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Fidel Castro ist tot

28. November 2016

fidelDer Comandante ist tot, er starb am 25. November 2016 im Alter von 90 Jahren friedlich in seinem Bett in Havanna. Die mythischen Rebellen um Fidel Castro wollten unter dem Einsatz ihres Lebens eine gerechtere und sozialere Welt. Der „Maximo Lider“ war wie Kuba ein Gefangener des Kalten Krieges und des antiimperialistischen Denkens dieser Zeit. Während des Kalten Krieges bekleckerten sich bekanntlich beide Supermächte nicht gerade mit Ruhm. Seit der Kubanischen Revolution bot das kleine Kuba mit Fidel Castro an der Spitze dem großen Gegenspieler aus dem Norden die Stirn und erreichte dabei bemerkenswerte soziale Erfolge, die bis heute von Mexiko über Haiti bis Chile seinesgleichen suchen. Ob Fidel Castros realpolitische Kontakte mit ölreichen Antisemiten wie Hugo Chavez oder Mahmoud Ahmadinejad alternativlos notwendig waren sei dahingestellt. Fidel Castro versuchte seine Revolution auch dadurch zu retten, dass er sich mit Figuren wie Saddam Hussein oder dem Papst sehen ließ. Unverzeihlich bleibt darüber hinaus der Einsatz von kubanischen Soldaten während des Jom-Kippur-Krieges 1973 gegen Israel. Kuba wird sich nach dem Tod Castros weiter öffnen und was von der Revolution übrig bleiben wird ist offen.

Geboren wurde Fidel Alejandro Castro Ruz am 13. August 1926 in Birán der Provinz Oriente Kubas als nichteheliches Kind des Zuckerrohrplantagenbesitzers Ángel Castro Argiz und dessen Hausköchin Lina Ruz González. Trotz des Reichtums der Familie kam der katholisch erzogene Fidel häufig mit der armen Landbevölkerung in Kontakt. 1945 begann Castro ein Jura-Studium an der Universität von Havanna, wo er im Jahr 1950 zum Doktor des Zivilrechts, Spezialgebiet Diplomaten- und Konsularrecht promovierte. In Havanna eröffnete Castro eine Rechtsanwaltskanzlei, die er bis 1953 führte. Bereits 1947 schloss er sich der Orthodoxen Partei von Eduardo Chibás an, die gegen die korrupte Regierung von Carlos Prío  eintrat.

Im Juni 1952 wollte Castro mit der Orthodoxen Partei bei den Parlamentswahlen antreten, doch der Putsch des Generals und späteren Massenmörders Fulgencio Batista verhinderte dieses Vorhaben. Kuba war vor und während der Diktatur Batistas das „Bordell“ der USA. Die USA kontrollierten 75% des Handels. Sie besaßen 90% der Minen des Landes und 50% des Bodens. Die Bevölkerung lebte in bitterer Armut, rund fünfzig Prozent waren mehr oder weniger Analphabeten und es gab kaum medizinische Versorgung. Ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung ist zu der Zeit dauerhaft arbeitslos. Besonders betroffen sind die Schwarzen und Mulatten, rund ein Viertel der damals 6,5 Millionen Einwohner. Die Landbewohner, die rund die Hälfte der Einwohner stellen sind am meisten benachteiligt. Sie leben in Palmhütten ohne Wasser und Strom. Über ein Drittel der Landbevölkerung leidet unter Mangelernährung und Parasitenerkrankungen. 27 Prozent der städtischen und 61 Prozent der Kinder vom Lande besuchen keine Schule.

Während Batistas Amtszeit wurden rund 20.000 Kubaner und Kubanerinnen, teilweise nach bestialischer Folter, von Batistas Schergen ermordet. Zur Einschüchterung der Bevölkerung wurden viele der Ermordeten aus Autos auf die belebten Straßen geworfen. Die meisten oppositionellen Gruppierungen, wurden verboten und von der Geheimpolizei Batistas erbarmungslos verfolgt. Batista ließ systematisch einsperren, foltern und morden. Das Organ der Großgrundbesitzer, die sogenannte Dorfpolizei, ging mit Gewalt und Willkür gegen die Bauern vor.

Fidel Castro organisierte eine bewaffnete Bewegung und ging in den Untergrund. Der Kern  seiner Mannschaft bestand aus Mitgliedern der „liberalen“ Ortodoxo Partei. Castro vermied enge Kontakte mit der PSP, die in Cuba relativ isoliert war. Zudem wollte er sich nicht der kommunistischen Partei unterordnen. Castro wollte kein diszipliniertes Mitglied der PSP sein, sah darin kaum eine Möglichkeit Verbesserungen für sein Land zu erreichen.

