land, nur die Faulenzer mit vollgestopftem Geldbeutel sind willkommen.‘
    Wie zu alten Zeiten wird man dann nach dem Länderraub trachten und wird dazu wieder Kanonen fabrizieren müssen, man hat dann wenigstens für die Arbeitslosen wieder Arbeit. In den unzufriedenen Massen werden wilde, revolutionäre Strömungen wach werden, und auch die Giftpflanze Übernationalismus wird wieder wuchern. Kein Land wird das andere mehr verstehen, und das Ende kann nur wieder Krieg sein.“

    Silvio Gesell, direkt nach dem Ende des 1. Weltkrieges

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    • 25. November 2014 11:14

      Lieber jg05,
      der Zins ist nicht schuld am Krieg und die Juden waren auch nicht schuld am Krieg. Beides waren Behauptungen der Nazis und die Ideologie der Nazis führte die Welt schon einmal an den Abgrund.

      Wie völkisch Gesell war zeigt seine Verteidigungsrede nach dem Zusammenbruch der Räterepublik 1919 in München. Dort sagte Gesell:

      „.. Dass diese Räteregierung mich als Finanzmann erwählte, war für mich ein Beweis, dass es sich nicht oder noch nicht um Bolschewismus oder Kommunismus handelte. Denn eine Teilung des Volkes in hohe, mittlere und niedre Schichten bedeutet völkischen Verfall. Völkisches Empfinden duldet keine Zinsknechtung anderer oder gar die Beteiligung daran. Wer noch etwas rassisches, völkisches Empfinden verspürt, der gehe in sich, tue Buße; der gestehe, dass er und seine Ahnen Verrat begingen am eigenen Volk, am eigenen Blut. Der wahrhaft völkisch gesinnte Mensch, der den Klassengeist hasst und ein schönes Volksleben sehen möchte – wie man vielleicht ahnen kann, aber noch nie erlebt hat (…) Sie kannten meine Ziele, die den Kapitalismus, die Zinsknechtschaft bekämpfen, aber eben so sehr den Kommunismus die Gemeinwirtschaft…”

      Noch Fragen?

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  12. Moserer permalink
    22. November 2014 09:18

    Jetzt wollen sogar schon die Banken einen Negativzins haben. Unser Wirtschaftssystem schen am Ende zu sein.

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