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Die Gruppe 47, Günter Grass und die Todesfuge

6. Dezember 2012

„Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ 

aus der Todesfuge von  Paul Celan

grass47Im Jahre 2003 veröffentlichte der Hamburger Literaturwissenschaftler Klaus Briegleb sein vielbeachtetes Buch „Mißachtung und Tabu – Wie antisemitisch war die Gruppe 47?“.   Klaus Briegleb untersucht in diesem Buch den deutschen Antisemitismus nach der Shoah und das Phänomen, dass die Gruppe 47 sich nicht um ihn gekümmert hat. Die Gruppe 47 hat am Gedeihen des besonderen deutschen Antisemitismus nach 1945 aus der Position einer angemaßten moralischen Unbescholtenheit durch Missachtung, Desinteresse und Verdrängung mitgewirkt, so die Kernthese des Buches. Vor allem die Antworten auf die Frage welche Funktion heute jene erfüllen, die einst zur Gruppe zählten, sind gewinnbringend zu lesen und lassen den aktuellen Antisemitismus besser begreifen.

Als Gruppe 47 werden die Teilnehmer an den deutschsprachigen Schriftstellertreffen bezeichnet, zu denen Hans Werner Richter von 1947 bis 1967 einlud. Der Kreis um Richter war eine einflussreiche Institution im Kulturbetrieb der Bundesrepublik Deutschland.  Hans Werner Richter setzte eine Art Corpsgeist unter den Schriftstellern der Gruppe 47 durch, Schriftsteller jüdischer Abstammung, sowie Emigranten wurden an den Rand gedrängt, seine „Einladungspolitik“ war sehr schnell umstritten. Die jüdisch-deutsche Differenz nach der Shoah wurde von der Gruppe 47 nicht thematisiert. Der Widerwillen und die Ignoranz, die Verbrechen der Deutschen zur Kenntnis zu nehmen, und sie zu thematisieren was vor allem den Juden geschah, waren offensichtlich. Die Kriegsheimkehrer und Flakhelfer, die sich nun  „jungdeutsch“ nannten wollten sich etwas von der Seele schreiben und vor allem mit der Vergangenheit abschließen.  Die ehemaligen Flakhelfer, Soldaten und wie wir heute wissen SS-Angehörigen proklamierten in der Gruppe 47 die „Stunde Null“ und beanspruchten zugleich, für die deutsche Literatur zu stehen. Richter und viele seiner Mitstreiter suchten die einebnende Gemeinsamkeit, die Juden und die Christen, die Deutschen und die Sowjetrussen waren für sie die Opfer „des Krieges“, als sei der Nationalsozialismus „vom Himmel“ gefallen, eine Naturkatastrophe für welche die Deutschen kaum etwas konnten.

Obwohl Hans Werner Richter nichts von Paul Celans Gedichten hielt wurde der Lyriker eingeladen. Im Mai 1952 trug Paul Celan in Niendorf seine noch unbekannte Todesfuge vor. Nach dem Auftritt kam es zu unübersehbarer Missachtung gegenüber dem Juden Celan: „Das kann doch kaum jemand hören!“ oder  „Er las sehr pathetisch. Wir haben darüber gelacht“ waren die unmittelbaren Reaktionen innerhalb der Gruppe. Walter Jens meinte gar, „der liest ja wie Goebbels!“ und Richter machte sich über Celan lustig, in dem er sagte Celan habe „in einem Singsang vorgelesen wie in einer Synagoge“. Schwer gekränkt nahm Celan an keinem Treffen der Gruppe 47 mehr teil. Die Aggression der Gruppe gegen Paul Celan und die „Emigrantendeutsch“ schreibenden geflohenen Dichter wurde nun überdeutlich. Ingeborg Bachmann schrieb in ihr Tagebuch zu Niendorf: „Am zweiten Abend wollte ich abreisen, weil ein Gespräch, dessen Voraussetzungen ich nicht kannte, mich plötzlich denken ließ, ich sei unter deutsche Nazis gefallen (..) Am zweiten Tag wollte ich abreisen, am dritten Tag las ich ein paar Gedichte vor, vor Aufregung am Ersticken…“

Trotz eines Apelles  von Marcel Reich-Ranicki blieb der harte Kern der Gruppe dem Frankfurter Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965 fern. Die Isolierung von Peter Weiss innerhalb der Gruppe 47 verstärkte sich wegen seines Interesses am Prozess und unter Federführung von Günter Grass wurden die Auschwitz-Texte von Peter Weiss „geschmäht“. So wurde Peter Weiss 1966 vorgehalten, er habe nicht das Recht, über Deutschland zu sprechen. Peter Weiss hielt die zynische Begründung fest: „Wo ich denn während des Kriegs gewesen wäre?“ Obwohl das antisemitische Ressentiment nur selten so offen zu Tage trat, wie es sich im Falle Celans zutrug, gab es mittlerweile vermehrt diesbezügliche Kritik von außerhalb der Gruppe. Nachdem Hermann Kesten der Gruppe vorwarf, sie würde antisemitischen Vorbildern nacheifern schreibt der Gruppenchef Hans Werner Richter am 25. Januar 1961 in einem Brief: „Kesten ist Jude und wo kommen wir hin, wenn wir jetzt die Vergangenheit untereinander austragen, d.h. ich rechne Kesten nicht zu uns zugehörig, aber er empfindet es so. Wie aber soll man diesem eitlen und so von sich überzeugten Mann beibringen, welches Unheil er anrichtet?“

Günter Grass und Martin Walser prägten die Gruppe 47 mit ihrer Verdrängungsliteratur, ihre „Flegeljahre“ aus der Hitlerjugend dauern scheinbar bis heute an. Die Flakhelfer-Generation um Grass und Walser ist bis heute der Stichwortgeber für die scheinbare Legitimation des antisemitischen deutschen  Stammtisches. Der „irgendwie linke“ Martin Walser wollte 1998 nichts mehr von der angeblichen „Dauerpräsentation unserer Schande“ hören und sprach von einer Moralkeule“ im Zusammenhang mit Auschwitz. Nach der Kritik an Walsers  Rede in der Paulskirche, nach der Kritik an seinem Buch „Tod eines Kritikers“, reagierte Walser wie sein Ziehvater Richter es ihm lehrte: „Es geht um den Kritiker nicht um den Juden“. Der Kritiker, Marcel Reich-Ranicki,  den man immer loswerden wollte, den man zum Schweigen bringen wollte, kam aus dem Osten, der Region, die im literarischen Gedächtnis der Gruppe 47 von ihren Anfängen keinen Platz hatte. Zur Erinnerungsabwehr-Rede Martin Walsers in der Paulskirche sagte Ignaz Bubis das Nötige, wobei die Massen viel lieber der Worten Walsers lauschten.

Wie kaum ein anderer ist Günter Grass ein Produkt der Gruppe 47. Bereits in seiner „Blechtrommel“ deutet Grass an was er unter der Aufarbeitung des Nationalsozialismus versteht. Am Ende des Buches werden die Deutschen in Danzig mit Viehwaggons zurück ins Reich deportiert, eine offensichtliche Anspielung auf die Deportation der Juden in Richtung Osten. Außerdem kommt ein Herr Fajngold aus Treblinka in der „Blechtrommel“ nach Danzig, Fajngold eine Karikatur eines Juden, wie sie die Nazis nicht besser im „Stürmer“ hätten erscheinen lassen können. Grass betrieb bereits damals eine Täter-Opfer-Umkehr. Am offensichtlichsten wird die Schuldabwehr von Günter Grass in seinem 2002 erschienenen Roman „Im Krebsgang“. Während Grass, „ermüdet vom Kampf um die Vergangenheitsbewältigung in seiner Danziger Trilogie“, über die „eigene Schuld“ spricht,  betrauert er wieder einmal viel zu lange darüber geschwiegen zu haben, dass auch die Deutschen Opfer waren. Im „Krebsgang“ macht Grass seine Opferbilanz auf und begräbt mit der Umkehrung der Opferrollen sein eigenes Schweigen. Günter Grass in „Krebsgang“: Als die „Gustloff“ untergeht, ertönt „ein nie gehörter, ein kollektiver Endschrei“. Ein Schrei, der sich in den Lagern der Shoah seit Buchenwald millionenfach erhoben hat. Der Ex-Waffen-SS-Soldat schreibt scheinbar entlastend, dass er in seinem Panzer auf dem Weg nach Osten keinen einzigen Schuss abgegeben hat. Mit „Krebsgang“ versucht Grass eine deutsche Opfernation, eine entschuldete Täternation zu erschaffen. Mit der Metapher des „Endschreis“ beim Untergang des deutschen Flüchtlingsschiffs „Gustloff“ am 30. Januar 1945 ist die „Endlösung der Judenfrage“ literarisch pervertiert, meint nicht nur Klaus Briegleb.

Im Jahre 2011 behauptet Günter Grass in einem Interview in Israel, dass die Sowjetunion sechs Millionen deutsche Kriegsgefangene liquidiert hätte. Tatsächlich gerieten etwa drei Millionen deutsche Soldaten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, von denen etwa 1,1 Millionen nicht überlebten, was angesichts der von den Deutschen verursachten Hungersnot in der Sowjetunion nicht sehr verwunderlich war. Was Günter Grass mit der Zahl “sechs Millionen” bezwecken wollte, lag auf der Hand. Der ehemalige Wehrmachts-Freiwillige, der den reibungslosen Betrieb von Auschwitz ermöglichte versuchte wieder einmal zu entlasten. Nachdem Grass seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS bis zum Jahre 2006 verschwiegen hatte, während er Bundeskanzler Kohl massiv kritisierte, weil dieser Hand in Hand mit einem amerikanischen Präsidenten einen Soldaten-Friedhof besuchte, auf dem auch vierzig SS-Gefallene liegen, wollte er 2012 mit seinem antisemitischen Gedicht „Was gesagt werden muss“ wieder einmal nicht mehr schweigen. Wieso der Literatur-Nobelpreisträger sein Gedicht nicht mit „Die Juden sind unser Unglück!“ überschrieb, bleibt sein Geheimnis.