Am 26. Juni 1953 versuchte Fidel Castro mit 150 Männern und zwei Frauen die mit circa 700 Soldaten schwer bewaffnete, verhasste Moncada-Kaserne im Süden Kubas in Santiago de Cuba zu stürmen. Castro wollte mit der fast aussichtslosen Aktion, die zweitgrößte Kaserne Kubas zu überfallen, ein Fanal für einen landesweiten Aufstand auslösen und seine „Untergrundarmee“ mit Waffen versorgen. Um 5.15 Uhr früh machte sich eine Gruppe mit 111 Männer und Frauen auf den Weg zur Moncada Kaserne. Die zweite Gruppe bereitet einen Angriff auf die weiter westlich gelegene Kaserne „Carlos Manuel de Céspedes“ in Bayamo vor. Wegen des Karnevals rechnet Castro mit vielen betrunkenen Soldaten. Durch die Karnevalszüge und Umtriebe erreichen die Revolutionäre zu unterschiedlichen Zeiten die Kaserne. Eine Militärpatrouille fing bereits vor der Kaserne einige Männer ab. Die Aktion endet in Desaster und Chaos. Während des Angriffs sind 19 Soldaten und 9 Männer Castros zunächst umgekommen. 61 weitere Rebellen, darunter Castros Stellvertreter Abel Santamaría Cuadrado werden nach ihrer Gefangennahme von den Soldaten auf grausamste Weise gefoltert und umgebracht. Ihnen werden Augen ausgestochen sowie die Genitalien und einzelne Gliedmaßen abgeschnitten. Castro kann mit einem kleinen Trupp  zunächst fliehen, wird aber nach fünf Tagen gestellt. Ein schwarzer Offizier, Pedro Manuel Sarria, rettet ihm das Leben, er kann verhindern dass Castro von den Regierungssoldaten gelyncht wird. Sarria wird kurz darauf deshalb zu einer Haftstrafe verurteilt. Die breite Öffentlichkeit war schockiert, und sogar in liberalen Kreisen wuchs die Sympathie für die jungen Männer um Fidel Castro, die bereit waren, für ihre Ziele das eigene Leben zu riskieren. Santiagos Erzbischof Enrique Pérez Serantes forderte ein Ende des Massakers und erreichte, dass die Rebellen vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Im folgenden Prozess wurden 29 Rebellen verurteilt, darunter Castros Bruder Raul zu 13 Jahren, während Fidel Castro zu 15 Jahren Haft verurteilt wird. Seine berühmt gewordene, frei gehaltene Verteidigungsrede, mit den Worten, „Verurteilt mich, das hat nichts zu bedeuten, die Geschichte wird mich freisprechen“, wird zum Manifest des „Castroismus“. Spätestens nach seinem Prozess war Castro „in aller Munde“ in Kuba. Castro kommt als Gefangener Nummer 3859 auf die Gefängnisinsel Isla de Pinos.

Am 15. Mai 1955, nach 19 Monaten Haft werden Castro und seine Leute auf Druck der Öffentlichkeit und einer Generalamnestie aus der Haft vorzeitig entlassen. Kurz darauf gründete Fidel Castro die Bewegung des 26. Juli, M-26-7. Am 7. Juli verlässt Castro Kuba in Richtung Mexiko, nachdem ein Mordanschlag auf ihn, befohlen von Batista scheiterte. Kurz nachdem Castro in Mexiko angekommen ist, trifft er den argentinischen Arzt und Marxisten Ernesto Guevara. Am 2. Dezember 1956 kehrten Fidel und Raúl Castro zusammen mit Che Guevara und weiteren 82 Revolutionären auf der Yacht Granma nach Kuba zurück. Die Tage nach der Landung überleben nur 17 Männer. Alle übrigen waren, nachdem sie gefangen genommen und gefoltert wurden, tot. Dieser Gruppe von 17 Rebellen schlossen sich immer mehr Bauern und Bewohner Kubas an, weshalb sie Batistas Armee innerhalb von wenigen Jahren besiegen konnten.

