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Muttertag und Mutterkreuz

27. Juli 2010

Die Mutterschaft wurde in der NS-Zeit die wichtigste Lebensaufgabe von Frauen. „Deutsche Frauen“ wurden in geradezu pseudoreligiöser Weise verehrt und von der NSDAP unter den besonderen Schutz des NS-Staates gestellt. Deutsche Mütter wurden zur „heiligsten Kraft“, zur „Wahrheit des Lebens“ und zur „Offenbarung des Göttlichen“.  Das „Mutterkreuz“, die einzige Auszeichnung für Frauen im Nationalsozialismus, mit seinen drei Verleihungsstufen spielte hierbei eine herausragende Rolle.

Nach dem ersten Weltkrieg war das Bewusstsein vieler Frauen gestärkt, sich allen Versuchen zu widersetzten, in die Hausfrauen- und Mutterrolle zurückgedrängt  zu werden. Gleichberechtigung und Emanzipation war nun das Ziel vieler Frauen. Dies war ebenfalls das zentrale Ziel der fortschrittlichen Frauenbewegung, in der kommunistischen und sozialistischen Arbeiterpartei in der Weimarer Republik, mit Frauen wie Clara Zetkin, Käthe Duncker und Helene Overlach.  Der „internationale Frauentag“ in Deutschland wurde als erster Schritt durchgesetzt.

Im Gegensatz dazu stand die „Muttertagsbewegung“ der Weimarer Republik. Sie  war eine bürgerlich-christliche  Gegenreaktion auf Zetkin und Co.
Zwischen 1918 und 1933 griffen die ideologischen Vorläufer der Nazis und deren Bevölkerungspolitiker den Muttertag auf, die Mutterrolle der Frau in den Mittelpunkt zu stellen. Auch die Kirchen bedienten sich der Idee. Im speziellen hatte die katholische Kirche eine traditionelle  Mutterverehrung und zwar in Form der Marienverehrung. Ingrid Richter hebt in ihrem Buch, „Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich“, hervor, dass die katholische Kirche lediglich die Wege der NS-Eugenik ablehnte, nicht aber das Ziel. Beispielsweise trat der Bevölkerungspolitiker Hans Harmsen, in der  Weimarer Republik Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung“  und Mitglied des Zentralausschusses der „Inneren Mission“ der evangelischen Kirche, für den Kinderreichtum der deutschen Frauen ein, solange die Kinder im Sinne der Eugeniker erbgesund waren. Er war ebenfalls Mitbegründer und Leiter der evangelischen Fachkonferenz für Eugenik. Die Bevölkerungspolitiker der Weimarer Republik  waren in eugenischer Hinsicht die Wegbereiter der späteren Rassenpolitik der Nazis.
Die NSDAP führte ab Mai 1934 den Muttertag als nationalsozialististischen Feiertag ein. Der Internationale Frauentag wurde verboten, damit hatte das völkische Frauen- und Mutterbild das internationale erfolgreich verdrängt. Ein Propagandaspruch der Nazis lautete später: „Heilig soll uns sein jede Mutter deutschen Blutes“. Ein öffentlich wirksamer Höhepunkt des NS-Mutterkults waren die Mutterkreuz-Verleihungen:  Ende 1938,  wurden „Mutterehrungsfeiern“ durchgeführt, bei denen an kinderreiche deutsche Mütter das „Mutterkreuz“ verliehen wurde, als „sichtbares Zeichen des Dankes des Deutschen Volkes an kinderreiche Mütter“. Die „Mutterkreuze“ waren  in drei Klassen eingeteilt: Das „Bronzene Mutterkreuz“ bekamen Mütter von vier oder fünf Kindern. „Silber“ bekamen Mütter von sechs oder sieben Kindern. Mütter mit acht oder mehr Kindern bekamen das „Goldene Mutterkreuz“. Die Auswahlkriteien hingen nicht nur von der Kinderzahl ab, sondern insbesondere  von der Zugehörigkeit der „Arischen Rasse“ und des „Wertes des Erbgutes“.

Ausgeschlossen wurde, wem beispielsweise:  „Unsittlichkeit“, „Arbeitsscheue“, „Vernachlässigung des Haushalts“ und  „Trunksucht“, „nachgewiesen“ werden konnte. Vielen Frauen wurde zum Verhängnis dass jeder „Volksdeutsche“ bei der NSDAP einen Antrag  auf Verleihung des Mutterkreuzes stellen konnte und die Mutter dadurch ins Fadenkreuz der erbbiologischen Überprüfung kam. Das Motto für das „Mutterkreuz“ war: die Frau vergießt ihr Blut im Wochenbett, der Mann auf dem Schlachtfeld. Bis 1941 wurden 4,7 Millionen „Mutterkreuze“ verliehen, in ihrem Aussehen bewusst   an das Eiserne Kreuz erinnernd.

“ Mutterkeuz“-Trägerinnen sollten nicht nur verehrt werden. Sie und ihre Familien erfuhren  einige Annehmlichkeiten. Unter anderem erhielten sie staatliche Fürsorge und während des Krieges bekamen sie  zusätzliche Lebensmittelhilfen.

 

Update 30.7.2010: Die Kompatibilität der Theorien von ihrem Idol Silvio Gesell und NS Mutterkreuz erkennt die „Freitagsbloggerin“ „thinktankgirl“ leider noch immer nicht.

Update 10.10.2012: Unter Evergreens 2: Muttertag und Mutterkreuz ist der Beitrag mit den Kommentaren einiger Sozialdarwinisten des „Freitags“ abzurufen. Weitere Informationen zu dem Thema: Evergreens 5 – Das SS-Zuchtprogramm NS-Lebensborn-e-v  & Silvio Gesell ist kompatibel mit NS-Lebensborn und Mutterkreuz & Was heute reaktionar erscheint war damals emanzipatorisch & Thilo Sarrazin und Silvio Gesell

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