Anfang August 1990 überfiel der Irak das Ölscheichtum Kuwait. Der Sicherheitsrat der UN stellte ein Ultimatum für einen Rückzug der irakischen Streitkräfte. Saddam Hussein drohte daraufhin Israel, das in diesem Konflikt bis dahin nicht beteiligt war, im Falle eines alliierten Militärschlages mit Giftgas-Raketen anzugreifen und den jüdischen Staat zu zerstören. Mit Hilfe deutscher Firmen war es dem Irak gelungen ein Giftgasarsenal aufzubauen. Nach Ablauf des Ultimatums, griffen alliierte Streitkräfte unter amerikanischer Führung den Irak an, worauf  irakische Truppen Scud-Raketen auf Israel abfeuerten. Die israelische Bevölkerung verbrachte die Nächte mit Gasmasken in abgedichteten Räumen. Obwohl dreizehn Israelis getötet und hunderte verletzt wurden, hielt sich die israelische Regierung an die Absprachen nicht in den Konflikt einzugreifen. In der deutschen Öffentlichkeit sorgte weder der Einmarsch des Iraks, noch die Ankündigung Husseins Israel unter anderem mit Giftgas auszulöschen für besondere Aufmerksamkeit. Erst im Januar 1991 kurz vor dem Ablauf des Ultimatums kam es zu Massendemonstrationen der „Friedensbewegung“, die sich  mehr oder weniger mit Saddam Hussein solidarisierte und Israel die Schuld für den Konflikt gab.  Zu dieser Zeit trat Günter Grass in einer Podiumsdiskussion gemeinsam mit dem israelischen Schriftsteller Yoram Kaniuk auf. „Kein Blut für Öl“ und „Es gibt keinen gerechten Krieg“ waren die Parolen des „Friedensfreundes“ Grass. Das deutsche Gas für den Irak interessierte Günter Grass nicht weiter. Wieder einmal, nun während des zweiten Golfkrieges solidarisierte sich die deutsche „Massenseele“ mit der moralischen Autorität eines ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS. Die Entlastungserzählungen von Günter Grass mit der Entsorgung der eigenen Geschichte und die Forderungen Martin Walsers wieder ganz „unverkrampft“ zur Nation Deutschland zu stehen waren und sind Teil der neuen Rahmenbedingungen in welchen die Mehrheit der Deutschen ihren Antisemitismus, der nach 1945 nicht einfach verschwand, wieder ausleben durfte.

grassYoram Kaniuk schreibt in seinem Buch “Der letzte Berliner“ über Günter Grass und die damalige Diskussion: „Er trieb mich mit seinen politischen Argumenten immer mehr in die Enge, um den Streit über den Golfkrieg mit dem Leiden der Palästinenser und nicht mit dem deutschen Gas für den Irak zu verknüpfen. Etwas von dem Ton, der in seinen Worten anklang, konnte man auch in Hannah Arendts Buch über den Eichmann-Prozess spüren, in dem die Juden und die Deutschen sich gleichen, obwohl die Juden die Opfer und die Deutschen die Täter sind. Unser gerechtes Anliegen, das Anliegen der Juden und ihrer Kinder, die aus Deutschland fliehen mussten oder vertrieben wurden, hätte einen Teil der Debatte ausmachen sollen, doch Grass mit seinem geschliffenen Verstand und seiner rhetorischen Begabung wehrte jeden Versuch ab, aus der engen politischen Ecke herauszukommen und eine allgemeine Diskussion über das Wesen des Bösen zu beginnen, und der Beifall des Publikums bewies, dass es auf seiner Seite stand. Die Diskussion hinterließ bei mir einen bitteren Geschmack. Das ganze Gerede über die Unmoral aller Kriege ärgerte mich damals und ärgert mich heute noch. Es gibt alle möglichen Kriege. Gott sei Dank haben die Alliierten gegen die Nazis gekämpft, und Gott sei Dank haben sie gesiegt. Gott sei Dank haben wir im Unabhängigkeitskrieg gesiegt und einen Staat für die Juden gegründet, die niemand aufnehmen wollte. (…) Es fiel mir schwer, mich damit abzufinden, dass ein Humanist wie Grass die Unvernunft der deutschen Linken verteidigt, die mit dem Mörder und Diktator Saddam sympathisierte. Ich hatte gehofft, er würde es als schweren Fehler bezeichnen, dass Deutsche nicht gegen die Lieferung von Giftgas und dessen Verwendung für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen demonstrierten und stattdessen lauthals den Krieg gegen einen grausamen Diktator anprangerten, doch er sagte nichts dergleichen. Das Argument, dass alle Kriege unmoralisch sind, macht mir mehr Angst als hundert Haiders in Wien oder hundert Aufmärsche von Skinheads mit auftätowierten Hakenkreuzen. „

Quellen: Klaus Briegleb – Mißachtung und Tabu –  Philo-Verlag 2003 | Yoram Kaniuk – Der letzte Berliner – List-Verlag 2002 | Vaterland, Muttersprache: Deutsche Schriftsteller und ihr Staat seit 1945 – Wagenbach-Verlag 1980

61 Kommentare leave one →
  1. 6. Dezember 2012 17:42

    Todesfuge

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
    wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
    wir trinken und trinken
    wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
    Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
    der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
    dein goldenes Haar Margarete

    er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
    er pfeift seine Rüden herbei
    er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
    er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
    wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
    wir trinken und trinken
    Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
    der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
    dein goldenes Haar Margarete
    Dein aschenes Haar Sulamith

    wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

    Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
    er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
    stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
    wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
    wir trinken und trinken
    ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
    dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

    Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
    er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
    dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
    wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
    wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
    der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
    er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
    ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
    er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
    er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus
    Deutschland

    dein goldenes Haar Margarete
    dein aschenes Haar Sulamith

    von Paul Celan, vorgetragen von ihm 1952 in Niendorf um von der Gruppe 47 verlacht zu werden.

    Gefällt 2 Personen

    • 6. Dezember 2012 18:25

      xxxxxxx
      ————–
      Ihre nationalsozialistischen Kommentare können Sie sich sparen, denn sie werden hier nicht veröffentlicht. Halten Sie sich gefälligst an unsere Netiquette!

      Die MI-Redaktion

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    • 6. Dezember 2012 21:19

      Nazis haben in den 1950er Jahren über die Todesfuge gelacht und Nazis lachen heute darüber. So viel hat sich also nicht geändert seit dem.

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    • 6. Dezember 2012 22:31

      Klaus Briegleb, damals Professor im Hamburg, habe ich schon im Studium kennen- und lesengelernt. Und was er bis heute schreibt, hat diese sprichwörtliche Hand und den literarischen Fuß. Sehr zu danken auch das über diese deutschgrob überschätzte Gruppe 47. Bis Handke sie sprengte, war es dort so uniform dröge wie im Kaiserreich, und mindestens so antisemitisch wie im Adenauerreich erlaubt. Ingeborg Bachmann war da noch viel zu zart dagegen … – Die Todesfuge habe ich auch im Studium kennengelernt. Das hat hingehauen – und jede professionelle Kritik daran machte die Profession selbst ja kenntlich als unlauter.
      Würde fast gerne wissen, was ForenBoy ausgekotzt hat; aber an meiner Wortwahl sieht jeder ja schon, daß ich es mir aufgrund jahrelangen Lesens denken kann und letztlich auch gar nicht wissen will.

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    • 7. Dezember 2012 09:54

      Der „Forenboy“ meinte zur Todesfuge von Paul Celan „Lachen ist gesund“ und dann forderte er fidelche auf auch über die Todesfuge zu lachen.

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    • 15. Dezember 2012 14:53

      Wegen einiger Anfragen was denn nun „Forenboy“ geschrieben habe, hier sein vollständiger Kommentar am 6. Dezember 2012 18:25 zu Paul Celans Todesfuge (Mission Impossible distanziert sich ausdrücklich von dem Kommentar des Dorfnazis):

      „Lachen ist gesund, solltest Du auch mal versuchen…….“

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      • H. Herforder permalink
        15. Dezember 2012 19:31

        Ich kann das bestätigen. ForenBoy selbst hat in seiner naiven Unschuldsvermutung für sich selbst hier http://rainerkuehn.wordpress.com/2012/11/24/was-zusammengehort/#comment-691 seinen zurecht zensierten Kommentar nochmals eingestellt. – Mit seinen eigenen Wunderworten möchte ich sagen: ‚merk befreit‘. Lesen Sie selbst, – oder besser doch nicht …

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        • 15. Dezember 2012 22:22

          Ich habe es soeben gelesen. Entweder ist der Dorfnazi tatsächlich „merk befreit“ oder er tut nur so. In seinen Nazi- und Kameradschaftskreisen könnte es durchaus üblich sein über die Ermordung von sechs Millionen Juden, über die Todesfuge von Paul Celan zu lachen und andere dazu aufzurufen.

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        • 15. Dezember 2012 22:58

          Ich hoffe dann mal auf ‚merk befreit‘. – Im Zweifel für die Hoffnung. Hoffnung geht immer. 😉

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      • 15. Dezember 2012 21:02

        Das ist der Weg in die selbstverschuldete Unmündigkeit.

        lg LL

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  2. 7. Dezember 2012 10:02

    In Facebook wurde der Artikel „Die Gruppe 47, Günter Grass und die Todesfuge“ mehrmals geteilt und kommentiert, wofür ich mich sehr herzlich bedanke.

    Für die „Facebook-Gegner“ wiederhole ich hier den guten Kommentar von Isabella S.:

    (…) Bemerkenswert, dass in kaum einer Rezension zur neuen Studie über «Die Gruppe 47 – ein Mythos im Rückblick» von Helmut Böttigers, respektive zu den Tagebüchern des Hans Werner Richter vom Antisemitismus dieser Gruppe schriftstellernder opportunistischer Kleingeister, allen voran Grass und Walser, die Rede ist. Nur gerade Wolfram Knorr in der Weltwoche streift das Thema mit der Erzählung über Celan. Immerhin. «Da zeigt er (Hans Werner Richter) sich in seiner sozialdemokratischen Piefigkeit so eng wie die Kollegen, die sowieso am liebsten übereinander lästern. Ein literarisches Mittelmass traf sich Jahr für Jahr in lauschigen Lokalitäten und mimte Solidarität.
    Richters Beobachtungen sind deshalb erhellend, weil er die Provinzialität der Literaten präzise erfasst – und an dem Befund hat sich leider bis heute nichts geändert. Man denke nur an Grass’ unsägliches Israel-Gedicht oder Walsers Friedenspreisrede.»