Als entscheidende Schlacht gilt der Kampf um Santa Clara.  Mit Camilo Cienfuegos und der  zweiten Kolonne griff Che Guevaras den Tren Blindado an, einen von Batista gepanzerten Zug voller Waffen und Munition. Mit einem Täuschungsmanöver überfiel Guevara mit seinen zahlenmäßig weit unterlegenen Kämpfern den Zug, wobei kein, auch kein gegnerischer Soldat ums Leben kam. Am Morgen des 1. Januar 1959 floh Batista in die Dominikanische Republik und am Abend verkündete Fidel Castro in Santiago de Cuba vom blauen Balkon den Sieg der Revolution.

Nach dem Sieg der Revolution kam es zur „Großen Abrechnung“, zu den Schnellgerichtsverfahren gegen die Folterer der Batista-Diktatur, welche von der Bevölkerung und den Medien damals vehement gefordert wurden. In den Medien wurde täglich über neue geheime Friedhöfe, die Ermordung unbewaffneter Jugendlicher und Vergewaltigungen durch das Batista-Regime berichtet. Castro verglich die Verbrecher der Batista-Diktatur mit den Angeklagten der „Nürnberger Prozesse.“ Wie in den „Nürnberger Prozessen“ und den alliierten Militärgerichten kam es zu vielen Todesurteilen. Die Art und Weise wie diese Schauprozesse initiiert und durchgeführt wurden bezeichnete Fidel Castro lange Zeit später als einen schweren Fehler. Vor und lange Zeit nach 1959 war die kubanische Gesellschaft schwulenfeindlich und die kubanischen Revolutionäre begegneten den Homosexuellen dementsprechend, auch dafür übernahm Castro Jahrzehnte später, die Schuld eingestehend, die Verantwortung.

In den ersten Monaten des Jahres 1959 werden beinahe 1500 Gesetze, Dekrete und Erlasse verabschiedet. Mit der Reform des Wohnungswesens wurden die Mieten drastisch gesenkt. Durch eine Landreform wurden Großgrundbesitzer enteignet und Kleinbauern wurde Land zugewiesen. Amerikanische Firmen wurden enteignet, unter Batistas von Politikern und Militärs unter zweifelhaften Umständen erworbenes Eigentum wurde konfisziert. Private Stände mussten für die gesamte Öffentlichkeit geöffnet werden. Kurz darauf erlassen die USA ein Handels-, Wirtschafts- und Finanzembargo gegen Kuba, das in mehreren Schritten verschärft, teilweise wieder gelockert wurde und bis heute anhält. Neben der Aufhebung der Rassendiskriminierung kommt es zu umfangreichen Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen. Die Gleichberechtigung der Frau wird festgeschrieben. Alle Bevölkerungskreise erhalten einen gleichberechtigten, kostenlosen Zugang zur medizinischen Versorgung und zu einer angemessenen Bildung. Die große Alphabetisierungskampagne setzt 1961 ein und hat schnell Modellcharakter unter den Ländern der Dritten Welt.

Im jährlich herausgegeben Index der menschlichen Entwicklung (HDI) belegte Kuba beispielsweise 2014 Platz 44 auf dem Index und lag damit gleichauf mit Bahrain und vor Bulgarien, dass auf Platz 58 kam. Kuba hat nach der Kubanischen Revolution im Vergleich zum Rest Lateinamerikas und Teilen der restlichen Welt eine niedrigere Kindersterblichkeitsrate (4,9 von 1000 Kindern sterben), eine Lebenserwartung von 79,3 Jahren und praktisch keinen Analphabetismus. Im Gegensatz zu so gut wie allen mittel- und südamerikanischen Ländern gibt es in Kuba keine “Favelas.” Wenn es in der Region ein Land gibt, in dem Soziale Gerechtigkeit auf der Staatsagenda ganz oben steht, das ist es Kuba.

Von 1959 an gab es Sabotageakte und Bombenangriffe von den Gegnern der Revolution auf kubanische Kindergärten, Schulen, Industrieeinrichtungen, Lokalen oder anderen belebten Plätzen mit vielen zivilen Toten. Bis 1965 terroisierten von der CIA unterstützte Exil-Kubaner, vergleichbar wie später die islamistischen Mudhahedin in Afghanistan, die kubanische Zivilbevölkerung. Sechs Jahre lang operierten bis zu 5.000 Konterrevolutionäre unter der Führung von Eloy Gutierrez Menoyo, finanziert aus Miami im Escambray Gebirge in Zentralkuba gegen das neue Kuba. Aus USA kommend flogen wiederholt kleine Zivil-Flugzeuge Terrorangrife gegen Passanten und bombardierten Zuckerfabriken und Industrieanlagen. Beispielsweise flog der Exilkubaner Diaz Lanz bombend und schießend am 21. Oktober 199 einen kamikazeartigen Tieffliegerangriff auf Havanna und ermordet und verletzt dabei 47 Menschen. Mit dabei war höchstwahrscheilich der CIA Agent Frank Sturgis, der später bei verdeckten Operationen und Mordanschlägen im Verbund mit der amerikansichen Mafia gegen Fidel Castro noch von sich Reden machen sollte.