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    • 7. Dezember 2012 10:16

      Dazu Klaus Briegleb: „Spätestens seit seiner Rede in der Paulskirche 1998 nimmt Walser die Legitimation eines literarischen Populisten in Anspruch, der als der Verbündete, ja als ein Anwalt kollektiver Entlastungswünsche spricht. Da es um eine Entlastung von den schrecklichsten Taten gehen würde, die je aus einem kollektiven Antijudaismus gefolgt sind und deren Verantwortung und Erinnerung von Berufsintellektuellen auch dem Kollektiv zugemutet, nicht ihm abgenommen werden sollten, fragte es sich, ob der Populist „für die, die meine Kollegen sind“, überhaupt sprechen könne oder ob dies als falsche Adresse zu gelten habe. Hatte sich der Paulskirchenredner denn aber isoliert? Davon kann keine Rede sein, so weit er sich auch aus dein Fenster gelehnt hatte. Der Populist ist Repräsentant. Zu fragen bleibt, Repräsentant für wen? Nur für Wünsche im Volk?“

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  3. 7. Dezember 2012 11:36

    Das nenn ich Aufklärung!

    Beeindruckt haben mich die Worte von Yoram Kaniuk:

    „Das Argument, dass alle Kriege unmoralisch sind, macht mir mehr Angst als hundert Haiders in Wien oder hundert Aufmärsche von Skinheads mit auftätowierten Hakenkreuzen“

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  4. mikerol permalink
    8. Dezember 2012 01:06

    Wenn ich einen Satz lese wie „Der ehemalige Wehrmachts-Freiwillige, der den reibungslosen Betrieb von Auschwitz ermöglichte versuchte wieder einmal zu entlasten,“ weiß ich dass in einem tendentioesen Forum gelandet bin. Leider. Die TODESFUGE ist überhaupt kein typisches Celan Gedicht, Heine lieferte das Model. Aber wenn das wirklich die Reaktion der Gruppe war ist dass schon schlimm. Ich hinterließ gestern hier den Link zu den Reaktionen auf das jetzt so verruchte Grass Gedicht. Scheint aber gelöscht worden zu sein. Auch kein gutes Zeichen. Ansonsten, interpretiert „fidelche“ ?“thinktankboy“? oder wie Sie wirklich heißen, und attackieren ihre eigenen Interpretationen,sehr einseitige, ihre eigenen. Und attestieren Intentionen zu Texten – aber auch dass sind ihre Interpretationen, und nicht viel weniger klein-geistig als Walser und Grass es angeblich sind. Also, man befindet sich auf einem Diskussion Gelände das ziemlich verschrumpelt ist.
    Erlauben Sie mir auf Amerikanisch zu schreiben I can’t speak to the subject since I only attended the Princeton 1966 meeting and as a friend of Peter Weiss, to whom I felt the greatest affinity. Also knew Enzensberger pretty well by then, and can’t imagine
    HME with his piece on Nelly Sachs being anti-semitic or not objecting to sentiments of that kind being expressed there. But I never regarded the Gruppe from that perspective. Also knew Uwe Johnson quite well, having done a long interview with him. Met Richter in Berlin but have no recollection of the meeting that I think. Dimly, a Deutscher Feldwebel? Unfortunately every time that Netanjahu or Libermann voice opinions about Palestinians that duplicate Hitler’s about Jews Grass wins another round. Various Jewish friends of Grass attest to his not being anti-semitic. I myself have no way of ascertaining what is in his heart of hearts, or how conflicted it might be. Ditto for Walser who is presently suing someone for calling him anti-Semitic. The wages of what Hitler and his fellow racists accomplished will be with all of us for generations and creates no end of dreadful distortions. http://www.facebook.com/mike.roloff1?ref=name

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    • 8. Dezember 2012 11:29

      Ohne die Wehrmacht wäre der Betrieb von Auschwitz, die Vernichtung der Juden nicht möglich gewesen. Die Rote Armee hat Auschwitz befreit. Günter Grass hat sich freiwillig zum deutschen Vernichtungskampf gegen die „Untermenschen“ der Sowjetunion gemeldet. Hat ihnen ihr Geschichtslehrer nichts über den deutschen Nationalsozialismus erzählt?

      Es geht nicht darum, ob die Todesfuge ein typisches Gedicht von Celan war, es geht darum, dass die Gruppe 47 Celan wegen seiner Todesfuge ausgelacht hat. Nazis lachen auch heute über die Todesfuge von Celan, weil sie Auschwitz relativieren oder leugnen. Es geht darum, dass Auschwitz, das Leid der Juden von der Gruppe 47, von Grass, von Walser usw. verdrängt wurde. Die Deutschen wurden und werden von Grass, Walser und Co. zu Opfern umgedeutet, der Untergang der „Gustloff“ mit Auschwitz gleichgesetzt. Gleichzeitig werden die Opfer zu Tätern gemacht. Deutsche Antisemiten behaupten Juden führten sich in Israel genauso verbrecherisch auf wie die deutschen Nazis. Grass lügt, wenn er von sechs Millionen von der Sowjetunion ermordeter deutschen Kriegsgefangenen redet. Täter-Opfer-Umkehr, Schuldabwehrantisemitismus, Erinnerungsabwehr nennt dies die Antisemitismus-Forschung.

      Von der Redaktion weiß ich, dass ihr Kommentar in den WordPress-Spamfilter gerutscht ist. Sie haben kein Argument gegen den Artikel gebracht, denn Befindlichkeiten sind keine Argumente. Im Übrigen habe ich nur einen kleinen Teil der antisemitischen Aussagen und Missachtungen gegen Juden der Gruppe 4 7 thematisiert. Das Buch von Klaus Briegleb hat 323 Seiten. Ich werde aber demnächst noch einige Begebenheiten hier in den Kommentaren veröffentlichen.

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    • 10. Dezember 2012 17:59

      Der Kabarettist Norbert Blüm (u.a. „Herz-Jesu-Marxist“) stellte im Zuge der Historikerstreits des vergangenen Jahrhunderts und in der Diskussion um die Wehrmachtsausstellung des Reemtsma-Instituts richtig fest, daß die Vernichtungslager nur so lange weitermachen konnten, wie die Wehrmacht die Front hielt. Diese Erkenntnis hielt ihn aber später und bis heute nicht davon ab, im Hinblick auf israelische Politik unsägliche Worte zu nutzen (u.a. „Vernichtungskrieg“), die ich als sehr deutsch im Sinne hier in der MI schon ausführlich diskutierter Schuldabwehr empfinde.

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  5. 8. Dezember 2012 11:04

    Die Biographie von Günter Grass vom Wehrmachtsfreiwilligen, Waffen-SS-Soldaten über den Vorzeigeliteraten der Gruppe 47 bis zum Autor von antiisraelischen Gedichten zeigt, dass Grass Zeit seines Lebens ein Problem mit Juden hatte. Von 1945 bis zum heutigen Tag versucht er seine Nation und damit sich selbst zu entlasten, die Täter-Opfer-Umkehrt ist seine Passion.

    Der Krieg der Alliierten gegen Nazideutschland, dass alle Juden vernichten wollte war ein gerechter Krieg, die Kriege Israels gegen seine Angreifer, die alle Juden vernichten wollen, waren gerechte Kriege, auch wenn Günter Grass und seine Anhänger dies niemals verstehen werden.

    Für die antisemitischen Jünger von Günter Grass sind seine antiisraelischen Aussagen eine Bestätigung für ihre unrühmliche Position. Jakob Augstein nennt das antisemitische Gedicht richtig und auf den Plakaten der Friedensbewegung war zu lesen „Grass hat Recht“. Der ehemalige Angehörige der Waffen SS berührt und entlastet die deutsche „Massenseele“. Deshalb sind linke Antisemiten gefährlicher als hundert Haiders in Wien oder hundert Aufmärsche von Skinheads mit auftätowierten Hakenkreuzen. Der deutsche Bürger lässt sich nicht von grölenden und mordenden Rechtsradikalen verführen, aber wenn ihm ein Nobelpreisträger oder ein Paulskirche-Redner aus der Seele spricht, dann wägt er sich auf der richtigen Seite.

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  6. 9. Dezember 2012 19:24

    Aus einem Interview mit Klaus Briegleb:

    Ordnet sich Grass damit in den breiten Strom der Verdränger und Leugner ein, ist er insofern eine typisch deutsche Figur?

    Im Blick auf die literarische Intelligenz in Westdeutschland ist mir der Begriff „breiter Strom“ zu suggestiv. Grass hatte als ehemaliger SS-Soldat gelernt, Elite zu sein, und er hat nie aufgehört, es bleiben zu wollen. Dabei hätte seine Grobheit und tief sitzende Feindlichkeit gegenüber Intellektuellen stutzig machen müssen. „Typisch deutsch“ ist meines Erachtens die Wechselbeziehung zwischen Grass und seiner deutschen Leserschaft. Nach der Tragödie kommt, wie wir von Hegel und Marx hören, das Satyrspiel, die Groteske. Das Epizentrum seines grotesken Schreibens über Juden und Deutsche, zum Beispiel in den „Hundejahren“, ist die verdrängte Täterschaft. „Ich habe keinen Schuss abgegeben“, erzählt Grass jetzt. Dankbar und gut unterhalten genießt das Publikum die literarische Verantwortungslosigkeit. Und jetzt?

    Wieso hat er seine SS-Phase 60 Jahre verschwiegen – aus „Scham“, wie er selbst sagt?

    Für aufmerksame Leser hat Grass gar nicht so viel verschwiegen. Spätestens in seiner Novelle „Im Krebsgang“ sagt der SS-Mann „alles“. In der Rolle des „verspäteten Vaters“ behauptet er dort, „alles“, was er zu sagen und zu beichten hat, jetzt „nachträglich und aus schlechtem Gewissen“ zu sagen. Aber in seiner Literatur hat Grass immer schon „alles“ über die NS-Täterschaft, auch seine eigene, gesagt. Er nennt es „das Unfassliche“. Das Unredliche dabei ist, dass er das angeblich Unfassliche gar nicht unfasslich sein lässt, sondern es auf eine in der Tat typisch deutsche Weise auflöst. In der „Blechtrommel“ lässt er das eine seiner jüdischen Figuren besorgen, „Herr Fayngold“, ein Überlebender des Lagers Treblinka. Der sagt: „Genau so“, wie dieser Nazi Matzerat, den ein Rotarmist niedergestreckt hat, dort am Boden liege, „genau so“ hätten die Leichen seiner Frau und seiner sieben Kinder in Treblinka gelegen. Hier zeigt sich Grass‘ Perspektive: Es ist die jener Deutschen, die sich selbst bemitleiden und in ihrer Wunschphantasie deutsche und jüdische Opfer gleichsetzen. Nur läßt sich über die Wahrheit schweigen und „heil“ aus diesem Krieg herauskommen. Dieser Nach-Krieg ist noch nicht vorbei. Nicht für uns, nicht für Grass. Zum Beispiel hat er in seiner jetzigen Beichte eine Frage offen gelassen, über die er vermutlich weiter schweigen wird: Auf wen hat der SS-Schütze Grass keinen Schuss abgegeben?

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    • 10. Dezember 2012 17:15

      Antiintellektualismus ist ein treffendes Stichwort von Briegleb. Und zwar so umfassend, daß man einen Essay und keinen Kommentar schreiben müßte. – Antikommunismus klingt an, Antisemitismus auch (‚Fremdworte sind die Juden der Sprache‘), herausgehoben ist nur der Führer vom vergötterten ‚Volk‘. Typisch deutsch, und grob zum Feinen, wie in der G47. ‚Hören‘ leitet sich in dieser Welt von gehorchen ab, nicht von zuhören.

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  7. 10. Dezember 2012 16:03

    Die Mehrheit der Deutschen steht bis heute hinter dem israelfeindlichen „Gedicht“ von Grass. Laut FTD-Umfrage halten 57% der Deutschen die Israel-Thesen von Günter Grass für richtig und 27% für diskutabel.

    In Jakob Augsteins Freitagscommunity war die überragende Mehrheit der Community begeistert vom antisemitischen Gedicht des Günter Grass. Ich wunderte mich schon immer wie sich angebliche Linke mit der Moral eines Waffen-SS-Soldaten, mit dem schriftstellerischen Werk des Günter Grass identifizieren konnten. Das Gedicht gegen Israel war keine Ausnahme, die rechte Ideologie, der Nationalismus, die Verdrängung des Nationalsozialismus zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk von Grass.

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  8. 10. Dezember 2012 21:26

    Für Adorno war nach Auschwitz trotz des äußersten Bewusstseins jedes Gespräch darüber vom Verhängnis bedroht zum Geschwätz zu entarten, er schrieb 1949: „Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barbarei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es möglich ward, heute Gedichte zu schreiben. Der absoluten Verdinglichung, die den Fortschritt des Geistes als eines ihrer Elemente voraussetzte und die ihn heute gänzlich aufzusaugen sich anschickt, ist der kritische Geist nicht gewachsen, solange er bei sich bleibt in selbstgenügsamer Kontemplation.“

    Nach der Todesfuge von Paul Celan änderte Adorno seine Meinung: „Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben.“

    Paul Celan wurde am 23. November 1920 als Sohn deutschsprachiger Juden in der rumänischen Stadt Czernowitz geboren. 1934 musste er das Gymnasium wegen antisemitischer Übergriffe verlassen. 1941 wurde Celan 1941 zur Zwangsarbeit rekrutiert. Auch seine Eltern kamen in ein Arbeitslager und dort ums Leben. Seine Mutter wurde durch einen Genickschuss hingerichtet. Celan war bis 1943 im Arbeitslager interniert. Die Todesfuge von Paul Celan entstand Anfang 1945.

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  9. 11. Dezember 2012 12:08

    Die Isolierung von Peter Weiss innerhalb der Gruppe 47 verstärkte sich wegen seines Interesses am Prozess und unter Federführung von Günter Grass wurden die Auschwitz-Texte von Peter Weiss „geschmäht“. So wurde Peter Weiss 1966 vorgehalten, er habe nicht das Recht, über Deutschland zu sprechen. Peter Weiss hielt die zynische Begründung fest: „Wo ich denn während des Kriegs gewesen wäre?“

    Wo er denn während des Krieges gewesen wäre!
    Der Antideutsche? Der Vaterlandsverräter?
    Wie wenig sich doch verändert über die Zeiten.

    Eua Erwin

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  10. 11. Dezember 2012 12:13

    Grass und Israel
    Dat Bild sagt eigentlich alles. Der wohlgenährte GraSS ist wieder obenauf und sein nachdenkliches Opfer schweigt.

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  11. 11. Dezember 2012 16:25

    Klaus Briegleb in „Das ungebrochene antisemitische Kontinuum“:

    „Wer von Antisemitismus nicht reden will, sollte von nationaler Identität schweigen.“ Detlef Claussen (November 1988)

    Blicken wir aus der Perspektive der europäischen Antisemitismen auf den Nachkrieg zurück, so sticht hervor, daß der deutsche einen besonderen Charakter angenommen hat. Man hat ihn einen Antisemitismus ohne Juden genannt. Ein bitteres, aber verkehrt herum pointiertes Bonmot. Als habe er sich nach den Nachrichten aus den Lagern brav nach innen gekehrt, habe sich dort verkrochen, eingeschüchtert von Bestrafungsangst, und als müsse man von einem Gespenst reden, auf das selbstkritische Deutsche mit der Laterne des Diogenes Jagd machen, als hätten sie keinen Grund, in ihr eigenes Innere zuerst hinabzuleuchten. Nein, der deutsche Kollektiv-Antisemitismus lag seit 1945 nicht weniger offen und aggressiv zutage als zuvor. Das Besondere nur ist dies: Kein Deutscher, mehr oder weniger persönlich nach ihm befragt und mehr oder weniger bis in die Wiedervereinigung hinein, wollte ihn wahrhaben. Dieses Sich-stumpf-Stellen ist es. Aber wie das? Wie funktionierte die Dissimulation, dieses, so tun als ob nicht‘, rein sinnes-physiologisch? Er war doch allenthalben wahrzunehmen, der ,allgemeine` Antisemitismus auch in Deutschland! Er hat sich stets unbefragt zu erkennen gegeben und überall: Juden gegenüber. Ihr Gedächtnis, ob sie im Land geboren wurden, zurückgekehrt sind oder hier auf Reisen waren, ist voll von Beispielen artikulierter Pöbeleien, aber auch feiger Anspielungen; nicht nur der sogenannte niedere Pöbel hat sich in dieser Weise antisemitisch hervorgetan. Wer hier Belege verlangt, hat sich in der Zeit wirklich taub gestellt oder tut es jetzt. – Deutscher Antisemitismus nach 1945: Weiter -pöbeln, -drohen –schänden als sei nichts gewesen, bestenfalls befangen tun — (…)

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  12. 11. Dezember 2012 16:57

    Die Befreiung des antisemitischen Stammtisches

    Natürlich werden literarische Ästhetik und (antisemitischer) Stammtisch nie wirklich zusammenfallen. Das Beängstigende ist etwas anderes.

    Der Schlussstein in Berlin wird es zunächst einmal verewigen. Insofern ihm nämlich das Planungs-Soll assoziiert bleiben wird, ein nationales Schuldeingeständnis zu verkörpern, kann von ihm nichts ausgehen, das den Stammtisch positiv erreichen könnte, ihmein wenig Würde verliehe in der Weise, dass er mitdächte, mitfühlte, mitginge. Die Ideologie, die den Grund zum Stein gelegt hat, wird auf den Stammtisch wirken, sonst nichts.

    Denn es ist Nationalideologie – – –

    Sie hat in ihrer intellektuellen Exklusivität einen ebenso groben Motivkern wie der es ist, der die Kneipensprache vor sich her treibt.

    Dumpf wird das Volksempfinden dort wahrnehmen, dass auf dem Berliner Gedenkgelände Juden bloß stören. Als Gespenst, als Gedanke, als Abwesende! Sie werden in der Tat das Denkmal nicht betreten. Den Stammtisch wird das freuen als das einzige, das sie Denkmal interessiert: daß es eine deutsche Sache ist.

    Die Nationalideologie der Intellektuellen treibt eine, ‚gebildetere` Reaktion auf ein Fernbleiben jüdischer Besucher vorn Gelände hervor. Diese Nichtbesucher werden über ihre Motive womöglich sprechen – spätestens das wird stören. Sie werden durch Fernbleiben und Sprechen an sich selbst erinnern und die Intellektuellen-Fraktion der Projektbefürworter in ihrer exklusiven Gedenkleere allein ‚zurück‘-lassen — allein und verprellt. (..)

    Zu verantworten sein wird dies:
    Am Stammtisch stellt sich im Schatten, den die Diskurse bis vor die Kneipen geworfen haben, das hauptstädtische abstrakte Schuld(st)eingeständnis paradoxerweise als Freibrief dar. Die diffus allgemein motivierte Politikverdrossenheit nämlich, die an diesem Tisch ihre Heimstatt hat, nimmt die Schuldnachrichten aus Berlin mit Erleichterung auf. Sie treffen auf eine konkret schwärende Stelle im Gemüt der Verdrossenen und heilen sie. Stets waren die Leute frustriert gewesen, wenn man ihnen irgendwie von oben her mit der Schuld an den Juden daherkam, denn man kam über die Generationen hin immer weniger damit zurecht, nicht aufbegehren zu dürfen. Angestaut und selten frei herauszusagen war das Begehren, das abwesende Gespenst „Jude“ laut beim Namen zu nennen und als Affektadresse („wieder“) in Gebrauch zu nehmen; der Stammtisch hat immer geglaubt, in einer Not zu sein, die man ihm doch eigentlich nehmen könnte. Das geschieht nun. Gunnar Heinsohn hat sie
    im November 1988 als „die Not der Unschuldigen“ gedeutet die mit Groll diejenigen verfolgen, wegen deren Schicksal sie mit beschuldigt sind.“
    Das ist vorbei. Alle Schuld wird in Stein gesteckt. Die nationale Schuld-Souveränität ist hergestellt, den Politikern alles weitere überlassen.