Der vorläufige Höhepunkt des Terrors war die Landung von 1.300 Exilkubanern am 17. April 1961 in der Schweinebucht Kubas. Unter den von den USA und deren US-Marine unterstützten Exilkubanern waren viele ehemalige Folterer des Batista-Regimes. Zuvor bombardierten am 15. April 1961 B-26-Flugzeuge der US Air Force drei kubanische Flugplätze. Die Invasion der USA scheiterte, die kubanischen Verteidiger verloren 161 Menschenleben, während 90 Exilkubaner ihr Leben verloren und über 1.000 gefangen genommen und später für rund  53 Millionen Doller von den USA freigekauft wurden. Nach dem Angriff in der Schweinebucht verstärkte Fidel Castro die kommunistische Ausrichtung der kubanischen Revolution.

Zur Verteidigung Kubas und auf Drängen Fidel Castros wollte die Sowjetunion kurz nach der Invasion in der Schweinebucht Atomsprengköpfe auf Kuba stationieren. Während die USA in Europa vor der Haustüre der Sowjetunion atomar bestückte Mittelstreckenraketen stationierte gestand sie der Sowjetunion im Gegenzug nicht dasselbe zu. Während des sowjetischen Schifftransports nach Kuba drohte die amerikanische Regierung unter Präsident John F. Kennedy, sie werde nötigenfalls Atomwaffen einsetzen, um die Stationierung der Atomraketen auf Kuba zu verhindern, was fast im 3. Weltkrieg endete. Die Sowjetunion gab nach und die USA beschränkten sich auf ihre geheimdienstlichen Mordversuche gegen Fidel Castro.

Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 verlor Kuba seinen wichtigsten Verbündeten und stand kurz vor dem Zusammenbruch, konnte sich doch durch einige Reformen und vor allem durch die Öffnung für den Tourismus über Wasser halten und wieder stabilisieren. Fidel Castros Reden fanden noch immer viele Anhänger. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Sieges der Revolution sagte Fidel Castro in Santiago de Cuba am 1. Januar 1999 unter anderem: „Die vorherrschende Ordnung hat zu kämpfen mit Inflation, Rezession, Deflation, möglichen Überproduktionskrisen, einem anhaltenden Sinken der Produkte des Grundbedarfs. So unendlich reiche Länder wie Saudi Arabien haben bereits Haushalts- und Handelsbilanzdefizite, obwohl sie acht Millionen Barrels Erdöl pro Tag exportieren. Die optimistischen Wachstumsprognosen lösen sich in Rauch auf. Es gibt nicht die geringste Vorstellung, wie die Probleme der Dritten Welt zu lösen sind. Welches Kapitalvermögen, welche Technologien, Vertriebsnetze, Exportkredite stehen den unterentwickelten Ländern zur Verfügung, mit denen sie sich Zutritt zu Märkten verschaffen, konkurrieren und exportieren könnten? Wo sind die Verbraucher ihrer Produkte? Wie können die Mittel für das Gesundheitswesen in Afrika bereitgestellt werden, wo 22 Millionen Menschen HIV-positiv sind und die Bekämpfung nur dieser einen Krankheit nach dem heutigen Preisniveau 200 Milliarden Dollar jährlich kosten würde? Wie viele werden noch sterben müssen, bis ein schützender Impfstoff oder ein die Krankheit heilendes Medikament zur Verfügung steht?  Sechs Milliarden Menschen leben auf diesem Planeten. Es ist fast sicher, daß es in nur fünfzig Jahren 9,5 Milliarden sein werden. Die Gewährleistung von Nahrungsmitteln, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Kleidung, Schuhwerk, Wohnraum, Trinkwasser, Elektrizität und Transport für eine derart große Anzahl von Menschen, die ausgerechnet in den ärmsten Ländern leben werden, wird eine kolossale Herausforderung sein. Man wird zuerst die Konsumptionsmuster definieren müssen, denn wir dürfen nicht weiterhin den Geschmack und den Lebensstil des Verschwendungsmodells der Industriegesellschaften nachahmen wollen. Das wäre Selbstmord. Die Entwicklung der Welt darf nicht den transnationalen Konzernen und den chaotischen Gesetzen des Marktes überlassen werden.“