    Der Stammtisch stellt befriedigt fest, dass man ihn fortan in Ruhe lassen wird
    mit dem neudeutschen Schuldgeschwafel. Er kann sich seinem alten Judenhass, in einer neuen Beziehung zu Berlin, der Tatzentrale, wieder überlassen — ohne Schuldgefühle.

    Die Kneipen der Nation haben, während, die da oben“ in der Kriegerdenkmal-Tradition des Einvolk-Staates einen nationalkulturellen Identitätsverlust von noch unausgedachtem Ausmaß inszeniert haben, ihre affektive Unbescholtenheit ergattert. Isolierter sind die Stammtisch-Antisemiten von den Intellektuellen und Politikern nie gewesen, umso entspannter achten sie, wie wir beim abendlichen Umtrunk aus der Kneipenecke hören, auf Walser und Möllemann-Signale und werden sie in die erneuerten Affektformen ihres auf alte Weise verfolgungsbereiten Nationalismus aufnehmen.

    Klaus Briegleb in „Mißachtung und Tabu“ -2003 -(Seite 74)

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  13. 12. Dezember 2012 14:56

    In Konkret 10/06, S. 38 schreibt Gerhard Henschel in „Beim Zwiebeln des Häuters“, darüber wie der deutsche Nationaldichter seinen Landsleuten zu einem gelasseneren Umgang mit ihrer Vergangenheit verholfen hat:

    …. In welcher Uniform er im Frühjahr 1945 herumgelaufen ist, wäre unerheblich, wenn er selbst bis zum Versand der Rezensionsexemplare seiner Autobiographie Beim Häuten der Zwiebel kein Geheimnis daraus und die »FAZ« keinen Aufmacher aus diesem späten Geständnis gemacht hätte. Als die Geschichte auf diese Weise an den Tag gekommen war, verfinsterte sich für leichtfertige Medienkonsumenten selbst die Aussicht auf ein grassfreies Viertelstündchen. Solidarisch mit Grass erklärten sich spontan u.a. Dario Fo, Salman Rushdie, Klaus Staeck, John Irving und nicht zuletzt Günter Grass, der in eigener Sache dagegen protestierte, daß seine Kritiker ihn zur »Unperson« zu machen versuchten. Christa Wolf wiederum warnte vor der drohenden Gefahr, daß Grass nun »mundtot« gemacht werden solle. »Einige äußern sich so vehement, als hätten sie nur darauf gewartet, Grass als öffentliche Person zu vernichten«, fügte ergänzend der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hinzu.

    Günter Grass – eine mundtot gemachte, als öffentliche Person vernichtete Unperson! Nach einem halben Jahrhundert des Bramarbasierens, insgesamt sechs opulenten »Spiegel«-Titelgeschichten und schätzungsweise zwölftausend Doktorarbeiten über Grass sowie ca. dreißigtausend Interviews mit ihm wäre das keine gar so üble Utopie gewesen. Aber auch als mundtot gemachte, der Vernichtung anheimgegebene Unperson kommt Grass erstaunlich oft zu Wort. In einem Offenen Brief an das Stadtoberhaupt von Gdansk verkündete er, in der Absicht, seine gefährdete Ehrenbürgerschaft zu retten, daß die Kontroverse für ihn selbst »existentiell bedrohliche Ausmaße angenommen« habe.
    Wenn er damit nicht seinen Selbstmord angekündigt hat, ist diese Aussage einfach nur albern. Man darf sich Grass getrost als finanziell solide abgesicherten Menschen vorstellen. Seine Autobiographie verkauft sich wie geschnitten Brot, und wenn er, auf seine ganz alten Tage, doch noch einmal in die Klemme geraten sollte, könnte er bei Ebay seine Ehrendoktorhüte und Medaillen versteigern. Es gibt nicht viele Menschen auf Erden, die existentiell weniger bedroht sind als Günter Grass. Ungeheuer oben thronend aber greint er, sobald ihm jemand widerspricht, daß man ihn zu vernichten trachte. Und dabei waren doch nur hier und da einige Zeitgenossen mit dem Tadel hervorgetreten, daß Grass die peinlichen Einzelheiten seiner militärischen Laufbahn befremdlich lange verheimlicht habe. Es gab Diskussionen darüber, ob ihm der eine oder andere Preis und der Status als Ehrenbürger seiner Heimatstadt aberkannt werden sollten. Ein Millionär, der solche Erwägungen als »existentiell bedrohlich« empfindet, spinnt.

    Als Vorkämpfer des Menschenrechts auf Redefreiheit reagiert Grass bemerkenswert eingeschnappt auf jede an ihm selbst geübte Kritik. In einem Interview mit KONKRET kanzelte er 1977 die Verfasser mißgünstiger Rezensionen seines Romans Der Butt als »Legion von Wadenbeißern und Wadenpissern« ab. Seine scharfe Kritik an der israelischen Außenpolitik aber ernannte er 2001 in einem Interview mit »Spiegel-online« zum »Freundschaftsdienst« und untersagte strengstens jeden Einwand: »Solche Kritik aber zu kritisieren – damit muss man aufhören.« Kritisieren darf zwar Grass die Menschheit, aber kein Mensch Grass.

    (…)

    Aber erst jetzt, nach seiner öffentlichen Beichte, ist Grass endlich auch andernorts in der Volksgemeinschaft angekommen. Nicht ohne Rührung nahmen sich auf der Leserbriefseite der »FAZ« einige Haudegen der Waffen-SS der Sache ihres Kameraden an. »Daß die Waffen-SS eine hervorragende Elitetruppe gewesen sei, ist durch damalige Soldaten der Gegenseite im Westen oft genug erklärt worden«, schrieb einer, und ein anderer bemerkte, im Kasernenhofton: »Die Schmutzausgießer über Grass sitzen mit vollem Bauch im Trockenen. Die sollten mal hilflos ein paar Tage ohne Wasser und Brot in den Trümmern Beiruts oder Bagdads zur Zeit ausharren. Die haben allesamt überhaupt keine Ahnung über was und wovon sie reden. Es ist Idiotie von Leuten, die keine Ahnung haben, was in Deutschland los war. Dummes Geschwafel … Was erwarten diese ulkigen Typen von einem jungen Deutschen, dem Brot und Bett, Vater und Mutter vom Feind gestohlen werden?«
    Solidarisch erklärte sich, gegenüber der »Stuttgarter Zeitung«, auch Martin Walser: »Der Mündigste aller Zeitgenossen kann sechzig Jahre lang nicht mitteilen, dass er ohne eigenes Zutun in die Waffen-SS geraten ist. Das wirft ein vernichtendes Licht auf unser Bewältigungsklima mit seinem normierten Denk- und Sprachgebrauch. Günter Grass hat durch die souveräne Platzierung seiner Mitteilung diesem aufpasserischen Moral-Klima eine Lektion erteilt. Dafür dürfen wir ihm dankbar sein. Was es ihn gekostet haben mag, so lange zu schweigen, als hätte er etwas zu verschweigen, könnte ja den Hütern der Klischees zum Denk-Anlaß werden.« In die Elitetruppe des Größten Führers aller Zeiten war der Mündigste aller Zeitgenossen zwar nicht gänzlich ohne eigenes Zutun geraten, aber daß dem GröFaZ sein MündaZ durch die souveräne Plazierung seiner Mitteilung in der »FAZ« zu einem gewissen Klimawandel beigetragen hat, könnte stimmen. So sieht es ein Kommentator der »Welt«: »Günter Grass’ Bekenntnis fügt sich in eine Serie von Enthüllungen, die vor allem die Diskussionen über die Vergangenheitsbewältigung in der alten Bundesrepublik in Frage stellt: Wer die eigene Verstricktheit verschweigt, relativiert und verfälscht, kann schwerlich eben dieses anderen vorwerfen. Die Geschichte muss nicht umgeschrieben werden – wohl aber viele harsche Urteile über den Umgang mit der braunen Vergangenheit in der Bundesrepublik.«
    Weil Günter Grass in der Waffen-SS war, müßte, nach dieser Logik, das harsche Urteil über Hans Globke revidiert werden, der 1937 die Nürnberger Rassengesetze kommentiert und 1949 ff. als Ministerialdirigent und als Staatssekretär im Bundeskanzleramt Karriere gemacht hat. Und es wäre auch der Marinerichter und Ministerpräsident a. D. Hans Karl Filbinger zu rehabilitieren. Der Historiker Arnulf Baring scheint sich schon darauf zu freuen: »Ich vermute, der Fall Grass wird zu einem gelassenen und damit gerechteren Urteil über die Verstrickung vieler Deutscher in den Nationalsozialismus führen.« Denn es hatten doch, Herrgott, fast alle irgendwelchen Dreck am Stecken, und es wird Zeit, daß Deutschland Frieden mit seiner Vergangenheit schließt. »Wir schaffen es / ohne Waffen-SS«, hat Wolfgang Neuss einst angenommen. Den nächsten Schritt, den schaffen wir auch mit. Das, immerhin, »steht der Zwiebelhaut engzeilig eingeschrieben« (Günter Grass).

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  14. 17. Dezember 2012 13:01

    Golfkrieg 1991:

    Leserbrief im Deutschland-Magazin »Spiegel«:
    Admiral Schmähling hat ausgesprochen, was Millionen Deutsche kaum zu denken wagen! Dieser Krieg ist ein schmutziger Krieg, und er ist nicht unser Krieg. Kein deutscher Soldat darf in eine solche »Veranstaltung« hineingezogen werden! Und unsere ausgabefreudige Regierung sollte endlich den Geldhahn radikal zudrehen. Wir haben genug finanzielle Probleme, um unseren »Brüdern und Schwestern im Osten« ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.

    Flugschrift Radikale Linke (herausgegeben von Thomas Ebermann, Jutta Ditfurth, Marianne von Ilten, Jan Kuhnert, Heiner Möller, Belinde Stieve, Rainer Trampert, Winfried Wolf, Manfred Zieran):
    Wir glauben Hermann L. Gremliza aufs Wort. Nach den Zeiten des Burgfriedens mit Bild, Kohl, Generälen, US-Imperialismus, Israel, Löwenthal wird er die beschimpfen wie ein Rohrspatz. Darauf kommt es an. Eine Demokratie braucht ihre Kritiker, die in der Stunde des Krieges ihre Kritik auch mal Kritik sein lassen und die für die Kriegsmobilisierung auch mal propagandistisch einen Kinderhort in Frankfurt hochgehen lassen.

    Dazu Gremliza in seiner Kolumne (Konkret 4/91) „Mein Krieg“:

    ( …) Um nicht ungerecht zu sein: Es bot der Golfkrieg manchem Oppositionellen Gelegenheit, sich von einer schlechtbehausten Vergangenheit zu verabschieden und endlich den Arsch an die Heizung zu bekommen. Ehemaligen Funktionären der grünen Partei, die ihre engsten Freunde an die Realpolitik verloren haben und die deshalb ihren paar verbliebenen Genossen so wenig über den Weg trauen wie gegebenenfalls sich selber, muß wohl nachgesehen werden, daß jede Erwägung, die vom vorerst letzten Konsenspapier abweicht, sie in Panik versetzt. Und natürlich muß, wer weiß oder doch spürt, daß er selbst politisch ganz und garnichts bewegt, einen Autor, der wenigstens über eine kleine Monatsschrift gebietet, für einen der Mächtigen im Lande halten, dessen Kritik an der deutschen Friedensbewegung nur noch mit der Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD im Jahre 1914 verglichen werden kann – mit dem weiteren Gewinn, daß, ist Gremliza erst einmal ein Noske, sein linksradikaler Kritiker nicht mehr in den abgesägten Hosen eines gescheiterten Ökopaxen dasteht sondern geradezu als Märtyrer der Revolution (Flugschrift: »Wer sich als GegnerIn von imperialistischen Kriegen in eine sozialistische Tradition begeben möchte, muß sich … auf eine winzige Sekte um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht herum berufen«). Dem Manfred Zieran haben wir`s geschworen, der Jutta Ditfurth reichen wir die Hand…

    Man könnte meinen, daß wir es hier mit einem jener vorübergehenden Anfälle linksradikaler Idealpolitik zu tun haben, die das Milieu als Ersatz für Mutti, Selbsterfahrungsgruppe und elektrische Eisenbahn ab und zu braucht. Leider ist es schlimmer, und um das zu erklären, muß ich kurz repetieren, was den Anfall ausgelöst hat. Ich hatte geschrieben:

    »Der Krieg am Golf (ist) der erste jener vorhersehbaren Dritte-Welt-Kriege, in denen der endlich vereinigte Norden seine Ordnung gegen den Süden durchsetzen wird«; der Krieg werde »aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen« geführt; es gebe nur einen »einzig vertretbaren Kriegsgrund«: den Irak der Fähigkeit zu berauben, »Israel – wie von Saddam angekündigt – anzugreifen und zu liquidieren«.

    Saddams Ankündigung ließ sich nicht bestreiten. Hätte sich beweisen lassen, daß er zu ihrer Realisierung weder ernsthaft bereit noch in der Lage war, wäre der von mir genannte »einzig vertretbare Kriegsgrund« entfallen (und mit ihm der »Kriegstreiber« G.). Nun wird in der linksradikalen Flugschrift zwar auch über die mangelnde Angriffsfähigkeit des Irak räsoniert, doch eher nebenbei. Im Zentrum steht ein anderer Aggressor: »Israel, nicht irgendein arabischer Staat, hat als erstes Massenvernichtungswaffen in dieser Region eingeführt … Die irakischen Scud-Raketen auf Israel … waren nicht Ausdruck einer Kampfoffensive gegen Israel, sondern Antworten … Die Bedrohung der israelischen Zivilbevölkerung, die Opfer durch Raketen und Giftgas made in Germany sind Folge und nicht Ursache des Krieges und daher von … der israelischen Regierung mitzuverantworten.«

    »Die Scud-Raketen waren nicht Ausdruck einer Kampfoffensive« – endlich erfährt man, zu welchem Zweck die Szene sich diese Nonsens-Sprache (»Ausdruck von …«) zugelegt hat: um, bei Bedarf, den Bock zum Ausdruck des Gärtners machen und sagen zu können, daß wieder einmal die Juden damit begonnen haben, sich umzubringen. Es stand in Schönhubers Pressedienst: »Wegen diesem wenig aufgeklärten Umgang mit unserer Verantwortung in dieser Frage haben Demagogen wie Broder auf der Schuld-Klaviatur ein leichtes Spiel.« Es stand übrigens nicht bei Schönhuber, es steht in der »Flugschrift Radikale Linke«.

    Aber nein, die radikale Linke ist nicht antisemitisch, sie räumt, allerdings, wie zugegeben wird, erst seit kurzem, Israel sogar ein »Existenzrecht« ein, ja sie geht noch weiter: »Dabei steht eines außer Zweifel: das Selbstverteidigungsrecht gegen Raketenangriffe.« Damit der linksradikale Autor sich aber nicht gleich selber als Kriegstreiber denunzieren muß, stellt er drei Bedingungen: Israel muß erstens wirklich angegriffen werden und darf sich nicht, siehe oben, selbst beschießen; Israel muß sich, zweitens, allein verteidigen, ohne jede fremde Hilfe, die nach Lage der Dinge nur eine imperialistische sein könnte; und drittens dürfen Israel von denen, die den arabischen Nachbarn Raketen und Giftgas geliefert haben, keine Abwehrwaffen zur Verfügung gestellt werden – dann steht für die deutsche radikale Linke das Selbstverteidigungsrecht, wie gesagt, außer Zweifel, und, wenn Israel das überlebt, auch sein »Existenzrecht«. So nett können wir zu Juden sein.

    PS: Wer den Satz geschrieben hat, ich sei bereit, »für die Kriegsmobilisierung auch mal propagandistisch einen Kinderhort in Frankfurt hochgehen zu lassen«, kann sich aussuchen, wofür ich ihn halten soll: für einen Analphabeten oder einen Drecksack.

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    • 17. Dezember 2012 14:26

      So fing die Debatte, die bis heute andauert, über linken Antisemitismus an. Wolfgang Pohrt und Eike Geisel hatten Gremliza offensichtlich davon überzeugt, dass linker Antisemitismus nun zum Hauptthema von Konkret werden sollte. 30 bis 40 Prozent der Konkret-Abonnenten kündigten ihr Abo. Gremliza- und Pohrt-Kritiker wie Tolmein, Trampert und Ebermann kamen weiterhin in Konkret zu Wort. Auch der ein oder andere von ihnen beschäftigte sich nun mit linkem Antisemitismus. Selbst Rainer Trampert, der noch zu den Mitherausgebern der linksradikalen Flugschrift von 1991 gehörte, thematisierte vor kurzem den Antisemitismus von Jakob Augstein.

      Konkret-Leser wissen mehr.

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    • 17. Dezember 2012 14:36

      „Und natürlich muß, wer weiß oder doch spürt, daß er selbst politisch ganz und garnichts bewegt, einen Autor, der wenigstens über eine kleine Monatsschrift gebietet, für einen der Mächtigen im Lande halten, dessen Kritik an der deutschen Friedensbewegung nur noch mit der Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD im Jahre 1914 verglichen werden kann – mit dem weiteren Gewinn, daß, ist Gremliza erst einmal ein Noske, sein linksradikaler Kritiker nicht mehr in den abgesägten Hosen eines gescheiterten Ökopaxen dasteht sondern geradezu als Märtyrer der Revolution“

      Eine immer wieder sich wiederholende Geschichte…

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    • 17. Dezember 2012 22:11

      Sehr schön finde ich, daß, wer wirklich denkt, auch schreiben kann, was andere nicht denken mögen, vor lauter Hosen voll: „Und natürlich muß, wer weiß oder doch spürt, daß er selbst politisch ganz und garnichts bewegt, einen Autor, der wenigstens über eine kleine Monatsschrift gebietet, für einen der Mächtigen im Lande halten, dessen Kritik an der deutschen Friedensbewegung nur noch mit der Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD im Jahre 1914 verglichen werden kann …“ Der rote Kindergarten ist ja sogar BILDkompatibel. Und grün zweimal die Woche aufgetischt dort der braune Spinat. Gaumenbildungsoffensive. Patschepatschepatschelor.

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  15. 27. Januar 2013 00:12

    Danke für den vortrefflichen Artikel!

    Briegleb hat mit größter akademischer Sorgfalt 15 Jahre an dem Buch gearbeitet. „Mißachtung und Tabu“ sorgte nach seinem Erscheinen für größte Aufregung. Die „Jungdeutschen“ fühlten sich provoziert und die damaligen Abwehrreaktionen ähneln gegenwärtigen Debatten.

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    • 28. Januar 2013 13:12

      Gerne und danke sehr.

      Antisemitismuskritiker haben es schwer in Deutschland. Ein uraltes Phänomen. Daran wird sich vermutlich auch in den nächsten tausend Jahren nichts ändern.

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  16. Martina Albrecht permalink
    29. Januar 2013 14:29

    Wer gefährdet den Weltfrieden? Die patriarchale Gesellschaft und ihre symbiotisch verbundene Selbsterhöhung. Herr Augstein steht stellvertretend für die verkrampfte intellektuelle Stimme, für eine quasi innere Leere in der Gesellschaft die überwunden werden will. Älteste Feindbilder werden zur Befreiung herbei zitiert: Juden und Frauen.