Zwischen 1990 und 2000 war ich mehrere Male in Kuba. Die Sonne Kubas und das Meer an den Naturstränden von Cayo Saetía bleiben unvergesslich. Ich wunderte mich, selbst in den entlegensten Gebieten und in den einfachsten Häusern war Stromanschluss und ein rund um die Uhr laufender Fernseher obligatorisch. In Trinidad bewunderte ich die Lebenslust und die Feierlaune an einem Wochenende und sah den Alltag in den Randgebieten dieser Stadt. In Gesprächen mit jungen Kubanern in Santa Clara stellte ich eine beinahe religiöse Verehrung von Che Guevara fest. In Baracoia besuchte ich die Stelle, wo Christoph Kolumbus am 28. Oktober 1492 Kuba entdeckte und sprach dort und in anderen Orten mit oftmals kritischen Einheimischen über die Innenpolitik Kubas. Die jungen Kubaner verehrten Che Guevara und kritisierten Fidel Castro. Bemerkenswert bei den jungen Kritikern war, die ansonsten in vielen Dingen gute Argumente hatten, dass die kostenlose Bildung, die kostenlose medizinische Versorgung oder die kostenlose Antibabypille eine nicht erwähnenswerte Selbstverständlichkeit sei. Die älteren Kubaner dagegen waren in diesen Diskussionen ihrem „Maximo Lider“ und dessen Politik meist innig verbunden. Einig waren wir uns mehrheitlich, Kuba ist keine parlamentarische Demokratie und Reformen, demokratische Mitbestimmung wären bitter nötig. Kuba war aber auch nie eine Volksdemokratie nach östlichem Vorbild, mit Selbstschussanlagen und Stacheldraht. Während eines kurzen Abstechers nach Jamaika sah ich die soziale Ungleichheit und die Gewalt im Unterschied zur kubanischen Gesellschaft. Kurz vor meiner Ankunft wurde ein Jamaikaner wegen fünf Dollar ermordet, die Polizei machte darüber nicht viel Aufhebens, denn Gewalt und soziale Not ist in den Nachbarländern Kubas an der Tagesordnung. Nach meiner Rückkehr nach Kuba und einer anstrengenden Wanderung in der Sierra Maestra, teilweise geführt durch militärisches Gebiet und Stützpunkte der Revolution, kam ich nach Santiago de Cuba. Auf dem dortigen Friedhof Cementerio Santa Ifigenia befindet sich das Grabmal des Nationalhelden, Dichters und am  19. Mai 1895 gefallenen José Martí. Das 24 Meter hohe, aus weißem Kalkstein errichtete Mausoleum von José Martí ist so ausgerichtet dass die Sonne Kubas jeden Tag auf den Sarg Martís fällt.  Auf diese Weise folgte man einem Gedicht Martís, in dem er sagt, er wolle nicht wie ein Verräter im Dunkeln sterben, sondern mit dem Gesicht in der Sonne.

9 Kommentare leave one →
  1. Toni Mo permalink
    29. November 2016 00:41

    Castro hat Geschichte geschrieben. Die sozialen Errungenschaften will ich nicht in Abrede stellen. Kuba musste sich ständigen Angriffen aus den USA erwehren. Das Embargo war eine Katastrophe für Kuba. Zu kurz kommt meines Erachtens der Diktator Castro.

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  2. 29. November 2016 01:47

    Mario Vargas Llosaüber Castro:“Sein Tod wird einen Schneeball ins Rollen bringen wie der Tod von Stalin. Ohne den Diktator wird das Regime auf Dauer kaum überleben. Ich glaube nicht, dass Fidel als Mythos, Legende oder Titelheld ersetzbar ist. Die Kontroll-und Herrschaftsstrukturen werden nach und nach aufbrechen. Wir können nur hoffen, dass dieser Prozess kurz und schmerzlos ist und dem kubanischen Volk nicht noch mehr Leid bringt“

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  3. 29. November 2016 08:57

    Du schreibst Kuba hat nach der Kubanischen Revolution eine Lebenserwartung von 79,3 Jahren und praktisch keinen Analphabetismus. Ich denke diese Werte sagen einiges aus. Ohne Fidel Castro und seine Revolution sähe es heute in Kuba aus wie in Haiti oder der Dominikanischen Republik. Bei aller Sturheit und allen Fehlern dieses Staatsmannes, das US-Embargo hat ihn zwangsläufig zur UDSSR getrieben, meinen Respekt vor dieser Lebensleistung.