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  17. Gudrun Weber permalink
    3. Februar 2013 22:16

    Hans Werner Richter hat Tagebuch geführt.

    http://www.chbeck.de/Richter-Werner-Mittendrin/productview.aspx?product=10267779&PTBUCH=BUCH

    30.9.[19]66 In «Neues Deutschland» steht der Satz von Christian Geissler
    aus einer Rede auf der Frankfurter Buchmesse: «In diesem Zusammenhang
    kritisierte er (Geissler) auch die westdeutsche Schrift stellergruppe
    47 (zu der u. a. Hans Werner Richter und Günter Grass gehören).
    In ihr würge der Antikommunismus die moralische Substanz ab. Ohne
    die Fessel, ohne die Zündschnur, ohne das Netz des Antikommunismus
    wäre aus Princeton 6615 ein einziger Akt intellektueller Empörung geworden,
    eine Woche schärfsten Protestes gegen Mord und Totschlag.»
    Schade, daß Geissler in Princeton nicht dabei war. Woher mag er nur seine
    Informationen nehmen? Hätte die DDR die von mir eingeladenen Autoren
    fahren lassen, vielleicht wäre es dann zu einem «Akt intellektueller Empörung
    » gekommen. Aber die DDR ließ sie nicht fahren trotz der amerikanischen
    Einreisegenehmigung. Wußte Geissler das nicht oder will er es
    nicht wissen. Hier schlug der Kommunismus sich selbst ins Gesicht. Wer betreibt den Antikommunismus? Ist Hermlin ein Antikommunist?

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  18. Karin Halmer permalink
    18. April 2013 00:30

    Nachdem Hermann Kesten der Gruppe vorwarf, sie würde antisemitischen Vorbildern nacheifern schreibt der Gruppenchef Hans Werner Richter am 25. Januar 1961 in einem Brief: „Kesten ist Jude und wo kommen wir hin, wenn wir jetzt die Vergangenheit untereinander austragen, d.h. ich rechne Kesten nicht zu uns zugehörig, aber er empfindet es so. Wie aber soll man diesem eitlen und so von sich überzeugten Mann beibringen, welches Unheil er anrichtet?“

    Diese vielsagende und erschreckende Aussage von Richter steht für die Tendenz nicht nur der Gruppe in dieser Zeit.

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  19. 18. September 2013 14:35

    Marcel Reich-Ranicki ist heute im Alter von 93 Jahren in Frankfurt am Main gestorben. Sein Buch „Mein Leben“ gehört aus meiner Sicht zu den wichtigsten Autobiographien unserer Zeit.

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    • 18. September 2013 20:30

      Ich war nicht immer seiner Meinung, aber, als er 2008 zur Verleihung des Fernsehpreises an ihn, diesen zurückwies, und wie er ihn zurückwies, das gefiel mir außerordentlich, was ich ihm auch per Mail mitteilte. Dass seine damalige Skepsis, das Gespäch mit den Intendaten, angebracht war, hat sich bewahrheitet… schade um solche Menschen, die immer rarer werden.

      lg LL

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  20. Peter Ammer permalink
    20. September 2013 11:12

    „….Ich hatte gehofft, er würde es als schweren Fehler bezeichnen, dass Deutsche nicht gegen die Lieferung von Giftgas und dessen Verwendung für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen demonstrierten und stattdessen lauthals den Krieg gegen einen grausamen Diktator anprangerten, doch er sagte nichts dergleichen. Das Argument, dass alle Kriege unmoralisch sind, macht mir mehr Angst als hundert Haiders in Wien oder hundert Aufmärsche von Skinheads mit auftätowierten Hakenkreuzen„

    Wie sich doch die Zeiten gleichen. Von 1990 bis 2013 sowenig Veränderung. Die Mörder morden weiterhin ungestört, siehe Syrien. Am 8. Juni 2013 ist Yoram Kaniuk in Tel Aviv gestorben, nun ist ihm Marcel Reich-Ranicki gefolgt. Grass und die Seinen werden weiterhin ihre Gedichte schreiben. Sehr traurig. Hoffnung machen Artikel wie dieser.

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  21. 21. Januar 2014 11:23

    Herzlichen Dank für diesen tollen, wichtigen Text!

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  22. Konrad Lund permalink
    31. Januar 2014 11:42

    Vor einer Woche las Günter Grass in Osnabrück aus dem Roman „Hundejahre“. Grass wurde vom Publikum gefeiert. Unangenehme Fragen zu früheren Zeiten wurden nicht gestellt.

    Leo Ginster veröffentlichte im Juli 2004 eine Analyse des Verhältnisses von Grass zu Auschwitz, Juden und Israel. Er beschreibt eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen dem israelischen Schriftsteller und Friedensaktivisten Yoram Kaniuk mit Grass während des Golfkriegs von 1991. Israel war damals von irakischen Scud-Raketen bedroht, die mit Giftgas aus Deutschland gefüllt sein könnten. Ginster schreibt: „Grass reagiert hochgereizt auf die Frage, wo er war, als jüdische Demonstranten vor den Toren deutscher Chemiekonzerne standen. Er spricht fortan an Kaniuk vorbei zum Publikum, erwähnt immer wieder die Palästinenser und stellt die Parole „Blut für Öl“ in den Raum. Kaniuk erinnert sich: „…nach etwa zwanzig Minuten also kam der Junge zum Vorschein, der einst der Hitlerjugend angehört, jener junge Mann, der tieffliegende amerikanische Flugzeuge beschossen hatte; die Blechtrommel verwandelte sich in jemand anderen, in eine Stahltrommel vielleicht … Zum Schluss fiel alles ab und wurde vom Winde verweht, wir blieben dort nackt, ich war mein Großvater, er sein Großvater, der Deutsche gegen den Juden.“

    „Wie antisemitisch ist Günter Grass?“ fragt Ginster. 1971 schrieb Grass gemäß dem antisemitischen Prinzip, dass die Juden an ihrem Unglück selber schuld seien: „So hat Israel durch die schleichende Annexion der besetzten Gebiete den arabischen Staaten einen Vorwand für deren Angriff geliefert.“ Präsident Ahmadinidschad will seit vergangenem Herbst Israel von der Landkarte löschen. Der Israelfreund Günter Grass kam jedoch dem iranischen Präsidenten bei Spiegel-Online schon im Oktober 2001 zuvor: „Israel muss aber nicht nur die besetzten Gebiete räumen. Auch die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedelung ist eine kriminelle Handlung. Das muss nicht nur aufhören, sondern rückgängig gemacht werden.“

    Im gleichen Interview schwang der kritikfreudige Grass auch eine andere Keule: „Es ist für mich auch ein Freundschaftsbeweis Israel gegenüber, dass ich es mir erlaube, das Land zu kritisieren – weil ich ihm helfen will … Solche Kritik aber zu kritisieren – damit muss man aufhören…“ Es fehlte nicht einmal das klassische antisemitische Klischee mit Hinweis auf die alttestamentarische Rachsucht der Juden: „Aber dieses Auge um Auge, Zahn um Zahn der gegenwärtigen Politik schaukelt allen Zorn nur noch weiter hoch.“ Yoram Kaniuk bemerkte nur zufällig die wahre „politische Stoßrichtung“ des Grass-Buches über die gesunkene Wilhlem Gustlof, jenes Buch, mit dem die Deutschen vom „Täter“ zum „Opfer“ gewandelt wurden. „Grass behauptet, dass ein gewisser David Frankfurter einst den Nazi Wilhelm Gustloff tötete, der dann zum Symbol und Märtyrer der Deutschen wurde und nach dem das Schiff benannt wurde.“ Gemäß Grass sei der Jude Frankfurter nach dem Krieg nach Israel geflüchtet und dort im Verteidigungsministerium angestellt worden. Kaniuk schreibt: „Der Plot gemäß Grass lautet also: erst einen Nazi töten, dann flüchten, dann Araber töten. Das ist Grass. Jetzt habe ich selbst noch mal nachgeforscht: Frankfurter ging nach Israel und arbeitete er für die „Jewish Agency“ und half jüdischen Flüchtlingen.“ Kaniuk bezichtigt Grass „die Geschichte absichtsvoll umgelogen. Da begriff ich, was für ein mieser Lügner dieser Grass ist.“

    http://www.hagalil.com/archiv/2006/08/grass.htm

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  23. 26. Februar 2014 17:04

    Zentral für Adornos Argumentation in »Schuld und Abwehr« ist die Annahme, dass in der deutschen Nachkriegsgesellschaft unbewusste Schuldgefühle existierten. Man könne, so Adorno, »von der Annahme ausgehen, dass tatsächlich etwas wie eine latente Erfahrung von der Schuld vorliegt und dass diese Erfahrung verdrängt und rationalisiert« werde. (4) Da es sich um eine »latente«, nichtbewusste Empfindung handle, werde sie als ein unangenehmes Gefühl wahrgenommen, das abgewehrt würde. Zugleich richte sich die Abwehr gegen Personen, die als »Repräsentanten oder Verkörperungen einer unerwünschten und verdrängten Erinnerung« gelten und abgewehrte Gefühle hervorrufen könnten, Überlebende der Shoah oder allgemeiner Jüdinnen und Juden. (5) Die Schuldgefühle resultierten nicht nur aus einer persönlichen Beteiligung an der Vernichtungspolitik. Auch die Kinder der Tätergeneration konnten sich für die Verbrechen ihrer Eltern latent schuldig fühlen. Nicht einmal eine direkte familiäre Beziehung war eine notwendige Voraussetzung. Es genügte, wie Adorno ausführt, die »mehr oder minder blinde Identifikation mit der Nation«, weshalb »Schuld und Abwehr« auch die »Gewalt dieser Identifikationsmechanismen« behandelt. (6) Eine Identifikation mit dem nationalen Kollektiv beschreibt in »Jahrestage« auch Gesine Cresspahl: »Betroffen war die eigene Gruppe: ich mag zwölf Jahre alt sein, ich gehöre zu einer nationalen Gruppe, die eine andere Gruppe abgeschlachtet hat in zu großer Zahl (einem Kind wäre schon ein einziges Opfer als Anblick zuviel gewesen).« (28. Oktober 1967)

    Die Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer »Aufarbeitung der Vergangenheit« beschäftigten während der fünfzigerer und sechziger Jahre viele Intellektuelle in Deutschland. Nicht erst Ralph Giordano schrieb 1987 von einer »zweiten Schuld«. Schon Hubert Fichte betitelte eine Sammlung von Porträts und Interviews, die er in den sechziger Jahren niedergeschrieben hatte, die allerdings erst posthum erschien, mit »Die zweite Schuld«. (7) Die Schuldabwehr war bei den deutschen Nachkriegsintellektuellen nicht nur ein Thema, über das sie schrieben, sondern sie war, wie Klaus Briegleb am Beispiel der Gruppe 47 zeigt, auch ihr Problem. Briegleb wirft der Gruppe 47, zu der neben Günter Grass und Martin Walser auch Uwe Johnson gehörte, nicht vor, dass sie Antisemiten, wie man sie bis dahin kannte, gewesen seien. Er betont, dass es sich bei ihrer Haltung nicht um den alten nationalsozialistischen Judenhass gehandelt habe, sondern um einen »besonderen deutschen Antisemitismus nach der Shoah«, an dem die Gruppe 47 »aus der Position einer angemaßten moralischen Unbescholtenheit und Sprecherkompetenz heraus mitgewirkt« habe – auf der Basis einer weit verbreiteten Verdrängung der Vergangenheit. (8) Wie zum Beweis für Brieglebs These brachte sich Grass 2012 ins Gespräch, als er in seinem Gedicht »Was gesagt werden muss« phantasierte, ein Militärschlag Israels gegen Iran würde das »iranische Volk auslöschen« und »uns« zu Überlebenden, »allenfalls Fußnoten« der Geschichte, machen. (9) Grass ist während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS gewesen, hatte dies aber bis ins 21. Jahrhundert verheimlicht.

    http://jungle-world.com/artikel/2014/08/49396.html

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  24. Karin Daim permalink
    30. Mai 2014 10:35

    Mit der Demokratie wär es schnell vorbei, wenn die selbsternannten Moralisten an die Macht kommen. Nach denen der Stalinismus eine feine Sache war. Ihr seid Ewig-Gestrige

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  25. Gerda Dahl permalink
    22. November 2014 00:13

    Danke schön für den spannenden und informativen Beitrag. Die Anhänger von Grass können einem leid tun.

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  26. 13. April 2015 19:39

    Dieser Text ist ein wichtiges und informatives Gegengewicht zu den heutigen Verklärungen der „Jahrhundertfigur“.

    Schönen Dank.

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  27. 30. April 2015 14:29

    Den Artikel finde ich nicht gut. Er ist parteiisch und ungenau.
    Sind nicht auch Araber Semiten?? Warum gebraucht der Schreiber dieses veraltete Wort? Oder will er implizieren, dass man heute für die Juden, aber gegen die Araber ist?

    Wie auch immer, geht es sehr weit, Grass (den ich nicht mag) , die Gruppe 47 und Walser als ‚Antisemiten‘ zu bezeichnen. Egal, was sie gesagt, getan haben und wie alt sie damals waren!

    Echten Antisemitismus gibt es in Europa bestimmt, z. B. bei dem Verfasser dieses Artikels. Grossman hat etwas Kluges gesagt, und er ist bestimmt KEIN Israeli, der prinzipiell für den unsäglichen Netanjahu ist. Klar nennen viele Araber Israelis Juden, denn sie sind gegen Israel und sind dennoch keine Atijuden. Ich bin auch gegen die Gründung Israels, finde ich doch, nach dem Krieg hätte man die Juden aufnehmen müssen, ein Land abgeben sollen etc. Ein fremdes Land besetzen ist gar zu einfach! Und sich dann (nachdem man erstmal fast alle Juden ausgerottet hat) als Judenfreund zu bezeichnen ist noch einfacher!

    Ich bin links, ja, doch die Haltung der europäischen Linken gegenüber Juden und Irak und Saddam finde ich nur falsch. Aber auch, dass Israel fast alle arabischen Juden zu sich holte. Das finde ich krank! Jedes Land mit mehreren Religionen profitiert doch von der Vielfalt!!!

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    • 30. April 2015 15:45

      Über die Herkunft des Begriffes Antisemitismus sollten sie sich vorab einmal in Wikipedia informieren. Was an dem Artikel antisemitisch sein soll bleibt ihr Geheimnis.
      Sie sind also gegen die Gründung Israels, schreiben von fremdem Land, das besetzt wurde. Wem gehörte denn das Land vorher? Wissen Sie nicht dass es nie einen arabischen Palästinenserstaat gab? Rund 800.000 Juden wurden 1948 aus den arabischen Staaten vertrieben. Informieren Sie sich doch bitte erst einmal bevor sie einen Kommentar schreiben.

      Über die Gründung Israels können Sie sich hier informieren:
      Vom Zerfall des Osmanischen Reiches bis zur Gründung Israels

      Über den arabischen Antisemitismus hier:
      Aufruf zum Judenmord und deutsches Schweigen

      Ich fürchte jedoch bei ihnen ist Hopfen und Malz verloren
      Sie sind so blank, dass es einem angst und bange wird.

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    • nussknacker56 permalink
      30. April 2015 23:35

      Ich dachte bislang, die NZZ sei eine halbwegs seriöse Zeitung, die auch bei der Wahl ihrer Mitarbeiter eine gewisse Sorgfalt walten lässt. Doch nach obigem Geschreibsel zu urteilen, scheint das Niveau dieser Zeitung nach unten hin völlig offen zu sein.

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  28. 19. Mai 2015 16:10

    50 Rosen für Beate Klarsfeld: Heinrich Böll und Günter Grass

    Ich möchte zur Ohrfeige Kiesingers und der bundesdeutschen Diskussion hierzu zurück kommen. Genauer: Zu den sehr unterschiedlichen Art, wie die beiden Schriftsteller Heinrich Böll und Günter Grass hierauf reagierten. Ein Lehrstück deutscher (Verarbeitungs)-Geschichte, das ich früher schon einmal erzählt habe.

    Nach der Veröffentlichung seines Israel-„Gedichtes“ hatte Klarsfeld Günter Grass in scharfen Worten angegriffen. Sie warf ihm in seinem „Gedicht“ eine „Hitler-Analogie“ vor. Die ZEIT bemerkt hierzu: „In einer Mitteilung zitierte Klarsfeld aus einer Drohrede, die Hitler 1939 gegen “das internationale Finanzjudentum” gehalten habe. Wenn man den Ausdruck “das internationale Finanzjudentum” durch “Israel” ersetze, “dann werden wir von dem Blechtrommelspieler (…) die gleiche antisemitische Musik hören” wie einst von Hitler, schrieb Klarsfeld.

    Diese scharfe Kritik hatte eine lange Vorgeschichte: Als Beate Klarsfeld Kiesinger wegen dessen Nazi-Vergangenheit eine Ohrfeige verabreichte hatte dies höchst unterschiedliche Reaktionen zur Folge – auch unter deutschen Schriftstellern. Heinrich Böll schickte ihr spontan 50 rote Rosen.

    Das ehemalige SS-Mitglied Günter Grass hingegen reagierte sehr heftig. Grass war zutiefst empört über diese junge, mit einem französischen Juden verheiratete Deutsche Beate Klarsfeld. Und ließ es sich nicht nehmen – im Einklang insbesondere mit der Springer-Presse der späten 68er Jahre -, dies auch öffentlich zu bekunden, seinem befreundeten Kollegen Heinrich Böll in den Rücken zu fallen. „Da kam eine junge Frau aus Paris gereist” – meldete sich Grass zu Wort -, “und ohrfeigte den Bundeskanzler öffentlich.” Nein, es bestehe kein Anlass, „Beate Klarsfeld rote Rosen zu schicken.”

    Heinrich Böll hingegen – 1959 Mitbegründer der Kölner Bibliothek Germania Judaica – , Anfeindungen gewohnt (wenn er diese wohl auch nicht von befreundeten Schriftstellerkollegen erwartet haben dürfte), konterte mit scharfer Ironie. Da Bölls Reaktion nahezu unbekannt und kaum auffindbar ist sei sie weitgehend ungekürzt wiedergegeben:

    “In recht schulmeisterlicher Weise hat Günter Grass in einer Rede, die die ZEIT abdruckte (…), festgestellt, es habe kein „Anlaß bestanden, Beate Klarsfeld Rosen zu schicken“. Nun, mir erscheint diese Feststellung ziemlich anmaßend, peinlich und, da öffentlich getan, ganz und gar fehl am Platze. Ich frage mich mit der mir zustehenden Bescheidenheit, ob es Günter Grass zusteht, festzustellen, ob und wann ich Anlass habe, einer Dame Blumen zu schicken. Ich hatte Anlaß und bin bereit, den Anlaß allen Schulmeistern unter meinen Kollegen öffentlich kundzutun. Ich war diese Blumen Beate Klarsfeld schuldig.

    Meiner ´Generation´ wegen, den Toten und den Überlebenden, unter den Überlebenden denen, die es sich nicht leisten können, Frau Klarsfeld via ´flower power´ ihre Sympathie auszudrücken, weil sie sonst ihre Posten als Volksschullehrer, Studienräte, Fernsehredakteure, Verlagsdirektoren verlören. (…) Ich bestimme selbst, ob ich Anlaß habe, einer Dame Blumen zu schicken. (…) Als ich von Frau Klarsfelds ´Tat´ hörte, war´s elf Uhr abends: eine relativ ungünstige Zeit, Blumen auf den Weg nach Paris zu schicken. Ich hatte also Zeit, mit meiner Familie zu diskutieren, darüber zu schlafen, beim Frühstück nochmals zu diskutieren, nachzudenken, und ließ dann noch drei Stunden vergehen, bevor ich meinen zweitältesten Sohn zum nächsten Blumenladen schickte, den Auftrag aufzugeben. Später habe ich Frau Klarsfeld noch einmal Blumen geschickt, und ich werde – Pardon! – ihr ein drittes Mal Blumen schicken, wenn ICH Anlaß dazu sehe.“

    aus: 50 Rosen für Beate Klarsfeld – und nun das Bundesverdienstkreuz
    http://www.hagalil.com/archiv/2015/05/18/klarsfeld-3/

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