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    • 29. November 2016 11:02

      Am Ende der Biographie über Fidel Castro von Volker Skierka ist zu lesen:

      Anders als andere Führer hat Castro sich offenbar nie von materiellen Motiven leiten lassen. Nicht nur die ihn zu kennen vorgaben, auch, Gegner glauben, dass er einer der wenigen absoluten Herrscher ist, die sich nicht an und in ihrem Amt bereichert und Millionen in die Schweiz transferiert haben.

      Wiederholt hat Castro erzählt, dass sein Lieblingsheld in der Literatur Cervantes‘ Don Quijote ist. Es ist, als wollte er damit die Weltgeschichte nachsichtig stimmen, wenn sie ihr Urteil über seine Zeit fällt. Und so kämpft er bis zum bitteren Ende unermüdlich gegen Windmühlenflügel an und kann damit nicht aufhören. «Wenn ich von vorn anfangen müsste, würde ich denselben revolutionären Weg wieder einschlagen. In kann keineswegs vollkommen mit dem zufrieden sein, was ich erreicht habe; ich werde immer das Gefühl haben, ich hätte es besser machen können. » Und er fügt hinzu, wie sich selbst zum Trost: «Auch Marti sagte, die Träume von heute seien die Wirklichkeit von morgen.»

      Doch nun ist es zu spät. Die letzten Worte, die Garcia Marquez seinen Helden und «Befreier» Bolivar auf dem Sterbelage an die Nachwelt diktieren lässt, sind denn auch frei von jeglicher Selbsttäuschung. «Wer sich der Revolution verschreibt, pflügt das Meer», konstatiert der «General in seinem Labyrinth, » trocken. Und weil er die Menschen kennt, sieht er völlig sarkastisch und ohne Pathos seinem Lebenswerk ein Schicksal beschieden, wie es Castro freilich nicht zu wünschen ist: «Dieses Land wird unweigerlich in die Hände einer enthemmten Masse geraten, um dann an verkappte kleine Tyrannen aller Farben und Rassen zu fallen.»

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  4. 29. November 2016 10:33

    Wenn sich Superliberale, Erzkonservative oder Batista-Anhänger über den Tod von Fidel Castro freuen kann ich das gut nachvollziehen. Die hungernden Kinder in Haiti, die 68 Millionen Obdachlosen in Lateinamerika, die Straßenkinder von Brasilien brauchen doch nur die Ärmel heraufstülpen und endlich vernünftig arbeiten dann werden sie auch sie ein prima Leben haben.

    Faszinierend bleibt wieder einmal die Linke mit seinen exklusiven Strömungen. Ich kann freilich verstehen, wer den Kalten Krieg, mit seiner eigenwilligen Berichterstattung, in Ost oder West nicht miterlebt hat, wer in seinem Leben noch nie etwas von der Truman-Doktrin, von United Fruit in Guatemala, von den Contras in Nicaragua, von Mac Arthur in Korea, vom Tonkin-Zwischenfall in Vietnam, usw. gehört hat oder wem der Unterschied zwischen SS-20 und Pershing nicht geläufig ist oder Pershing für eine neue englische Biermarke hält, dürfte sich kaum vorstellen können wie Politik in diesen Zeiten ausgesehen hat.

    In einer Zeit in der irgendwie Linke froh über Fidel Castros Tod sind, in der irgendwie Linke wenige Jahrzehnte nach Auschwitz Israel dämonisieren und delegitimieren, in der irgendwie Linke den islamistischen Terror von Islamisten verharmlosen oder die islamistische Frauen- und Menschenverachtung tabuisieren muss ich leider zum wiederholten Male eine ideologische Verwahrlosung konstatieren.

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    • 24. Januar 2017 18:04

      Nachdem ich nun von verschiedener Seite zu obigem Kommentar angeschrieben wurde möchte ich dazu kurz vermerken:
      In Facebook hat mich ein Dieter Sturm aus Österreich wegen dieses Artikels zu Fidel Castro „entfreundet.“ Ich hatte Dieter Sturm bis dahin immer als klugen Kopf geschätzt, aber irgendwie lagen wir doch nicht so richtig auf einer Wellenlänge, wie ich immer angenommen habe. Dieter Sturm meinte mein Castro-Artikel wäre „unerträglicher, unverzeihlicher, von Grund auf verharmlosender und verlogener Kitsch.“ Ich habe ihm dann mit dem obigen Kommentar geantwortet.

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